Irgendwie doch Stilikonen: Pamela Anderson und Robert Habeck – Stil | ABC-Z
Für sie: Die befreite Frau
Für den prestigeträchtigen Titel der SZ-Stilikone des Jahres kommt einem gleich der Name der Frau in den Sinn, die um die Welt gereist ist und dabei Jung und Alt in Stadien in Freundschaftsbändchen-Ekstase versetzt hat: Taylor Swift. Aber bei genauerem Hinsehen fällt einem dann trotzdem die gelangweilte Stirn auf die Tischplatte, erstens, weil sie wohl doch nicht so viel politische Power hat wie von Journalisten herbeigewünscht. Zweitens, weil man sich an keines ihrer Glitzer-Outfits noch erinnern kann.
An den lustigen Hut, den Pamela Anderson schon im vorigen Jahr auf einer Vivienne-Westwood-Show trug, hingegen schon, genauso wie an die diversen Blumenkleider und sonstigen Glamour-Auftritte, mit denen sie 2024 zu ihrem Jahr machte. Sie ist der Golden-Globe-nominierte Star in Gia Coppolas „The Last Showgirl“, und sie zeigte uns in einer Netflix-Doku, wer sie eigentlich ist. Aber sie wird trotzdem in Interviews hauptsächlich darüber befragt, warum sie jetzt kein Make-up mehr trägt. Dabei macht das gar keinen Unterschied, selbst mit einer dicken Spachtelschicht sähe die Frau, die früher so viele belächelt haben, genauso glücklich und selbstverwirklicht aus wie ohne. Pamela Anderson ist eine Frau, die sich befreit hat, von Männern, von Schönheitsstandards, von Klischees. Was sie dabei anhat – zum Beispiel dieses akzeptable Abendkleid von Oscar de la Renta neulich bei den Gotham Awards –, ist eigentlich egal. Titelwürdiger Stil kommt wirklich immer von innen.
Für ihn: Der sanfte Mann
Weite Teile der männlichen Bevölkerung in Deutschland leiden an Habeck-Unverträglichkeit. Schon die Namensnennung treibt den Betroffenen rote Flecken ins Gesicht und führt zu unkontrollierten Tiraden und Schmähungen. Zum Teil ist das wohl auf allgemeine Grün-Intoleranz zurückzuführen, zum anderen Teil aber rätselhaft. Besser gesagt: Auch etliche andere Politiker hätten dann diesen chronischen Volkszorn verdient. Es muss an Habecks sanfter Art liegen, dass sich so viele direkt provoziert fühlen. Dabei schafft der Kanzlerkandidat der Grünen etwas, das alle anderen Kanzlerkandidaten nicht hinkriegen: Ein menschlich nahbares Bild eines Politikers abzugeben. Er ist einer, der nicht immer im Schutzpanzer auftritt, der auch mal Fehler oder Unwissenheit einräumt, der um verständliche Rhetorik und zurückhaltende Körpersprache bemüht ist.
Er ist also in dieser Hinsicht durchaus eine Stilikone – nicht modisch, sondern männlich gesehen. Macht ja, Macho nein. Natürlich trägt sein äußeres Erscheinungsbild zu dieser Wirkung bei, er hat ja immer was vom netten Zwiebackkind und ist insgesamt das, was man in den USA handsome nennen würde. Seine Küchentisch-Tour der letzten Wochen arbeitet genau diese emotionalen Stärken des Kandidaten heraus. Dass er dabei manchmal in einem seltsamen Schlauchstrickpullover herumsaß, war natürlich zu viel des Duzmenschentums, oder wie das Netz hämte: kulturelle Aneignung gegenüber Mitarbeiterinnen der evangelischen Gemeinde. Auch im dreiteiligen Anzug, wie zuletzt bei der Vertrauensfrage, ist Robert Habeck nicht in Bestform. Nein, er ist ein Hemd-plus-Pullover-Mann, wie übrigens die meisten normal netten Männer. Vermutlich wird er damit nicht Kanzler, aber in zehn Jahren dürfte es zum Bundespräsidenten reichen.