Interview: Mücken kommen, aber eine Plage-Situation wird es nicht | ABC-Z

Interview | Zalf-Forscherin
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“Das Mücken-Aufkommen wird ansteigen, aber eine Plage-Situation wird es definitiv nicht”
Während sich die Plagegeister mancherorts auf jede unbedeckte Stelle stürzen, fragt man sich andernorts: wo bleiben eigentlich die Mücken? In den kommenden Tagen werden es mehr, sagt Forscherin Doreen Werner – wohl auch die invasiven Arten.
rbb|24: Frau Werner, in den vergangenen Tagen und Wochen hat es viel geregnet. Eigentlich sind das doch ideale Bedingungen für die Mücken. Wie ist der Stand?
Doreen Werner: Aktuell haben wir in Deutschland eine Mücken-Lage, die regional sehr unterschiedlich ist. Mücken mögen es feucht und warm. Und wir hatten ja ein langes, trockenes Frühjahr. Das heißt, viele Mückenarten haben auf den Regen gewartet, um sich überhaupt entwickeln zu können. Und viele Arten, die jetzt aktuell in kleineren Regionen aktiv sind, sind die, die wir normalerweise im April und Mai haben.
Auch die Mücken brauchen für die Entwicklung eine Vorlaufzeit. Das heißt, wenn es regnet und sich die Mücken entwickeln können, dann brauchen wir immer ungefähr eine Woche bis zehn Tage, bis die ersten flugfähigen Mücken erscheinen – abhängig von der Temperatur.
Wir sind in diesem Vorlauf drin. In manchen Orten haben wir schon sehr viele Mücken, an manchen noch nicht, wo die Regengüsse noch nicht so lange her sind. Aber auch da werden die Mücken in den nächsten Tagen kommen.
Steht uns also quasi eine Invasion ins Haus oder bleibt es erträglich?
Die Entwicklung der Mückenpopulation ist natürlich von den vorherrschenden Brut-Habitaten abhängig. Ich gehe überhaupt nicht davon aus, dass wir Plage-ähnliche Zustände bekommen. Aber natürlich wird das Mücken-Aufkommen ansteigen, sodass der ein oder andere sich schon belästigt fühlt, aber eine Plage-Situation wird es definitiv nicht.
In Brandenburg ist es zum Beispiel so, dass wir durch die verstärkten Regengüsse jetzt natürlich Mücken haben, die zur Entwicklung kommen. Das sind nicht nur die Gemeinen Hausmücken, die in jeder Regentonne brüten, sondern auch die Arten, die wir als “Überflutungs-Mücken” bezeichnen. Auch die entwickeln sich.
Allerdings ist im Vergleich zu den Vorjahren, in denen es etwa zu Überflutungen entlang der Oder kam, noch eine entspannte Situation. Wir haben Mücken, die wir auch zu den Überflutungs-Arten rechnen, die aber vergleichsweise nicht so penetrant sind, wie in den letzten Jahren.
Gibt es neue Erkenntnisse zu invasiven Arten, wie beispielsweise der Tigermücke, die auf dem Vormarsch sind?
Wir haben in Deutschland verschiedene invasive Arten, die sich hier etablieren und natürlich auch weiter ausbreiten. Über unser Mücken-Atlas-Projekt bekommen wir in diesem Jahr verstärkt Hinweise auf die Asiatische Buschmücke. Tigermücken haben, so wie es aussieht, in diesem Jahr zwar gute Entwicklungsmöglichkeiten. Aber es hält sich alles noch in Grenzen.
Wo wir wirklich hinschauen müssen, sind die verschiedenen Arten der Gemeinen Hausmücke. Die sind in Deutschland die Überträger des West-Nil-Virus. Und da haben wir stetig ansteigende Zahlen. Besonders besorgniserregend ist aktuell der Ausbruch in Italien. Bei dem hat es in den letzten sieben Tagen schon 57 Neuinfektionen gegeben. Es steigt also extrem an. Die Zahl der Infizierten ist dort auf 89 gestiegen, mit mindestens acht Toten. Das ist auf den Raum südlich von Rom und von Lazio begrenzt.
Die Überträger des West-Nil-Virus können die Tigermücke und die gemeine Hausmücke sein. In Deutschland ist es die gemeine Hausmücke, in Italien die Tigermücke. Es kann aber auch sein, dass die gemeine Hausmücke involviert ist. Beide sind dazu befähig, diesen Erreger aufzunehmen und weitergeben zu können.
Die Entspannung beim West-Nil-Virus ist, dass man sagen kann: die Krankheitserreger werden nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Es bedarf immer des Mückenstiches einer infizierten Mücke. Nicht jeder West-Nil-Infizierte zeigt die klassische Symptomatik mit Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Fieber, Rückenschmerzen und einem typischen Hautausschlag – ungefähr zwei bis 14 Tage nach dem Stich.

Aber auch in Deutschland müssen wir dorthin schauen. Auch bei uns zirkuliert das West-Nil-Virus in den Mücken. Vor allem hier bei uns in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen. Auch andere Bundesländer, wie Sachsen und Sachsen-Anhalt sind schon betroffen. Dort sollte man mit Achtsamkeit vorgehen und im Garten Brutstätten vermeiden. Zum Beispiel Regentonnen abdecken oder diese leer schöpfen, einfach um den Mücken die Entwicklungsmöglichkeiten zu nehmen.

Die Tigermücke ist mittlerweile ja schon bekannter. Die Buschmücke ist dagegen noch eine Unbekannte. Wie unterscheidet sie sich von der Tigermücke?
Die Unterscheidung der Asiatischen Tigermücke und der Asiatischen Buschmücke ist relativ einfach. Die Tigermücke ist klein und fällt durch ihr penetrantes Anflugverhalten auf und wird von uns als sehr lästig wahrgenommen.
Die Asiatische Buschmücke ist im Vergleich relativ groß und erreicht acht Millimeter bis ein Zentimeter Körpergröße. Sie ist Kälte-tolerant und lässt sich von unseren Wintertemperaturen nicht beeindrucken. Dadurch kann sie sich an vielen Orten viel schneller etablieren und ausbreiten. Aber sie ist eher ein scheuer Anflieger, eher wie unsere Gemeine Hausmücke. Wenn wir nach ihr schlagen, dann braucht sie erst einige Sekunden bis Minuten, ehe sie einen erneuten Anflug startet. Das macht die Asiatische Tigermücke nicht.
Sie rufen die Menschen dazu auf, Ihnen Exemplare jedweder Art nach Müncheberg zu schicken. Warum?
Ja, nach wie vor bitten wir um die Einsendung von Stechmücken. Nicht nur, weil wir Forschungsdaten haben oder die Leute aufklären wollen, was in ihrem persönlichen Umfeld unterwegs ist. Wir brauchen einfach die Hinweise aus der Bevölkerung, um Kartieren zu können, wo sich die invasiven Arten etablieren und die einheimischen Arten aktuell aktiv sind. Nur dann können wir Rückschlüsse ziehen, wann und wo welche Arten unter bestimmten Witterungsbedingungen auftreten und Handlungsempfehlungen ableiten. Weitere Informationen dazu gibt es auf Mückenatlas.com.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das Interview führte Jeanette Bederke für Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.08.2025, 07:30 Uhr