J.D. Vance im Duell: Ein Trump mit Manieren | ABC-Z
Vor etwa zwei Jahren beobachteten Demokraten bang den Aufstieg eines „Trump mit Hirn“ in der Republikanischen Partei. Gemünzt war der Begriff auf Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der viele von Trumps Positionen genauso energisch vertrat wie der frühere Präsident, aber deutlich geschmeidiger. Im Vorwahlkampf kam der Hoffnungsträger vieler Republikaner-Funktionäre und Angstgegner vieler Demokraten dann aber nicht weit.
Der Versuch, zugleich Trumps größter Anhänger und dessen Rivale zu sein, musste scheitern. Die Basis wollte das Original, keine geschliffene Kopie. Dennoch steht auch jetzt ein „Trump mit Hirn“ auf der großen Bühne: J.D. Vance.
In der Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten zeigte Vance sich obendrein als eine Art Trump mit Manieren, um nicht zu sagen: als Trump mit Empathie. Der Fernsehzuschauer konnte sich in eine vergangene Epoche versetzt wähnen, in der es normal war, dass sich die Kandidaten beider Parteien mit Respekt begegnen und einander sogar ab und an Recht geben, obwohl sie zwei grundverschiedene Visionen für das Land vertreten.
Nur einer musste sich verbiegen
Verbiegen musste sich dafür nur Vance – der demokratische Kandidat Tim Walz dagegen blieb sich so treu, dass er selbst in heiklen Außenpolitik-Fragen daherkam wie der nette Normalo vom Lande und nicht wie jemand, der von heute auf morgen als Oberbefehlshaber einspringen könnte. Trumps „running mate“ aber war wie verwandelt.
Er hielt Abstand von den Verschwörungstheorien, die er sonst gerne ventiliert. Er verzichtete auf derbe Beleidigungen. Beim Thema Abtreibung gab er sich nachgerade demütig, indem er zugab, dass sich die Republikaner hier erst einmal Glaubwürdigkeit bei vielen Wählerinnen verdienen müssten.
Das alles bestätigt den Opportunismus-Verdacht, unter dem Vance seit seiner Verwandlung vom großen Trump-Kritiker zum treuen Trump-Jünger steht, die ihm seinen Sitz im Senat einbrachte. Er steht damit für eine Vielzahl machthungriger Politiker, die den Trumpismus durchschaut haben und für sich zu nutzen wissen.
Zumindest im Fall eines abermaligen Sieges des heute 78 Jahre alten Republikaners stünde Vance in der besten Ausgangsposition, Trumps Erbe anzutreten. Der Beweis, dass die Leute einen Trumpismus ohne Trump wollen, steht allerdings noch aus.