Ist Mord Privatsache? – Panorama | ABC-Z

Beamte müssen zum Wohle der Allgemeinheit wirken, so steht es im Gesetz, als treue Diener ihres Staates. Dass dies mehr ist als nur ein Job, davon zeugt die lebenslange Pension. Auch im Ruhestand bleibt man Beamter, wenigstens ein bisschen – und muss sich an ein paar Regeln halten. Wer aus dem Ruder läuft, kann seine Pension verspielen. Und wer einen Mord begeht, ohnehin. Oder?
Der Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt hatte es bis zum Verwaltungsamtmann gebracht, als er noch in Diensten der Bundesagentur für Arbeit war, als Beamter auf Lebenszeit. 2011 wurde er, da dauerhaft erkrankt, in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, ein Pensionär mit gerade mal 35 Jahren.
Das Bundesverwaltungsgericht hat gerade über eine Klage der Bundesrepublik Deutschland verhandelt, die einem Doppelmörder die Pension streichen will. Warum soll der Staat dem Beamten, der Treue zur Verfassung und damit zum Grundrecht auf Leben geschworen hat, den Ruhestand finanzieren? Allerdings haben sich bereits zwei Gerichte quergestellt. Der verurteilte Straftäter durfte weiterhin sein Ruhegeld kassieren, er hat von einer Lücke im sonst so dicht geflochtenen Beamtenrecht profitiert. Am Donnerstagabend hat das Bundesverwaltungsgericht dies nun bestätigt: Der Mörder bleibt pensionsberechtigt.
In einer Höhle erschlug er seine Frau und den Sohn
Das Verbrechen, das der Mann gegangen hatte, kann man sich schlimmer kaum ausdenken. 2019 lockte er seine von ihm getrennt lebende Frau und die beiden Söhne nach Teneriffa, angeblich um gemeinsam Ostern zu feiern. In einer entlegenen Höhle sollten die Geschenke versteckt sein.
Doch dort wartete der Tod. Er erschlug seine Frau und den älteren Sohn mit riesigen Steinen, offenbar hatte er die Tat sorgfältig geplant. Der jüngere Sohn, damals sechs Jahre alt, konnte entkommen, lief kilometerweit, bis er gefunden wurde. Vor Gericht wurde er zum wichtigsten Zeugen. Sein Vater wurde 2022 von einem spanischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt und zusätzlich zu 23 und 16 Jahren. Seither sitzt er in einem spanischen Gefängnis, das er so schnell nicht mehr verlassen wird.
Wäre er in Deutschland verurteilt worden, dann wäre die Sache klar. Wer als „Ruhestandsbeamter“ eine Tat begeht, für die er zu mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird, dem wird die Pension kurzerhand gestrichen. Das ist ein Automatismus – der allerdings nur greift, wenn jemand „durch ein deutsches Gericht“ verurteilt wird. So steht es ausdrücklich im Gesetz. Der Himmel weiß, warum das so ist, wahrscheinlich ist die deutsche Rechtsordnung bei ausländischen Urteilen einfach ein bisschen misstrauisch.
Aber es gibt ja genügend andere Paragrafen. In einem steht, dass Pensionären auch dann die Bezüge gestrichen werden können, wenn sie „sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ betätigen. Und hier beginnt die hohe Kunst der juristischen Auslegung. Ist diese Grundordnung beeinträchtigt, wenn jemand zwei Menschen umbringt? Oder ist Mord Privatsache?
Ein Verwaltungs- und ein Oberverwaltungsgericht in Sachsen-Anhalt waren der Ansicht: Mord allein genügt nicht zum Verlust der Pension. Erforderlich sei vielmehr, dass jemand an der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung arbeite – also Rechtsstaat, Demokratie, Menschenwürde angreift. Heißt: Wer als Reichsbürger die Bundesrepublik abschaffen will, verliert die Pension. Wer als rachsüchtiger Ehemann seinen Mordplan ins Ausland verlegt, behält seine Bezüge.
So sieht es in letzter Instanz nun auch das Bundesverwaltungsgericht. Zwar gebe es eine „fortwirkende Verfassungstreuepflicht“, die auch im Ruhestand gelte. „Die Begehung einer Straftat genügt für sich genommen zur Aberkennung des Ruhegehalts dagegen nicht.“