Japans Premierministerin: Wie eine Anti-Feministin Trump umgarnen kann | ABC-Z

Donald Trump wird in Japan von der neuen Premierministerin Sanaue Takaichi empfangen. Die erste Frau auf diesem Posten ist das Gegenteil einer Feministin. Mit dem US-Präsidenten hat sie einige Gemeinsamkeiten.
Japan erlebt einen historischen Moment: Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte steht eine Frau an der Spitze der Regierung. Doch wer in Sanae Takaichi eine feministische Ikone sieht, liegt falsch. Die 64-Jährige gilt als Hardlinerin – und verdankt ihren Aufstieg nicht progressivem Wandel, sondern ihrer konsequent konservativen Haltung.
Gleichberechtigung hat sie nicht im Sinn. Ihr Kabinett zählt 19 Mitglieder, darunter nur zwei Frauen. Dabei hatte sie im Wahlkampf versprochen, ein „nordisches Modell“ zu schaffen – ein Regierungsteam mit ähnlich vielen Frauen wie in Island oder Schweden. Kaum im Amt, hatte sie das vergessen. Japanische Feministinnen nennen sie eine „honorary man“, eine Frau, die sich den Spielregeln des männlich dominierten Systems angepasst hat.
Am Montag erhielt sie prominenten Besuch. US-Präsident Donald Trump reiste nach Tokio. Er hatte Takaichis Wahl auf Truth Social als „great news“ gefeiert – nicht ohne Grund. Beide vertreten ähnliche Positionen: wirtschaftlichen Nationalismus, Skepsis gegenüber China und ein autoritäres Führungsverständnis.
Vereinbarung zu Seltenen Erden unterzeichnet
Sie waren sich schnell einig und unterzeichneten eine Vereinbarung zur Sicherung der Versorgung mit Seltenen Erden. Das Ziel sei es, „beiden Ländern dabei zu helfen, die Widerstandsfähigkeit und Sicherheit der Lieferketten für kritische Mineralien und Seltene Erden zu gewährleisten“, erklärte Trump. Seltene Erden sind ein zentrales Thema im Konflikt zwischen den USA und China, das gefällt Takaichi.
Sie überraschte Trump mit einem außergewöhnlichen Geschenk: Sie werde ihm anlässlich des 250. Jahrestages der Unabhängigkeit der USA im kommenden Jahr für die Hauptstadt Washington 250 Kirschbäume stiften, kündigte Sanae Takaichi an. Kirschbäume sind ein beliebtes Foto-Motiv in Washington, es gibt auch viele Souvenirs mit der Kirschblüte – während der Blütezeit taucht die Stadt in ein Meer aus Rosa und Weiß. Eine sympathische Wahl für ein Geschenk.
Seit Jahren ist Takaichi eine der lautesten Stimmen Japans im rechten Flügel der Liberaldemokratischen Partei (LDP). Sie verteidigt den umstrittenen Yasukuni-Schrein in Tokio, fordert mehr militärische Stärke und einen „patriotischen“ Geschichtsunterricht, der Japans Kolonialzeit in mildem Licht erscheinen lässt. Wie Nippon Kaigi steht sie für „traditionelle Werte“. Sie lehnt zum Beispiel gleichgeschlechtliche Ehen ab. Ihre politische Bewegung leugnet bis heute die Zwangsprostitution der sogenannten Trostfrauen im Zweiten Weltkrieg und bezeichnet die Tokioter Kriegsverbrecherprozesse als illegitim.
In der Innenpolitik zeigt Takaichi ein autoritäres Verständnis von Macht. Schon 2016 drohte sie als Innenministerin, regierungskritischen Fernsehsendern die Lizenz zu entziehen. Immer wieder forderte sie strengere Regeln für Ausländer – ob Touristen oder Migranten. Reformen, die verheirateten Frauen erlauben würden, ihren Geburtsnamen zu behalten, blockiert sie ebenso wie eine weibliche Thronfolge im Kaiserhaus.
