Kultur

Interview mit Roy Bianco und die Abbrunzati Boys – Was ist Italianità? | ABC-Z

Mit ironisch zwinkernden Augen, Pathos und sehr viel Leidenschaft haben sich diese sechs jungen Herren aus Augsburg ganz nach oben gespielt. Roy Bianco, Die Abbrunzati Boys (eine Person) und ihre vier Mitstreiter spielen eine überaus freigeistige Version von italienisch eingefärbtem Schlager, angesiedelt irgendwo zwischen Guildo Horn, Wanda, Roy Black und Adriano Celentano. Als Kirsche auf dem Kuchen haben sich die Musiker eine fiktive Biographie gegeben (1981 in Sirmione am Gardasee gegründet, Comeback 2016) und treten konsequent ohne bürgerliche Namen auf.

AZ: Signori, ist es nicht reichlich kokett, Ihr neues Album „Kult“ zu nennen?
ROY BIANCO: Wir wollen unserer Zeit voraus sein, und bevor uns der Stempel, Kult zu sein, von außen aufgedrückt wird, machen wir das lieber schon mal selbst. Indem wir sagen „Wir sind Kult“.

Roy Bianco & die Abbrunzati beim Festival Noisehausen in Schrobenhausen .
© IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Goldberg
Roy Bianco & die Abbrunzati beim Festival Noisehausen in Schrobenhausen .

von IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Goldberg

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DIE ABBRUNZATI:  Uns war von Beginn an klar, dass wir dem Album den Namen „Kult“ geben würden, noch bevor wir die Songs überhaupt geschrieben hatten. Wenn es eine moderne Kultgruppe gibt, die sich jahrzehntelang treu geblieben ist, dann sind wir das. Außerdem kann man toll mit dem Titel spielen und über ihn reden.
Was macht Sie zum „Kult“?
Bianco: Das, was wir erreicht haben. Wir sind die erfolgreichste Italo-Schlager-Truppe Deutschlands, und vor allem bieten wir den Menschen natürlich das beste Liveerlebnis, das es aktuell im deutschsprachigen Raum zu sehen gibt.
„Kult“ ist Ihr drittes Album seit 2020. Das erste trug den schönen Titel „Greatest Hits“, dessen Nachfolger „Mille Grazie“ kam in Deutschland vor zwei Jahren völlig überraschend auf Platz eins. Wie konnte das geschehen?
Die Abbrunzati Boys: Wir bewegen uns natürlich in den sozialen Medien, aber dadurch, dass wir live solch ein Erlebnis sind, ist vieles über Mund-zu-Mund-Propaganda gelaufen. Die Leute haben ihren Freundinnen und Freunden von uns erzählt. „Hey, ich war auf dem Konzert bei diesen lustigen Italienern, und es war der Wahnsinn.“ Wir haben ja auf sehr kleinen Bühnen angefangen, und dann ist das Projekt auf natürliche, manchmal etwas langsame, doch vor allem wunderbare Weise mehr und mehr gewachsen.

Volker Heißmann und Sandra Rieß mit Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys beim Pressetermin zur TV-Show 30 Jahre Sternstunden-Gala 2023 in der Frankenhalle. Nürnberg.
© IMAGO/Dwi Anoraganingrum
Volker Heißmann und Sandra Rieß mit Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys beim Pressetermin zur TV-Show 30 Jahre Sternstunden-Gala 2023 in der Frankenhalle. Nürnberg.

von IMAGO/Dwi Anoraganingrum

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Singen die Leute in den Shows alles mit?
Die Abbrunzati Boys: Dafür sind unsere Songs da!
Wird sich auch verkleidet?
Roy Bianco: Wir schmeißen uns gerne in feinen italienischen Zwirn. Deswegen sieht man des Öfteren Menschen, die sich ähnlich chic kleiden. Wir haben sehr galante Fans.
Wieso haben die Deutschen eigentlich so eine Italienliebe?
Roy Bianco: Italien war jahrhundertelang der Nabel der Welt. Schon in der Antike war Italien die Wiege der Kunst und der Kultur. Später kamen die katholische Kirche, die Bildungsreisen von Goethe und Schiller, schließlich seit der Nachkriegszeit die Entdeckung Italiens als Urlaubs- und Sehnsuchtsland. Bis heute hat das Land, seine Menschen und seine Kultur für uns ein ungebrochenes Anziehungspotenzial.
Die Idee, italienisches und deutsches Kulturgut zusammenzuführen, ist nicht neu. Man denke an die Crucchi Gang, an Giovanni Zarrella…
Roy Bianco: …und nicht zu vergessen Wanda, die mit dem Album „Amore“ den Weg für uns mit ihren musikalischen Ausflügen nach Italien ein bisschen vorbereitet haben. Wir und einige andere haben eine richtige Welle losgetreten, speziell während der Coronazeit, als die Sehnsucht und das Fernweh besonders groß waren, aber nicht auf die klassische Art gestillt werden konnte.

Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys live auf dem 26. Hurricane Festival 2024 am Eichenring.
© IMAGO/Rudi Keuntje
Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys live auf dem 26. Hurricane Festival 2024 am Eichenring.

von IMAGO/Rudi Keuntje

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Die Italiensehnsucht ist also noch mal gewachsen?
Die Abbrunzati Boys: Ja, und gerade das Stichwort „Eskapismus“ ist noch wichtiger geworden. Je krisenreicher eine Gesellschaft und eine ganze Welt werden, umso lieber möchte man sich für ein, zwei Stunden wegbeamen, den Kopf von den Problemen ausschalten und einfach etwas Schönes hören und sehen. Und das am liebsten in Gemeinschaft mit anderen Gleichgesinnten.
Roy Bianco: Wir helfen den Menschen mit unserer Musik sehr gern dabei, dass ihnen ein kleiner Ausbruch aus dem Alltag gelingt.
Ist ein Konzert von euch ein bisschen wie eine Andacht?
Die Abbrunzati Boys: Wir sprechen gerne schelmisch von der Heiligen Messe des Italo-Schlagers. Wenn wir den Titel „Vino Rosso“ anstimmen, segnet Roy das Publikum. Da wird es schon sehr katholisch.
Roy Bianco: Überhaupt hat Musik doch etwas Religiöses an sich. Ein Konzert von uns, mit dieser wunderschönen Musik und den Geschichten, die so fantastisch sind, dass sie fast nicht wahr sein können, wird zelebriert wie ein Gottesdienst. Wir reinigen uns selbst durch die Kraft der Musik und zeigen den Menschen, wie schön das Leben sein kann, wenn sich alle in Frieden und Freude begegnen.
Sind Sie damit gar Vorbilder für die Welt als Großes und Ganzes?
Die Abbrunzati Boys: Ja, natürlich. Da kann man gar keine andere Antwort geben. Wir bemühen uns, die besten Versionen unserer Selbst zu sein und treten für eine offene Gesellschaft ein, die niemandem ausschließt. Wir gestalten auf der Bühne einen großen, die Freiheit und eine offene Gesellschaft liebenden Rahmen. Wir rufen dazu auf, sich so auszuleben, wie man möchte.
Wie divers ist denn Ihr Publikum?
Roy Bianco: Sehr. Von extrem links bis sehr konservativ, vom Punk bis zum CSU-Wähler, ist alles dabei. Auch generationsmäßig geht es übergreifend zu. Ein Großteil unseres Publikums ist jüngeren Semesters, aber es kommen auch alte Schlagerliebhaber und sehr viele Bambini. Gerade Lieder wie „Baci“ kommen super bei den Kindern an.
Die Abbrunzati Boys: Die Leute kommen aus vielen unterschiedlichen Welten. Manche stehen auf die Ironie und das sanft Satirische in unserer Musik, andere lieben den Italo-Schlager als solchen. Für alle bauen wir eine ideale Welt. Unsere Konzerte sind so etwas wie eine moderne Utopie.
Wie wichtig ist Ihnen das Humoristische?
Roy Bianco: Sehr wichtig. Ein Lachen sagt oft mehr als tausend Worte.
Auch in Sachen Musikgenres mögt ihr die Vielfalt und wagt euch auf Ausflüge in Richtung Indierock und Britpop.
Roy Bianco: Wir sind ein Projekt, das den Italo-Schlager auf mannigfaltige Weise interpretiert. Wir grasen auf einem weiten Feld der Möglichkeiten.
„Sophia Loren“ heißt eines der neuen Lieder. Wissen Ihre Fans noch, wer das ist?
Roy Bianco: Die Unterdreißigjährigen haben den Namen wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben gehört. Aber das spielt keine Rolle. In dem Song steht „Sophia Loren“ für die Traumfrau, für den Traummenschen, schlechthin. Sie ist eine Metapher für die Anziehungskraft. Ich denke, die allermeisten Menschen haben ihre ganz eigene Sophia Loren.
Und mit „Santorin“ erweitern Sie das Wirkungsgebiet bis nach Griechenland.
Roy Bianco: Für ein selbst ernanntes Schlagerprojekt ist das Leben ohne griechisches Liedgut auf Dauer undenkbar. Das wussten auch schon Vicki Leandros oder Udo Jürgens, die wir beide sehr schätzen, genau wie Caterina Valente, Peter Alexander und viele weitere der großen, alten Schlagerkünstler. Vor allem aber sind wir auch von uns selbst begeistert. Narzissmus gehört zum italienischen Schlager definitiv mit dazu.
Gehört es zum Konzept, dass Sie auf Deutsch singen?
Die Abbrunzati Boys: Wir hatten auf „Mille Grazie“ einen italienischen Song als Hommage an die Sprache und die Kultur, aber dabei soll es bleiben. Wir sind keine Italiener, und wir wollen uns auf dem Feld der italienischen Musik, das ein sehr tolles und reichhaltiges ist, nicht einmischen.
Haben Sie schon in Italien gespielt?
Roy Bianco: Das machen wir jetzt! Wir spielen am 7. und am 8. Juni in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff in Meran. Wir wollen dort eine richtige Gala auf die Beine stellen. Ansonsten tasten wir uns langsam vor. Die Arena di Verona kommt hoffentlich als nächstes. Und in Deutschland schielen wir auf die Stadien.
Die Abbrunzati Boys: Die neuen Songs sind fürs Stadion wie gemacht. Mit Absicht. Wir wollen überall spielen, wo ein „Olympia“ vorne steht.

 Live u.a. mit dem Album “Kult” am 15. November in der Münchner Olympiahalle

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