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Trainer Paul Simonis: Ein No-Name für den VfL Wolfsburg – Sport | ABC-Z

Im Mai saßen die Fußballtrainer Ralph Hasenhüttl und Niko Kovac nebeneinander auf dem Pressepodium, sie wirkten in diesem Moment weniger wie Rivalen, sondern eher wie Brüder im Geiste. Zwar hatte der Österreicher Hasenhüttl mit dem VfL Wolfsburg soeben 0:4 bei dem von Kovac trainierten Team von Borussia Dortmund verloren, sehr zur Freude des Kroaten. Doch Kovac zeigte auch Mitgefühl für die schwierigen Arbeitsbedingungen seines Kollegen. Immerhin seien in den vergangenen Jahren derart viele Trainer durch die Autostadt gesaust, so Kovac, dass man sich langsam mal die Frage stellen müsse, „ob es immer am Trainer liegt“. Hasenhüttl schaute zufrieden. Der Mann, der neben ihm saß, musste ja wissen, wovon er sprach.

Niko Kovac war zu diesem Zeitpunkt ein durchaus erfolgreicher BVB-Coach, weniger erfolgreich war er als direkter Vorgänger Hasenhüttls in Wolfsburg gewesen. Hasenhüttl jedenfalls wird in der nächsten Saison nicht mehr als VfL-Coach neben Kovac Platz nehmen, der Österreicher wurde kurz nach der Solidaritätsbekundung seines Nachfolgers freigestellt und darf sich seit Donnerstag nun Vorgänger eines gewissen Paul Simonis nennen. Simonis, 40, ist Niederländer und hat zuvor einen Klub mit dem nicht ganz alltäglichen Namen Go Ahead Eagles Deventer trainiert. Das aber durchaus erfolgreich: In der gerade abgelaufenen Saison wurde der niederländische Pokal errungen, es handelte sich um die erste Trophäe seit 92 Jahren für die Eagles. In der heimischen Liga hat sich der Kleinverein unter Simonis’ Führung stabil in der oberen Tabellenhälfte bewegt.

„Er passt hervorragend in unser Anforderungsprofil“, ließ Wolfsburgs Sportchef Peter Christiansen im offiziellen Kommuniqué ausrichten. Simonis, der einen Vertrag bis 2027 unterschrieben hat, habe die gleiche Vorstellung davon, „wie wir (…) den VfL Wolfsburg mit frischen Impulsen neu ausrichten und zugleich in seiner Entwicklung konsequent voranbringen möchten“ – sowohl bei den Profis als auch im Nachwuchsbereich. Ein fraglos ambitioniertes Vorhaben: Vier Trainer in den vergangenen vier Jahren haben die Wolfsburger verschlissen, während viel Geld für erstaunlich wenig Ertrag ausgegeben wurde. Der vom ortsansässigen Autokonzern alimentierte Klub hat in diesem Zeitraum eines der höchsten Transferdefizite der Liga zu verzeichnen und allein an Hasenhüttl angeblich fünf Millionen Euro Abfindung bezahlt. Herausgekommen sind null Europapokalqualifikationen und vor allem Endplatzierungen in der unteren Tabellenhälfte.

Der unbekannte Simonis gilt als guter Redner und akribischer Entwicklungsarbeiter

Der eher namenlose Simonis verkörpert so gesehen eine Kehrtwende, nachdem es der VfL ohne Erfolg mit durchaus namhaften Coaches wie Hasenhüttl, Kovac oder zuvor Mark van Bommel versucht hatte. In den Niederlanden jedoch soll Simonis einen ausgezeichneten Ruf haben. Es heißt, es handele sich bei ihm um einen Trainer modernen Typus, der sowohl rasantes Umschaltspiel als auch dominanten Ballbesitzfußball lehre. Letzteres ist eine klare Zielvorgabe des VfL-Sportchefs Christiansen, der bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr den puristischen Gegen-den-Ball-Verfechter Hasenhüttl dennoch im Vereinsbestand behalten hatte. Zudem wollen die Wolfsburger einen selbstauferlegten Arbeitsauftrag erfüllen: Simonis soll dabei mithelfen, Talente zu entdecken, diese besser zu machen und letztlich im Profiteam zu etablieren. Nicht jeder der vorigen VfL-Coaches hatte Interesse an dieser Art von Entwicklungsarbeit, obwohl die Wolfsburger diese längst als zentrales Unternehmensziel formuliert hatten.

Simonis, ein gelernter Physiotherapeut, hat in dieser Hinsicht jedenfalls eine einschlägige Biografie vorzuweisen: Profikicker war er nie, stattdessen begann er seine Trainerkarriere früh in der Jugend von Sparta Rotterdam. Dort coachte er unter anderem die U17 und die U19, daraufhin wurde er Profi-Co-Trainer in Heerenveen und bei den Eagles, wo er jeweils einem gewissen Kees van Wonderen als Assistent diente. Im Vergleich zum mitunter etwas spröden van Wonderen, in der Vorsaison Coach des FC Schalke 04, soll es sich bei Simonis um einen geradezu launigen und leidenschaftlichen Redner handeln. Nicht die schlechteste Eigenschaft, damit die Öffentlichkeit künftig auch dann mal zum Mittellandkanal schaut, wenn nicht gerade wieder ein Trainer ein- oder freigestellt wurde.

Simonis, das gehört auch zur Wahrheit, belegte auf der Wolfsburger Prioritätenliste lediglich Platz zwei, hinter Jacob Neestrup vom FC Kopenhagen. Neestrup erhielt jedoch keine Freigabe, weshalb sich auch der ebenfalls am Dänen interessierte Ligakonkurrent RB Leipzig anderweitig umschauen musste und nun vor der Verpflichtung von Ole Werner stehen soll. Die VfL-Verantwortlichen dagegen haben in Simonis ihren ersten No-Name-Trainer seit Jahren geholt, ein Entschluss, der ein wenig an den bislang letzten Wolfsburger Erfolgstrainer erinnert: Oliver Glasner kam 2019 vom Linzer ASK aus Österreich, 2020 führte er den Werksklub in die Europa League, 2021 in die Champions League.

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