Irrfahrt der „Ruby: Häfen verweigerten Einfahrt – Hochexplosive Chemikalie an Bord – Panorama | ABC-Z
Great Yarmouth ist ein beliebter Badeort an der Ostküste Englands, mit Sandstränden, Spielhallen und einer kleinen Bimmelbahn für die Urlauber. Wer aber außerhalb der Sommerferien hier ankommt, erlebt ein müdes Hafenstädtchen mit leicht verranzter Fassade. Der Alltag ist dann unspektakulär. Außer natürlich, ein Schiff mit 20 000 Tonnen hochexplosivem Ammoniumnitrat legt hier an.
Die MV Ruby, laut der Internetseite Vesselfinder 2012 gebaut, 183 Meter lang und 28 Meter breit, hat eine turbulente Reise hinter sich. Auf der nordrussischen Halbinsel Kola ist sie am 22. August in See gestochen, schon kurz danach fuhr sie aber auf eine Untiefe und zog sich Schäden am Rumpf zu. Das Schiff konnte sich befreien und weiterfahren, erst eine Woche später erklärte seine Führung, die Ruby könne nicht mehr richtig manövriert werden. Da war sie bereits an der Küste Norwegens angekommen. Nachdem das Schiff im Hafen von Tromsø untersucht worden war, gaben es die norwegischen Behörden zur Weiterfahrt frei. Die Schäden sind offenbar nicht gravierend gewesen.
Erst steuerte das Schiff Richtung Ostsee, dann nach Malta. Obwohl der Frachter dort registriert ist, wurde ihm, wie in mehreren anderen Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee auch, die Einfahrt verweigert. Vor der Küste Englands ankernd, an der Themsemündung nahe London, bekam die Besatzung durch ein britisches Versorgungsschiff neuen Treibstoff und Verpflegung. Nun, im Badeort Great Yarmouth angekommen, wird das Ammoniumnitrat auf ein anderes Schiff gebracht, um die Ruby reparieren zu können. Hafenchef Richard Goffin teilte mit: „Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die MV Ruby sicher entladen und ihre Reise fortsetzen kann.“
Ammoniumnitrat dient vor allem als Hauptbestandteil von Düngemitteln. Von der Ladung gehe keine große Gefahr aus, teilte Norwegian Maritime Authority mit. Das Material entzündet sich laut Experten eigentlich nicht so leicht. Dennoch gilt es als Auslöser der Katastrophe im Hafen von Beirut im August 2020, wo große Mengen unsachgemäß gelagert worden waren. Mehr als 200 Menschen kamen damals bei einer Explosion ums Leben.
Das ursprüngliche Ziel des Schiffes sei Afrika, twitterte der britische Abgeordnete der Küstenregion Herne Bay and Sandwich, Roger Gale, unlängst. Die Schiffsladung sei nicht von den Sanktionen gegen Russland betroffen, da die Ruby weder in russischem Besitz noch unter entsprechender Flagge unterwegs sei.
Die „Tagesschau“ berichtet von Spekulationen, dass Russland mit einem angeblich gefährlichen Schiff die Reaktion westlicher Staaten und der Öffentlichkeit testen wolle oder Spionage an kritischer Infrastruktur während angeblich unfallbedingter Liegezeiten betreibe.