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“It’s a Wettbewerb!”: Das ZDF hat die Reisereportage gepimpt | ABC-Z

Die große weite Welt ins Wohnzimmer holen. Was in den Anfangsjahren des Fernsehens einmal der ganz große Reiz war als bewegte Bilder unbekannter Länder über den heimischen Fernsehapparat flimmerten, wird schon seit Jahrzehnten abseits von Aktualität und News weitaus selten kultiviert. Der Fernseher, einst Fenster in die Welt, ist zum Spiegel des Publikums geworden. Das soll sich wiederfinden können. Die weite Welt? Gibt’s im Internet schneller und vielfältiger – und von Menschen vor Ort. Natürlich sehen wir Filme und Serien aus aller Welt, doch sind viele davon gar nicht an den Orten gedreht, an denen sie vorgeben zu spielen. 


Die Premiere von „Wettlauf um die Welt“ ist aus Branchensicht die Premiere des Reality-Genres in der ZDF-Primetime, aus Zuschauersicht aber zunächst einmal ein großes Abenteuer mit spektakulären Bildern. Reisereportage meets Gamification. Sendungen wie „Kitchen Impossible“ (Vox) aber auch „Das Duell um die Welt“ (ProSieben) transportieren am Rande des eigentlichen Wettbewerbs ebenso Fernweh und Faszination nach Hause. „Wettlauf um die Welt“ tut das auch, sogar in Reinform. Hier steht die Reise im Mittelpunkt. Produziert wurde es als eine der letzten Produktionen von Tower Productions, die für Kabel Eins auch den „Roadtrip Amerika“ inszenierte.



© ZDF

Das Format aus dem Katalog von All3Media lief in Großbritannien bereits in mehreren Staffeln bei der BBC, wo man als öffentlich-rechtliche Anstalt weit weniger Angst hat vor Formateinkäufen im Allgemeinen und Reality-Formaten im Speziellen. Worum es geht? Fünf Teams treten zu einem „Wettlauf um die Welt“ an, wobei sich das diesmal auf Südamerika bezieht. Vom Startpunkt in Peru müssen Sie an die Südspitze Argentiniens reisen – ohne Handy, nur mit Bargeld und einem Flugverbot. Das Rennen ist eingeteilt in fünf Etappenziele, bei denen die Teams wieder aufeinander treffen.

Die Routen der fünf Kandidatenpaare sind unterschiedlich, gleich aber die Struktur: Auf jeder Etappe gilt es eine Arbeit zu erledigen (mit der sich auch die Reisekasse aufbessern lässt) und ein Highlight auf der Route zu besuchen oder besichtigen, was als Belohnung gedacht ist und uns zuhause abseits der Spannung des Rennens der fünf Kandidatenpaare Einblicke in die Landschaften und Kulturen gibt. Die Reihenfolge des Zieleinlaufs beim Etappenziel entscheidet über den Vorsprung beim Start in die nächste Runde.


Wettlauf um die Welt

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Dem Casting der Sendung gebührt ein großes Lob: Dreimal 90 Minuten Primetime hängen hier letztlich an fünf Kandidatenpaaren. Wo bei Quiz- oder Gameshows im Zweifel innerhalb einer Folge oder spätestens zur nächsten Ausgabe eine neue Besetzung noch etwas retten kann, liegt hier die große Last von gleich 270 Sendeminuten, die linear an drei Abenden und in der Mediathek als 6x 45 Minuten verfügbar sind, auf einem klugen Casting. Und man kann sehr viel Spaß haben mit diesem Cast. Fünf Kandidatenpaare, die unterschiedliche nicht sein könnten.

Da wäre die ehrgeizige Mutter-Sohn-Kombination Jill und Jamie, die sich mit impulsiven Kommentaren und tiefgründigsten Lebensweisheiten selten zurückhalten. Dann gibt es die kreativ-künstlerischen Lykka und Carlo, zwei Studierende, die sich selbst nicht so ganz sicher zu sein scheinen ob sie sich als Paar bezeichnen wollen. Anders als das sympathische Patchwork-Ehepaar Dana und Mario, das allerdings immer wieder von Danas Emotionalität eingeholt wird. Mit Lile und Dilara gehen auch zwei beste Freundinnen gemeinsam ins Rennen und als wahres Casting-Gold erweisen sich die beiden schwäbischen Zwillingsbrüder Timo und Marcus.


