Interview: Warum Jodeln plötzlich populär ist – Landkreis München | ABC-Z

Seit vielen Jahren gibt Erich Sepp, ehemaliger Leiter der Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn und der Abteilung Volksmusik beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, Jodel-Kurse. Am 13. September findet unter Anleitung des 80-jährigen Siegertsbrunners und der Freisingerin Veronika Schweikl ein „Jodlertag“ am Stadelberg bei Agatharied im Landkreis Miesbach statt.
SZ: Jodeln gilt als urtümliche, kraftvolle Gesangsform, die sich aus Hirtenrufen zur Kommunikation in den Bergen entwickelt hat. Aber kann Jodeln auch zärtlich sein?
Erich Sepp: 90 Prozent der Jodler werden langsam gesungen. Es sind getragene Stücke, die das Gemüt ansprechen. Die virtuosen Jodler, die durch die Medien bekannter sind, spielen eine kleine Rolle. Vor allem, wenn man gemeinschaftlich singt, kommt es auf Klang, Rhythmik und Harmonie an.
Seit etlichen Jahren boomt das Jodeln, Ihre VHS-Kurse sind schwer beliebt. Wie erklären Sie sich die Begeisterung?
Es ist schwierig zu erklären. Aber wer es einmal gemacht hat, der bleibt ihm meistens treu. Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass generell beim Singen schon nach 20 Minuten Glückshormone aktiviert werden. Beim Jodeln kann man auch schnell in einen Flow geraten, einfach dadurch, dass man nachsingt, was einem vorgesungen wird – ohne groß durch Noten, Texte und Vorgaben abgelenkt zu sein. Da werden beide Hirnhälften angesprochen.
Hängt es auch mit einer Renaissance von einst verpönten Traditionen zusammen, die jetzt wieder als identitätsstiftend wahrgenommen werden: Mundart, Tracht, Jodeln?
Das spielt sicher eine entscheidende Rolle. Ich hatte mal eine Münchnerin im Kurs, die hat dort angefangen, ihren Dialekt, den sie verloren hatte, wiederzufinden. Natürlich auch dadurch, dass in den Jodelkursen vornehmlich „boarisch“ gesprochen wird.
Es kommen zu Ihnen aber auch Nicht-Bayern.
Natürlich. Überhaupt hat das Jodeln europaweit Hochkonjunktur. An diesem Wochenende ist das internationale OU-Jodelfest in der Schweiz, letztes Jahr war es in Südtirol. Da kommen die ganzen Jodelnarrischen zusammen. Auch in Berlin oder Hamburg gibt es Kurse.
Mussten Sie mitunter Klischees entgegentreten, dass das Ganze doch irgendwie heimatkitschig oder reaktionär sei?
Nein, eigentlich nicht. Die Jodelszene ist im Übrigen eine sehr lebendige Szene, musikalisch offen. Was freilich häufig passiert: Loriot wird zitiert. Mit seiner Jodelschule.
Ah: „Holleri du dödl di“. Oder so. Was halten Sie von seinem Sketch?
Loriot ist genial. Tiefsinnig. Ich bin ihm nicht böse: Er veräppelt ja nicht das Jodeln, sondern parodiert andere kleinbürgerliche Phänomene.
Der Jodlertag findet am Samstag, 13. September, von 9.30 bis 16.45 Uhr am Berghof in Agatharied statt. Es sind keine speziellen Vorkenntnisse erforderlich. Notenmaterial wird gegen einen Kostenbeitrag zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmergebühr beträgt 35 Euro für Erwachsene, Jugendliche bis 16 Jahre sind frei. Kosten für Verpflegung: 27 Euro. Aus organisatorischen Gründen ist eine Anmeldung bis Freitag, 5. September, beim Veranstalter, dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege erforderlich. Telefon: 089/28 66 29 16, E-Mail: volksmusik@heimat-bayern.de