Ironman: Warum? Was treibt die Menschen? Altersklassen-Athletinnen und ihre Gründe | ABC-Z
Für manche ist es ein Lebenstraum, für viele ein Lebensgefühl und für andere unvorstell- und sonderbar: eine Triathlon-Langdistanz. Wer es macht und mag, den treibt etwas an. Manchmal auch persönliche Dramen. Altersklassenathletinnen, die bei der Ironman-WM in Nizza starten, und ihre Gründe.
Sie lieferte einst ikonische Szenen. Bilder, die den Ironman Hawaii weltweit bekannt machten und die den Mythos endgültig begründeten. 42 Jahre später ist die US-Amerikanerin Julie Moss, heute 65, an einen anderen Ort ihrer Triathlon-Geschichte zurückgekehrt, nach Nizza, und nimmt sich Zeit für jeden, der sie anspricht. Ein gemeinsames Foto, aufmunternde Worte allgemein und speziell, wenn jemand Respekt vor den 2400 Höhenmetern auf der Radstrecke hat, Tipps zum Durchhalten für die 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Und wer könnte das besser machen als sie, die 1982 zum Inbegriff des Ironman-Mottos „Anything is possible“ – alles ist möglich – wurde.
Wenn an diesem Sonntag nun 49 Profi-Triathletinnen und etwa 1400 Altersklassenathletinnen – die Älteste ist 72 – ihre WM erstmals in Nizza austragen (die Männer starten am 26. Oktober auf Hawaii, 2023 war es umgekehrt), wird dieses Motto allgegenwärtig sein. Und das gilt für andere Veranstaltungen abseits der WM nicht minder. In Nizza, wo Moss schon in den 80er-Jahren antrat und 2019 auch an der WM über die halbe Distanz teilnahm, haben sich jetzt Athletinnen aus 65 Ländern versammelt. Am Donnerstag zogen sie bei der Parade der Nationen gemeinsam die Promenade entlang.
Dabei gingen sie vorbei an einer Art „Walk of Champions“ – einer Reihe von überlebensgroßen Plakaten aller Ironman-Weltmeisterinnen seit 1979. Julie Moss ist dort nicht verewigt, aber Anne Haug (41), Siegerin 2019, oder Paula Newby-Fraser (62), mit acht Hawaii-Siegen die Königin von Kona, und auch Kathleen McCartney (65). Die Amerikanerin siegte 1982, als Moss Zweite wurde. Auch sie ist vor Ort in Nizza, ebenso wie Newby-Fraser.
Aber das Ironman-Motto der ersten Stunde trägt Moss‘ Gesicht: Als Außenseiterin mit wenig ausgereiftem Material gestartet, lag sie 1982 bis kurz vor dem Ziel in Führung. Dann brach sie zusammen, rappelte sich auf und brach wieder zusammen – wieder und wieder. McCartney zog an ihr vorbei, aber Moss, entkräftet und besiegt, kämpfte sich ins Ziel. In Nizza sagt sie zu den Starterinnen: „Genießt es, unterstützt euch. Baut die Energie auf für das Rennen, die euch zu neuen Höhen führen wird. Das ist Teil der Magie – dass wir alle zusammen sind. Alles ist möglich.“
Jede der 1400 Athletinnen – generell jeder, der eine Lang- oder auch Halbdistanz macht – hat seine eigene Geschichte. Was die meisten eint, ist ein Traum und der Glaube daran, dass vieles möglich ist. Dafür braucht es oft einen bestimmten Antrieb. In Nizza steht in diesen Tagen eine lange Stoffwand, auf der oben zu lesen ist: „Mein Warum“. Darunter haben sich etliche Altersklassenathletinnen verewigt. Ein Auszug:
„Um andere Krebs-Überlebende und meine Söhne zu inspirieren“
„Ich möchte meine Enkelkinder und ehemaligen Schüler wissen lassen, dass man Dinge schaffen kann, die einem Angst machen. Und dass Alter bloß eine Zahl ist. Fordert euch heraus, geht raus und genießt diese große, wunderbare Welt.“ #343, Amy Voegerl, USA, Altersklasse 60-64
„Ich trainiere und mache Rennen, um andere Krebs-Überlebende und meine Söhne zu inspirieren. Um zu zeigen, was möglich ist, wenn wir uns ein Ziel setzen.“ #795, Katarina Sodgren, Schweden, AK 40-44