Wettlauf um die Welt

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In einer wunderbaren Melange aus Wettbewerb und Reisereportage wird „Wettlauf um die Welt“ aus dem Off erzählt – eine Moderation gibt es nicht; braucht es nicht. Das verleiht dem Reality-Spiel ein dokumentarisches Look-and-Feel, wenn gleich man genau an dieser Stelle eine große Chance verpasst hat: Wie genau wurde dieses Rennen gefilmt? Wie einsam und verloren sind die Kandidaten wirklich, wenn doch ein Kamerateam sie filmt? Das ist nicht skandalös. Einem öffentlich-rechtlichen Reality-Format hätte eine gründlichere Erklärung des „Versuchsaufbau“ aber sicher gut zu Gesicht gestanden.

Ebenso wie eine etwas gründlichere Erklärung der Spielregeln, die sich erst im Laufe der ersten Folge Stück für Stück erschließen. Nicht gänzlich allerdings, weil unklar bleibt warum die Teams eigentlich Zwischenstopps für ihre „Highlights“ einlegen sollen, die zwar einerseits Belohnung darstellen aber im Rennen letztlich einen zeitlichen Nachteil bedeuten. Warum also nicht einfach weglassen? Ist das erlaubt oder nicht? Wir werden es nie erfahren. Und wenn letztlich 19 Minuten Unterschied über einen Etappensieg entscheiden – kostet dann nicht beinahe schon ein Statement für die Kamera den ersten Platz? Denn es geht schließlich um 25.000 Euro, oder wie eine Teilnehmerin sagt: “It’s a wettbewerb”


Wettlauf um die Welt

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Die denkwürdigsten Momente in der ersten von drei Folgen „Wettlauf um die Welt“ drehen sich um Meerschweinchen, die wir als Haustiere kennen. In Peru aber stehen sie durchaus auch auf Speisekarten. Auf einen gewissen Ekel folgt die Erkenntnis der reisenden Westeuropäer: „Gut, wir essen Pferde. Das finden die wahrscheinlich eklig“. Beinahe beiläufig spiegelt die Sendung damit den Kandidiatenpaaren – aber auch uns als Publikum – die oft anmaßende Sichtweise Westeuropas auf das was geht und was nicht.

Amüsant wird’s wenn wir die höchst unterschiedlichen Verhandlungsgeschicke der Paare bei ihren nächtlichen Unterkünften oder Fortbewegungsmitteln beobachten – oder aber die meist entsetzten und selten erfreuten Gesichter, wenn sie in Augenschein nehmen, was sie da gerade gebucht haben. Gereist wird schließlich mit schmalem Budget. Und so entwickelt sich „Wettlauf um die Welt“ zu einem kurzweiligen Reality-Programm das herrlich unaufgeregt aber amüsant daher kommt. Unnötig scheinen da billige Tricks aus dem RealityTV-Handbuch: Mitgegebene Briefe aus der Heimat sollen alle zu Tränen rühren – vier Tage nach Beginn des Abenteuers? Doch das sind keine Details über die das Format ins Stolpern gerät. 


„Wettlauf um die Welt“ ist eine Modernisierung der Reisereportage mit den Mitteln des Reality-TV. Ein bisschen Personality, ein bisschen Gamification. Dieses Abenteuer am anderen Ende der Welt transportiert spektakuläre Bilder mit einer neuen Variation des Storytellings. Gerne mehr davon. 

“Terra X: Wettlauf um die Welt” läuft ab 23. April 2025 mit drei Folgen jeweils mittwochs um 20.15 Uhr im ZDF und ist bereits in voller Länge online abrufbar beim ZDF.

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