Ihr Aufstieg war kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern das Ergebnis der typischen Machtarithmetik der LDP. Die Partei regiert Japan fast ohne Unterbrechung seit 1955. Wenn ein Premier scheitert, wird er ersetzt, um das System zu stabilisieren. Takaichis wichtigster Förderer ist der 85-jährige Taro Aso, Japans Premierminister von 2008 bis 2009 und langjähriger Finanzminister. Gemeinsam mit ihm hat sie die Parteispitze neu geordnet und alte Rivalen verdrängt. In Tokio spricht man bereits ironisch von einer „Regierung Aso“.
Trotz dieser Unterstützung steht Takaichi auf unsicherem Fundament. Nach dem Bruch mit dem langjährigen Koalitionspartner Komeito schloss sie ein Zweckbündnis mit der rechtsliberalen Nippon Ishin no Kai. Beide Parteien eint der Wunsch nach höheren Verteidigungsausgaben und strengeren Einwanderungsgesetzen, doch in der Wirtschaftspolitik liegen sie auseinander. Beobachter rechnen mit baldigen Neuwahlen.
Ihre politische Haltung ist stark von Vorbildern geprägt. Immer wieder verweist Takaichi auf die britische Premierministerin Margaret Thatcher, deren Durchsetzungsstärke und Patriotismus sie bewundert. Wie Thatcher versteht sie sich als pragmatische, aber unbeugsame Führungsfigur – allerdings mit deutlich nationalistischerem Einschlag.
Schwierige Lage für Taikaichi
Taikaichi steht gleich zu Beginn ihrer Amtszeit vor einigen Herausforderungen: Japan steckt in einer tiefen Kostenkrise. Die Energiepreise steigen, der Yen bleibt schwach, die Löhne treten auf der Stelle. Gleichzeitig altert das Land rapide und Fachkräfte fehlen.
Ihr Außenminister Toshimitsu Motegi kündigte im Vorfeld von Trumps Besuchs bereits an, Japan werde dem US-Präsidenten seine Entschlossenheit zeigen, die Verteidigung weiter auszubauen und die nationale Sicherheitsstrategie zu überarbeiten. Bereits jetzt läuft ein fünfjähriger Rüstungsplan bis 2027, der die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppeln und Japan erstmals offensive Fähigkeiten wie Langstreckenraketen verleihen soll – ein Bruch mit dem pazifistischen Nachkriegsprinzip. Der neue Koalitionspartner Nippon Ishin no Kai drängt zudem auf eine weitere Stärkung der Streitkräfte, was Befürchtungen über eine offenere militärische Rolle Japans schürt.
Trump fordert von seinen Verbündeten bekanntlich mehr: bis zu fünf Prozent des BIP für Verteidigung, neue milliardenschwere Waffenkäufe in den USA und höhere Beiträge für die rund 50.000 in Japan stationierten US-Soldaten. Motegi betonte, Japans Verteidigung müsse „auf unabhängigen Entscheidungen“ beruhen, nicht auf Quoten. Er will bald mit US-Außenminister Marco Rubio zusammentreffen, um die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.
Um die Stimmung im Vorfeld zu verbessern, bot Takaichi Trump ein milliardenschweres „Kaufpaket“ an: Pick-up-Trucks, Sojabohnen, Flüssiggas aus den USA. Erst danach sollte über Handelsdefizite und Verteidigungsausgaben verhandelt werden.
Eine Frau an der Spitze hätte ein Signal des Wandels sein können. Doch Takaichi verkörpert das Gegenteil. Sie steht für ein Japan, das in alte Gewissheiten zurückfällt – patriarchal, nationalistisch, hierarchisch. Ihr Aufstieg markiert keinen Fortschritt, sondern den Triumph der alten Eliten: Kräfte, die Geschichte verklären, Gleichstellung misstrauen und Macht mit nationaler Reinheit verwechseln.
Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.





















