Interview mit Tucker Carlson: Lawrow signalisiert Verhandlungsbereitschaft – zu Russlands Bedingungen | ABC-Z
Der russische Außenminister gibt sich im Gespräch mit dem US-Journalisten Tucker Carlson verhandlungsbereit – droht aber auch mit dem Atomkrieg. Er lehnt den ukrainischen Waffenstillstandsplan komplett ab.
Unmittelbar nach der Veröffentlichung eines Interviews mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow durch den US-Journalisten Tucker Carlson berichten russische Medien, der Politiker lege darin die Verhandlungsbereitschaft Russlands in der Ukraine-Frage dar. „Russland nennt die Bedingungen für einen Frieden in der Ukraine“, titelt „Russia Today“. Die Wirtschaftszeitung „Kommersant“ schreibt: „Lawrow erlaubt die Aufnahme von Friedensverhandlungen, ohne dass zuvor die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden“. Die staatliche Agentur „Tass“ schreibt: „Russland hätte gern normale Beziehungen zu den USA“.
Allerdings blieb Lawrow auch in dem Gespräch bei den Maximalpositionen Russlands. Er wiederholte Drohungen, Russland sei zum Einsatz von Atomwaffen bereit, wenn es unter Druck gerate. Er warf dem Westen erneut vor, den Konflikt provoziert zu haben und sich einer diplomatischen Lösung zu verschließen.
Als Bedingungen für eine Einigung nannte Lawrow in dem Interview mit dem Podcaster und früheren „Fox News“-Journalisten erneut, die Ukraine dürfe westlichen Bündnissen wie der Nato nicht beitreten. Die östlichen besetzten Gebiete seien seit den „Volksabstimmungen“ dort unabänderlich fester Teil Russlands. Die „Menschenrechte“ der Russen in der restlichen Ukraine müssten gewährleistet werden – etwa das Recht auf ihre Sprache und Religionsfreiheit. Das sei unter der derzeitigen Regierung nicht möglich. Damit will Lawrow offenbar weiterhin einen kompletten Regime-Wechsel in der Ukraine, deren aktuelle Regierung demokratisch gewählt ist.
Lawrow lehnte die Vorstellungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ab. Die Ukraine könne nicht Mitglied der Nato werden. Auch ein Stopp des Kriegs an der derzeitigen Front-Linie sei nicht genug: Denn würden Russen, die im von der Ukraine kontrollierten Gebiet lebten, weiterhin dem „nazistischen“ Regime ausgesetzt. Russland wolle die Ukrainer aber nicht auslöschen. Sie seinen „Brüder und Schwestern“ der Russen.
Der Frage, welche Kompromisse Russland vorschlage, wich Lawrow mit einer langen Antwort mit Anschuldigungen an den Westen aus. Generell hielt sich Interviewer Carlson in dem Gespräch sehr zurück – anders als in anderen Folgen seines Podcasts. Carlson hatte im Februar bereits Putin interviewt.
Lawrow warf seinerseits dem Westen vor, eine Verhandlungslösung nur zu seinen Bedingungen zu wollen. Der Westen wolle diktieren, welche Bedingungen Russland akzeptieren müsse. Das ergebe sich aus dem Prinzip des Westens, nichts über den Kopf der Ukrainer hinweg entscheiden zu wollen.
Lawrow beklagte, auf Treffen wie dem G-20-Gipfel liefen europäische Politiker weg, wenn sie ihn sähen. „Erwachsene Menschen verhalten sich absolut kindisch. Es ist lächerlich“, sagte er.
Lawrow behauptete, 80.000 Ukrainer seien durch den Krieg getötet worden. Auf beiden Seiten seien im vergangenen Jahrzehnt weniger als 20.000 Zivilisten getötet worden. Lawrow sagte, allein in Gaza seien innerhalb eines Jahres doppelt so viele Zivilisten getötet worden.
Zugleich warnt Lawrow den Westen. Der Einsatz einer neuartigen, atomwaffenfähigen Rakete im Ukraine-Krieg sei eine Warnung an die westlichen Verbündeten der Ukraine gewesen, dass Russland bereit sei, weltweit zuzuschlagen. „Die Botschaft, die wir über den Test der Hyperschall-Waffe unter realen Bedingungen senden, ist, dass wir bereits sind alles zu tun, um unsere legitimen Interessen zu verteidigen. Wir hassen es, über einen Krieg mit den USA und einen Atomschlag überhaupt nachzudenken“, sagte er. Doch das sei offenbar notwendig.
Der Westen nehme an, Russland habe keine roten Linien. „Das ist ein sehr ernsthafter Fehler“, sagt er. „Wir sind für alle Eventualitäten vorbereitet. Aber wir bevorzugen eine friedliche Lösung über Verhandlungen.“ Russland bestehe unter den westlichen Sanktionen: „Was einen nicht umbringt, macht einen stärker.“ Dass Russland sich dem Westen wieder annähere, etwa als Gegengewicht zu China, sei heute nicht mehr denkbar. Die Zeit, als die Präsidenten Boris Jelzin und Bill Clinton Kumpel waren, sei unwiederbringlich vorbei. Die vom Westen angemahnte regelbasierte Weltordnung bedeute real nur eine Vormachtstellung der USA. Das sei nicht der Wunsch Russlands.
Russland habe über Jahre Warnungen an die Nato gesendet, ihr Gebiet nicht auszudehnen. Russland habe in der Ukraine ursprünglich nur eine Art Eigenständigkeit eines kleinen Teils des Donbas im Minsk-Abkommen erreichen wollen, wie sie etwa Frankreich Korsika zugestehe. Die Ukraine und ihre Verbündeten hätten das nicht akzeptiert.
Daher sei es nicht Russland gewesen, das den Krieg begonnen habe, behauptete Lawrow. Russland war vor zwei Jahren in die Ukraine einmarschiert.
Die Aussagen zur Verhandlungsbereitschaft stehen zudem im Widerspruch zu den Aussagen westlicher Politiker, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, Russland sei in der Realität nicht zu Verhandlungen bereit. Scholz hatte kürzlich mit Präsident Putin gesprochen.
Lawrow lobte den kommenden US-Präsidenten Donald Trump. Dieser sei ein entschlossener Politiker, der Dinge schnell erledigen wolle. Das bedeute aber nicht, dass Trump prorussisch sei. Russland akzeptiere das Wahlergebnis: „Der Ball ist – wie Putin gesagt hat – auf deren Seite.“