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Italienischer Bürgermeister geht für seine Diät spazieren und nimmt seine Bürger mit | ABC-Z

Im Juni hat Luciano Fregonese die Bürgermeisterwahlen in Valdobbiadene gewonnen. Er erhielt gut zwei Drittel der Wählerstimmen – ein klares Mandat für eine dritte Amtszeit als Oberhaupt der Stadt von rund 10.000 Einwohnern, gelegen in der norditalienischen Region Venetien. Doch nach dem Sieg will Fregonese nun verlieren: Kilos.

Vor zehn Jahren war Fregonese erstmals zum Bürgermeister von Valdobbiadene gewählt worden. In den Weinbergen am Ufer des Piave wächst ein überaus trinkbarer, in ganz Italien und aller Welt geschätzter Prosecco. Die Glera-Rebe wird zum Prosecco di Conegliano Valdobbiadene ausgebaut, eine weltweit geschützte Herkunftsbezeichnung. Seit 2019 sind die Hügel des Conegliano Valdobbiadene als einzigartige Kultur- und Agrarlandschaft Teil des Weltkulturerbes der UNESCO. Auch sonst weiß man in der Gegend gutes Essen und Trinken zu schätzen. Als Fregonese zum ersten Mal als „sindaco“ ins Rathaus einzog, war er 37 Jahre alt und wog nach eigener Auskunft 90 Kilo. Zehn Jahre und zwei Amtszeiten später bringt er 140 Kilogramm auf die Waage.

Keine Zeit, zu viel zu tun

Über sein Gewichtsproblem redet Fregonese offen. Es zu verbergen, wäre auch kaum möglich. Gemobbt wurde er auch schon, besonders natürlich in den sozialen Medien und während des Wahlkampfs. In der Kampagne vor den Kommunalwahlen am 9. Juni hatte er die Rückkehr zu seinem „Einstiegsgewicht“ als Bürgermeister als sein persönliches Ziel für eine dritte Amtszeit ausgegeben. Ob diese besondere Wahlkampfstrategie seinen klaren Sieg erst möglich gemacht hat, steht dahin. Seine schlechte körperliche Verfassung sei ein Ausfluss seiner persönlichen Faulheit, gab Fregonese zu. Aber auch das Ergebnis seiner „sitzenden Tätigkeit“ als Bürgermeister sowie der zahlreichen öffentlichen Verpflichtungen von früh bis spät, zumal abends oft verbunden mit kulinarischen Versuchungen. Es sind die üblichen Ausreden: keine Zeit, zu viel zu tun.

Spaziergang durhc Valdobbadiene: Luciano Fregonese (Mitte im grauen T-Shirt) hört sich die Probleme seiner Bürger an.dpa

Die will der Bürgermeister nun nicht mehr gelten lassen. Jeden Donnerstag geht er seit seiner Wiederwahl spazieren, manchmal mit der Schärpe in der italienischen Trikolore, immer begleitet von einer wachsenden Zahl von Bürgern seiner Stadt. Die wollen einerseits ihrem Bürgermeister helfen, sein Wahlversprechen einzulösen, andererseits sich und ihrer Gesundheit selbst etwas Gutes tun. Und drittens ist der Spaziergang über fünf bis sechs Kilometer Länge so etwas wie eine mobile Bürgersprechstunde. Los geht es meist auf der Piazza Guglielmo Marconi im Herzen der Altstadt, dann durch die Straßen von Valdobbiadene und schließlich hinaus in die Weinberge. Das Tempo ist eher forsch, aber nicht so schnell, als dass man den Bürgermeister nicht auf dieses oder jenes Problem in der Stadt ansprechen könnte. Gute anderthalb Stunden sind der Bürgermeister und seine Bürger unterwegs. Beim ersten Spaziergang waren knapp vier Dutzend Leute dabei, mittlerweile finden sich bis zu 200 ein. „Die meisten kommen, um mich anzufeuern. Allenfalls jeder Zehnte hat etwas auf dem Herzen, was er dem Bürgermeister mitzuteilen hat“, sagt Fregonese.

Mit seinem Problem ist der Bürgermeister nicht allein, weder in seiner Stadt noch im ganzen Land. Wie die nationale Statistikbehörde ISTAT in ihrem aktuellen Bericht mitteilt, sind 47,6 Prozent der erwachsenen Italiener übergewichtig. 11,5 Prozent fallen sogar in die Kategorie fettleibig – wie derzeit noch Bürgermeister Fregonese. Viele der Betroffenen wollen von ihrem Gewichtsproblem aber nichts wissen: Mehr als die Hälfte der Übergewichtigen und sogar der Fettleibigen hält sich den Erhebungen von ISTAT zufolge für normalgewichtig. Mitten im Wahlkampf hatte jemand in Valdobbiadene an eine Mauer das Wort „panzone“ („Fettwanst“) gesprüht. Es war nicht schwer zu erraten, wer gemeint war. Die Beschimpfung habe ihn zwar nicht verletzt, aber nachdenklich gemacht, sagt Fregonese. Niemand solle sich für sein Übergewicht schämen, aber jeder solle verstehen, dass es nicht gesund sei, sagt der Bürgermeister. Er selbst habe Warnsignale wie Rücken- und Knieschmerzen, Kurzatmigkeit und Schwierigkeiten beim Gehen zu lange ignoriert. Auf die Waage gestellt hat sich Fregonese seit dem Beginn seiner Spazierdiät und Bürgertherapie noch nicht. „Aber ich fühle mich besser – körperlich und seelisch –, und das ist das Wichtigste. Es tut gut, draußen Leute zu treffen.“

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