Linksliberaler Kandidat Lee gewinnt Präsidentenwahl | ABC-Z

Der linksliberale Lee jae-myung hat am Dienstag die Präsidentenwahl in Südkorea gewonnen. Nach Auszählung fast aller Stimmen lag Lee deutlich vor dem konservativen Gegenkandidaten Kim Moon-soo. Am Abend gestand Kim seine Wahlniederlage ein und gratulierte seinem Gegner von der Demokratischen Partei. Lee sagte in seiner Siegesrede, „die Macht geht vom Volke aus“. Er werde die Demokratie in Südkorea wieder herstellen, nachdem der konservative Präsident Yoon Suk-yeol kurzzeitig das Kriegsrecht ausgerufen hatte, abgesetzt wurde und es die vorgezogene Neuwahl gab.
„Ich werde mein bestes tun, um die Erwartungen (der Wähler) zu erfüllen“, sagte Lee. Nach dem offiziellen Endergebnis wird der Wahlsieger unmittelbar ins Präsidentenamt eingeführt, das er regulär für fünf Jahre übernimmt. Damit geht ein halbes Jahr der politischen Führungslosigkeit in Südkorea zu Ende, nachdem der damalige Präsident Yoon Suk-yeol im Dezember für sechs Stunden das Kriegsrecht verhängt hatte und dafür seines Amtes enthoben wurde. Schon bei der Wahl 2022 hatte Lee nur knapp gegen Yoon verloren.
Höchste Wahlbeteiligung seit drei Jahrzehnten
Lee eilte damals der Ruf eines linken Populisten voraus. In diesem Wahlkampf wählte der 61 Jahre alte Lee mit Blick auf die Mitte der Gesellschaft gemäßigtere Töne und bezeichnete sich als einen „Zentrumskonservativen“. Nicht zuletzt gründet sein absehbar klarer Wahlsieg nun auf dem politischen, rechtlichen und moralischen Zusammenbruch Yoons. Die Wahlbeteiligung in Südkorea lag mit 77,8 Prozent so hoch wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.
Der amtierende Vorsitzende von Lees Demokratischer Partei, Park Chan-dae, sagte mit Blick auf den kurzzeitigen Kriegszustand, die Ergebnisse seien „ein donnerndes Urteil des souveränen Volkes gegen ein Regime der Rebellion“. Der stellvertretende Wahlkampfleiter der Konservativen, Na Kyung-won, hingegen sprach von einem „erheblichen Schock“. Er begründete die klare Niederlage mit Unordnung in der eigenen Partei, die sich lange nicht auf einen Spitzenkandidaten einigen konnte, der sich zudem kaum vom angeklagten Yoon distanzierte.
Wenn das Ergebnis so deutlich ausfällt, wie die Nachwahlbefragungen es am Dienstag nahelegten, verfügt Lee Jae-myung über ein sehr starkes Mandat zur Durchsetzung seiner Politik. Nicht nur der absehbar klare Wahlsieg, sondern vor allem die deutliche Mehrheit seiner Demokratischen Partei in der Nationalversammlung verspricht, dass er weitgehend durchregieren kann. Aus dem konservativen Lager wird befürchtet, dass Lee diese Mehrheiten nutzen kann, um Einfluss auf die Justiz zu nehmen. So laufen auch gegen Lee mehrere Strafverfahren, die sich auf Falschaussagen und auf mögliche Korruption beziehen.
Das Land steht vor großen Herausforderungen
International herrscht gewisse Unklarheit, wie Lee sein Land außenpolitisch aufstellt. Mit Blick auf die Balance zwischen dem Sicherheitsgaranten USA und dem größten Handelspartner China hat Lee eine ausgewogenere und „pragmatische“ Politik versprochen. Gleichwohl pries er die Allianz mit den USA, die er im Zweifel bevorzuge. Zudem versprach Lee eine Fortsetzung des trilateralen Bündnisses mit Amerika und Japan, der einstigen Kolonialmacht in Südkorea. Teile der Demokratischen Partei sehen Japan weiterhin höchst kritisch.
Auch zu Nordkorea will Lee die Beziehungen verbessern, ohne dass hier bislang ein fundamentaler Richtungswechsel erwartet wird. Und nicht zuletzt werben manche Vertreter der Demokratischen Partei auch für eine pragmatischere Politik gegenüber Moskau: Russland beliefert Südkorea unter anderem mit Kernbrennstäben und hat durch sein militärisches Bündnis mit Nordkorea großen Einfluss auf die Sicherheit der koreanischen Halbinsel.
In jedem Fall steht der neue Präsident vor erheblichen Herausforderungen. Es stehen schwierige Gespräche mit der amerikanischen Regierung an, die Südkorea mit Zusatzzöllen belegt und immer wieder eine Reduzierung der 28.500 in Korea stationierten US-Truppen andeutet. Südkoreas regionalpolitische Lage hat sich durch das mächtiger werdende China sowie das durch Russland militärisch erstarkende Nordkorea verschlechtert.
Innenpolitisch wächst die Wirtschaft zudem nur noch langsam, während die alten Probleme der niedrigen Geburtenraten, ungleicher Einkommensverhältnisse und hoher Lebenshaltungskosten weiter grassieren. Wie Lee das im Detail angehen möchte, hat er bislang offengelassen. An der marktwirtschaftlichen Orientierung seines Landes aber will er festhalten.