Wie das kolumbianische „Celele“ zum nachhaltigsten Restaurant der Welt wurde | ABC-Z

„Celele“ wurde von „World’s 50 Best“ mit dem „Sustainable Restaurant Award 2025“ ausgezeichnet. Warum ist es Ihnen wichtig, sich für mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie einzusetzen?
Woher kommt diese Motivation?
Unser wichtigstes Ökosystem, mit dem wir am meisten arbeiten, ist der tropische Trockenwald, der stark gefährdet ist. Davon gibt es nur noch acht Prozent auf der Welt. In der Nähe von Cartagena wachsen so viele einheimische Zutaten, aber es besteht immer die Gefahr, dass der Wald für Palmölplantagen oder Landwirtschaft in Monokultur abgeholzt wird. Deshalb arbeiten wir mit den Gemeinden zusammen. Es ist wichtig, dass sie ihre Ökosysteme schützen und verstehen, dass all diese Zutaten aus dem tropischen Trockenwald und anderen Ökosystemen nachhaltig geerntet werden und auch profitabel sind, wenn man sich um sie kümmert und sie zu jeder Jahreszeit sammelt.
Wir haben das Menü umgestellt. Unser Restaurant hat kein festes Degustationsmenü, sondern ist ein À-la-carte-Restaurant mit etwa 160 Gästen am Tag. Auf diese Weise konnten wir eine größere Wirkung erzielen: Mehr Menschen können die einheimischen Produkte probieren und etwas über die Bedeutung der Zutaten lernen. Über die Jahre haben wir viel daran gearbeitet, um unsere Arbeit mehr Menschen zugänglich zu machen und nicht nur denjenigen, die sich teure Menüs leisten können. Durch das À-la-carte-Angebot können mehr Gäste diese Zutaten kennenlernen, und auch die Gemeinden vor Ort profitieren davon. Das macht die ganze Idee nachhaltiger und gerechter.

Sie arbeiten ausschließlich mit einheimischen Zutaten und den Gemeinden, die sie anbauen. Wie sieht die Zusammenarbeit genau aus, und welche Vorteile bringt das für beide Seiten?
Wir beziehen unsere Zutaten von verschiedenen Orten. Wir arbeiten eng mit der Stiftung „Granitos de Paz“ zusammen. Früher wurden in Cartagena essbare Blumen vor allem aus Bogotá oder Medellín, also aus den Anden, verwendet und mussten viele Stunden lang eingeflogen werden. Stattdessen begannen wir ein Forschungsprojekt mit dem Botanischen Garten in Cartagena, wo wir alle möglichen lokalen Pflanzen und essbaren Blumen katalogisieren. Mit diesem Wissen sind wir auf „Granitos de Paz“ zugegangen, die es seit 20 Jahren gibt und die wir schon lange kennen, mit der Bitte, dass wir alles in der Region anbauen wollen, alle lokalen Blumen und Kräuter. Auf diese Weise arbeiten jetzt viele Familien aus den Armenvierteln von Cartagena mit uns und liefern uns ihre Produkte. Außerdem arbeiten wir mit Montes de María zusammen, einem Teilgebiet des tropischen Trockenwaldes, etwa zweieinhalb Autostunden von Cartagena entfernt. Diese Subregion war vor zwanzig Jahren stark von der Gewalt der Guerilla betroffen, zur Zeit des Bürgerkriegs in Kolumbien. Wir begannen, mit den Menschen dort zusammenzuarbeiten, und haben ihnen gezeigt, wie sie die Zutaten richtig ernten und nutzen, wie sie Rechnungen ausstellen und wie sie den Transport der Produkte aus ihrem Gebiet organisieren. Außerdem haben wir sie mit anderen Restaurants vernetzt, die ihre Zutaten kaufen wollten. Heute unterstützen wir so mehr als 40 Familien und insgesamt über 300 Menschen.

Welche weiteren Methoden setzen Sie in Ihrem Restaurant ein?
Wir recyceln Glas und Plastik und kümmern uns um die richtige Entsorgung von Fetten. In Zukunft möchten wir auch Dinge wie Solarenergie nutzen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns auch, gut mit unserem Team umzugehen. In dieser Branche werden Angestellte manchmal nicht sehr gut behandelt, und wir denken, dass das Wohlergehen der Menschen, einschließlich unserer Lieferanten, ebenfalls wichtig ist. Deshalb achten wir darauf, dass sie faire Arbeitszeiten, gutes Essen, ein gutes Gehalt und genug Zeit für ihre Familien haben. Auch das ist für uns ein wichtiger Teil der Nachhaltigkeit.
Die Gastronomiebranche ist wirklich nicht gerade für ihre guten Arbeitsbedingungen bekannt. Wie wichtig ist Ihnen neben der ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit?
Für mich ist sie sehr wichtig, denn man kann niemanden schlecht behandeln, der Essen zubereitet oder serviert. Die Stimmung der Menschen spürt man auch beim Essen. Gäste merken es, wenn das Team glücklich ist. Wenn die Angestellten ein gutes Leben führen, zeigt sich das auch im Service und der Atmosphäre. Für mich gehört es dazu, dass es innerhalb des Restaurants genauso zugeht, wie wir es auch nach außen zeigen. Nur so ist es glaubwürdig.

Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?
Die größte Herausforderung war, die Gemeinden zu erreichen. Viele Orte liegen weit weg und haben schlechte Straßen oder wenig Infrastruktur. Wir mussten herausfinden, wie wir diese Menschen kontaktieren und dann auch davon überzeugen können, dass ihre Zutaten wichtig sind und dass wir sie brauchen. Am Anfang mussten wir viel Aufklärungsarbeit leisten, damit sie verstehen, dass wir in unserem Restaurant ganz andere Zutaten verwenden als die üblichen kommerziellen Produkte. Heute kennen die Menschen unser Konzept besser. Sie machen gerne mit, denn sie merken, dass es gut schmeckt und sie auch viel Neues lernen.
Und wie setzen Sie all dies kreativ in Ihren Gerichten um?
Wir arbeiten immer sehr eng mit unserem Team zusammen und bringen sie auch mit zu den Orten, wo die Zutaten herkommen. Dort lernen sie viel über die Produkte und ihre Herkunft. Die meisten aus unserem Team stammen aus der kolumbianischen Karibik. Sie fühlen sich mit den Zutaten verbunden, und es macht sie stolz, damit zu arbeiten. Wir überlegen also immer, wie wir die Karibik auf den Teller bringen können. Unsere Gerichte sind sehr farbenfroh und bestehen aus vielen natürlichen Elementen wie Blüten als Dekoration. Wir wollen mit unseren Gerichten Geschichten erzählen und legen viel Wert auf die Ästhetik. Denn wenn man in die kolumbianische Karibik reist, findet man eine Fülle von Farben und Landschaften, und die soll sich auch in unseren Speisen wiederfinden.

Können Sie mir die Geschichte eines Ihrer berühmtesten Gerichte, dem Dessert mit der „Flor de Amor“, erzählen?
Ich selbst mag Desserts sehr gerne und finde es immer schön, wenn Gerichte ihre eigene Geschichte haben. Eine besondere Erinnerung habe ich aus Montes de María: Dort trafen wir eine Bäuerin namens Rosa Bertel. Sie legte Frangipani-Blüten in Wasser ein und benutzte dieses duftende Wasser, um ihre Kleidung und ihre Bettwäsche zu besprühen, damit es gut riecht. Die Blüte ist sehr aromatisch und wird auch „Flor de Amor“ genannt, die Blume der Liebe. Daraufhin wollte ich sie unbedingt in einem Gericht verwenden. Also haben wir Frangipani-Blüten in Kokosmilch ziehen lassen und daraus ein Sorbet gemacht. Dazu servieren wir ein Espuma aus karibischer Stachelbeere, serviert in einer Pomelo. Es ist ein Dessert, dass die Gäste begeistert und das sie in Erinnerung behalten. Der Besuch an diesem Ort und der Anblick, wie das Aroma dieser Blume genutzt wurde, hat uns dazu inspiriert, eines der beliebtesten Desserts zu kreieren, die wir bei „Celele“ anbieten.

Sie verwenden den Begriff „vom Samen bis zur Schale“ für Ihre Art zu kochen. Was verstehen Sie darunter?
Für uns heißt das, dass wir immer das gesamte Produkt verwenden. Wir fragen uns immer: Wie können wir auch die Schalen der Zutaten verwenden und nicht nur die Frucht? Zum Beispiel machen wir Kokosmilch aus der Kokosnuss, aber die Schale und die harte Haut der Kokosnuss nutzen wir dann, um Hühnchen zu räuchern. Bananenschalen kochen wir knusprig oder machen einen Eintopf daraus. Außerdem stellen wir aus Samen und Schalen auch Pulver her.
Wie lief der Bewertungsprozess für diesen Nachhaltigkeitspreis ab?
Wir standen schon viele Jahre auf der „Latin America’s 50 Best“-Liste, dieses Jahr haben wir es erstmals auch auf die „World’s 50 Best“-Liste geschafft. Wenn man sein Restaurant für den „Sustainable Restaurant Award“ nominieren will, muss man eine Menge Informationen einreichen: Die Mengen der verwendeten Zutaten, Videos über Recycling und vieles mehr. Außerdem gibt es ein Interview, um mehr über die Details zu erfahren. Wir hatten uns schon immer für den lateinamerikanischen Preis beworben, und dieses Jahr haben wir ihn dann in der globalen Kategorie erhalten. Die Organisation, die das Audit durchführt, kennt uns schon lange und hat uns auch immer wieder Tipps gegeben, welche Methoden und Dinge wir noch einführen können und wo wir noch Defizite haben. So konnten wir Schritt für Schritt besser werden.

Welche Aspekte würden Sie gerne noch verbessern?
Wir möchten uns mehr mit unseren organischen Abfällen beschäftigen. In Cartagena ist es sehr schwer, Müll zu trennen und zu recyceln, besonders in der Stadt. Im Restaurant selbst klappt es gut, aber außerhalb ist es schwieriger. Deshalb wollen wir herausfinden, wie wir einen Teil unserer organischen Abfälle besser nutzen können. Ein Projekt, über das wir gerade nachdenken, ist, dass wir auch in der Lage sein wollen, unsere eigenen essbaren Blumen anzubauen und dafür dann organischen Kompost zu verwenden. Das ist ein Prozess, der hoffentlich in Zukunft noch klarer für uns wird.
Welchen Rat würden Sie anderen Restaurants geben, die nachhaltigere Praktiken einführen möchten?
Es kommt vor allem auf die Umgebung an. Nicht jedes Restaurant hat einen tropischen Trockenwald in der Nähe, aber überall gibt es andere Ökosysteme. Ich denke, es hilft sehr, die Natur rund um die eigene Stadt oder Region zu erkunden, um auch zu entscheiden, wo man ein Restaurant eröffnet. Es ist wichtig zu verstehen, wie die Natur funktioniert und wie wir sie nutzen können. Dabei geht es nicht nur darum, Produkte zu ernten und zu verkaufen, sondern auch die Gemeinden und Tiere vor Ort zu versorgen. Man sollte sich also wirklich mit der Umgebung beschäftigen und sie gut kennenlernen und verstehen.