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Varta darf sich sanieren, die Anleger verlieren alles – Wirtschaft | ABC-Z

Lange haben sie gekämpft in Ellwangen. Tag und Nacht verhandelten sie, manchmal bis vier Uhr in der Nacht, das ganze Wochenende über. Sie sprachen mit Investoren, mit Gläubigern, warben bei Banken um Kredite. Hatten wütende Anleger am Hörer.

Nun scheint es, als hätten sich die nervenaufreibenden Monate für den Vorstand des Batterieherstellers Varta gelohnt: Am Freitag entschied das Landgericht Stuttgart, dass das Starug-Verfahren rechtskräftig sei. Mit dem Verfahren, das operativ lebensfähige Firmen vor der Insolvenz bewahren soll, saniert sich Varta, das 2024 fast pleite war. Nun gebe es die notwendige Rechtssicherheit, um sich zügig zu restrukturieren und neu zu kapitalisieren, sagt Vorstandschef Michael Ostermann der SZ. „Für unser operatives Geschäft, unsere Kunden und Mitarbeiter bedeutet dies vor allem Planungssicherheit.“ Für Varta arbeiten um die 4000 Menschen.

Das Gericht hatte die Klage der Anlegerschützer zurückgewiesen, die sich beschwert hatten, dass sie all ihr Geld verlieren und nicht an der Sanierung des Unternehmens beteiligt werden. Vartas Restrukturierungsplan sieht vor, dass das Grundkapital auf null herabgesetzt wird und das Unternehmen sich von der Börse zurückzieht. Das bedeutet für die freien Aktionäre, dass sie alles verlieren. Auch mit der Verfassungsbeschwerde sind die Anlegerschützer beim Bundesverfassungsgericht gescheitert.

Die Anlegergemeinschaft SdK ist empört. Dass das Gericht die Beschwerden verworfen hat, sei nicht nur enttäuschend, sondern zeige, wie ineffektiv und wirkungslos das Rechtsmittelsystem im Rahmen des Restrukturierungsgesetzes Starug sei, sagte SdK-Anwalt Markus Kienle der Deutschen Presse-Agentur. 200 000 Aktionäre hatten alles verloren, viele von ihnen hatten laut Varta Anteile im Wert von ein paar tausend Euro gehalten.

Zusätzlich zum Kapitalschnitt kommt es nun auch zum Schuldenschnitt, den Varta vorher in langen Verhandlungen mit seinen Gläubigern vereinbart hatte. Frisches Kapital, insgesamt 100 Millionen Euro, gibt es vom österreichischen Milliardär Michael Tojner, dem vorher schon mehr als die Hälfte von Varta gehört hatte, vom Sportwagenhersteller Porsche, und von Kreditinstituten. Das Starug-Verfahren sei notwendig gewesen, um Überschuldung und Liquiditätsprobleme zu lösen, sagt Vorstandschef Ostermann. „Es schafft die Basis für einen Neustart.“

Diesen Neuanfang will Ostermann nun vorantreiben. Durch das Joint-Venture mit Porsche lagert Varta die Sparte für großformatige Lithium-Ionen-Rundzellen aus und kann sich auf seine Kernbereiche konzentrieren. Am meisten Geld verdient die Firma immer noch mit seinen Alkalibatterien mit dem gelben Dreieck. Bei Hörgerätebatterien ist sie Weltmarktführer. Für Apples AirPods liefert das Unternehmen winzige Akkus. Ostermann sieht Potenzial außerdem in der Medizintechnik, etwa bei Diagnostik-Patches und Kapseln mit integrierter Batterietechnologie. Auch mit Hausenergiespeichern wächst das Unternehmen stark und will weitere Märkte erschließen, wie Italien und Spanien.

„Nach den Fehlern der Vergangenheit wollen wir Investitionen genauer prüfen“, sagt Ostermann. Nach erfolgreichen Jahren und großzügig ausgeschütteten Dividenden an die Aktionäre hatte sich Varta übernommen. Jahrelang war die Firma massiv expandiert und hatte Marktentwicklungen falsch eingeschätzt. Der Boom während der Pandemie für Headset-Akkus währte nicht lange. Und als Apple begann, seine AirPod-Akkus nicht mehr nur in Ellwangen zu ordern, blieb Varta auf Kapazitäten sitzen.

Fast hätte all das zur Pleite geführt. Doch nun, nachdem die Schulden weg sind und neues Geld da ist, sollen in Ellwangen wieder bessere Zeiten kommen.

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