„Träume sind dafür da, sie wahr werden zu lassen.“ Startnummer #344, Heidi Tenhunen, Finnland, AK 60-64
„Wegen meines Sohnes Tomee. Er ist meine Inspiration, um jeden Tag besser zu sein. Er gibt mir die Kraft, die ich brauche, wenn das Leben hart ist. Er schaut aus dem Himmel zu.“ #872, Editza Rodriguez Garcia, Puerto Rico, AK 40-44
„Indem ich mich körperlich und mental pushe, besuche ich die dunklen Orte meiner Seele. Es ist eine großartige Chance, in dieser Dunkelheit Frieden zu finden.“ #613, Patricia Gonzales Tablada, Mexiko, AK 30-34
„Weil sich selbst zu überwinden bedeutet, sich lebendig zu fühlen“
„Weil das Leben zu kurz ist, um nicht auch die schwierigen Dinge zu verfolgen. Insbesondere solche, die uns Angst machen. Um das Beste aus mir und meinem Leben, das ich glücklicherweise führen darf, zu machen.“ #851, Brie McSherry, GB, AK 40-44
„Für meinen Papa, der 2021 verstarb. Ich habe es ihm versprochen, bevor er starb.“ #1041, Chiara Melini, Italien, AK 50-54
„Weil dieser Wettkampf eine Reflektion des Lebens ist. Weil sich selbst zu überwinden bedeutet, sich lebendig zu fühlen. Weil diese Herausforderung zu meistern, dir eine Superpower für den Alltag gibt. Und dafür, den Alltag zu bestehen, egal, was kommt.“ #996, Anne Stoltz, Frankreich, AK 50-54
„Ich bin eine alleinerziehende Mutter von zwei wunderbaren Kindern. Meine Tochter kam mit einer speziellen Form von Autismus zur Welt. Ich möchte ihnen ein Vorbild sein und zeigen, dass alles möglich ist. Meine Tochter wird nächstes Jahr die Schule abschließen und zur Uni gehen, weil sie sich ein Beispiel nimmt.“ #815, Antonia Reznikov, Israel, AK 40-44
„Ich dachte, ich könnte nie Großes schaffen“
„Nur wenn mich etwas wirklich herausfordert, wachse ich und werde stärker.“ #1295, Milena Dobreva, Bulgarien, AK 45-49
„Mein Vater hat Mädchen im Sport entmutigt; ich dachte, ich könnte nie Großes schaffen. Aber ich fand heraus, dass es anders ist. Ich möchte, dass Kinder das Gefühl haben – meine eigenen und meine Schüler -, dass sie Dinge schaffen können, wenn sie alles dafür geben. Wir können mehr, als wir glauben.“ #437, Aileen Bogert, USA, AK 55-59
„Nur, wenn ich mich verausgabe, befreie ich meinen Kopf von schweren Gedanken.“ #848, Francesca Giogoli, Italien, AK 40-44
„Das Training hat mir dabei geholfen, während der Demenz-Erkrankung meines Vaters und später seinem Tod stark zu bleiben. Immer wenn ich dachte, ich verliere den Kampf, sagte mir mein Mann, ich solle mich auf Gott und mein Training fokussieren, und es meinem Vater zu widmen, der so viel ertragen hat. Ich wollte stark bleiben für meine Kinder.“ #807, Yelina Chumillo, San Antonio, AK 40-44
„Um mentaler Gesundheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ironman hat eine große Rolle dabei gespielt, meine postnatalen Depressionen in den Griff zu bekommen.“ #190, Jennifer Done, GB, AK 35-39
„Ich habe immer noch eine große Leidenschaft für die jährliche Herausforderung der WM, für die Aufregung und die Freundschaften, die es mir seit 1983 gebracht hat. Nummer 34.“ 388, Missy Lestrange, USA, AK 70-74
„Ich will mir selbst beweisen, wie stark mein Kopf und mein Körper sind. Ich will mich bis zu meinem vollen Potenzial pushen und nichts bereuen.“ #1222, Maddie Nelson, USA, AK 25-29
„Ich genieße es, fit zu sein, draußen zu sein, neue Menschen kennenzulernen, die es wie ich mögen zu leiden. Ich mag die Herausforderung und die Tatsache, in einem Sport zu sein, der Menschen zeigt, dass jeder Erstaunliches schaffen kann.“ #1319, Lana Brandli, Australien, AK 45-49
WELT-Redakteurin Melanie Haack berichtet seit 2011 über die Sportwelt abseits des Fußballs, insbesondere auch über Triathlon, sowie über Fitnessthemen.