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Italien: Mehr Museumsbesucher als Einwohner – Reise | ABC-Z

Die gute Nachricht: Es könnte in diesem Sommer leichter sein, eine bezahlbare Eintrittskarte fürs Kolosseum in Rom zu ergattern. Jahrelang hatten Agenturen mithilfe von Computer-Bots in Windeseile die Normalpreis-Tickets aufgekauft, bevor echte Menschen überhaupt eine Chance hatten, sie in ihren digitalen Warenkorb zu legen. Um ein Vielfaches teurer, inklusive Sonderleistungen, die kein Mensch braucht, wurden sie wieder auf den Markt geworfen. Die Behörden fanden’s raus, verhängten 20 Millionen Euro Strafe, und nun soll es erst mal vorbei sein mit dem lukrativen Geschäft.

Die schlechte Nachricht: Ganz so leicht ist es möglicherweise dann doch nicht mit den Tickets fürs Kolosseum. Denn die antike Arena steht mit großem Abstand auf Platz eins der beliebtesten Museen in Italien. Und die wiederum sind mittlerweile so attraktiv, dass sie im Jahr 2024 erstmals mehr zahlende Besucher zählten, als Italien Einwohner hat, nämlich 60 Millionen, eine Million mehr, als es Italienerinnen und Italiener gibt.

Stünden all diese Menschen gleichzeitig in einer Warteschlange, würde der durchaus längliche italienische Stiefel dafür bei Weitem nicht ausreichen: Gewährt man jedem Wartenden großzügig einen halben Meter Fußraum, sind das 30 000 Kilometer und damit fast drei Viertel des Erdumfangs am Äquator. 14,7 Millionen Besucher sind es übrigens allein im Kolosseum.

Italien hat mehr als 400 staatliche Museen, aber seien wir ehrlich, eigentlich ist das ganze Land ein einziges Museum, und es wäre insofern nur konsequent, bei der Einreise in Sterzing nicht nur Maut, sondern auch gleich Eintritt zu kassieren. Venedig macht es vor mit seinem 2024 eingeführten Ticket für Tagesgäste. Für Dogenpalast und Co. zahlt man natürlich weiterhin extra, und am Gedränge auf der Rialtobrücke und am Markusplatz hat das alles nichts geändert. Im Gegenteil: Die Lagunenstadt, die natürlich traumschön ist und absolut besuchenswert, wird weiter überrannt, und vielleicht stimmt ja doch der Spruch: Nur wenn’s was kostet, ist’s was wert.

Oder ist es gar nicht die Kulturbeflissenheit der Italienbesucher, die den Museen ihre Rekordbesucherzahlen beschert? Vielleicht sind sie in einem Land, das immer häufiger enorme Hitze im Wechsel mit enormen Regengüssen aushalten muss, die Profiteure des Klimawandels. Weil es an einem 41,5-Grad-Sommertag völlig egal ist, was da für Kunst in den Uffizien herumhängt und -steht, Hauptsache, die Räume sind wohltemperiert.

Nein, nein, daran kann es nicht liegen. Die berühmte Gemäldegalerie in Florenz steht zwar mit mehr als fünf Millionen Besuchern auf dem zweiten Platz der Museums-Hitliste, doch gleich danach folgen die Ausgrabungen in Pompeji. Und die sind, wie auch das Kolosseum, nun ganz und gar nicht klimatisiert, sondern, ganz nüchtern betrachtet, Ruinen ohne Dach und Komfort. Das muss man als Besucher im August wirklich wollen.

Je älter, je kaputter, umso besser: Daraus ergeben sich ganz neue Optionen für die zerbröselnde Infrastruktur in Deutschland, die bröckelnden Brücken, die maroden Schulen, die undichten Hallenbäder. Auf keinen Fall sanieren. Den Zahn der Zeit in Ruhe arbeiten lassen. Und dann Eintritt kassieren.

Die Autorin geht gern ins Museum, wird dort aber stets pünktlich nach einer Stunde von großer Müdigkeit übermannt.
Die Autorin geht gern ins Museum, wird dort aber stets pünktlich nach einer Stunde von großer Müdigkeit übermannt. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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