Interview mit Christopher Reeves Kindern | ABC-Z
Alexandra, Matthew, Will, in dem Dokumentarfilm „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ teilen Sie viele sehr private Erinnerungen an Ihren berühmten, vor 20 Jahren gestorbenen Vater. Haben Sie lange gezögert, Ihr Archiv, aber auch Ihre Herzen für ein solches Projekt zu öffnen?
Im Zentrum des Films steht natürlich der tragische Reitunfall Ihres Vaters 1995, nach dem er vom Hals abwärts querschnittsgelähmt war. Sie waren damals alle noch jung, zum Teil sehr jung. Wie hat dieses Ereignis Ihr Leben und Ihr Verhältnis zu ihm verändert?
Matthew: Ich war damals 15 Jahre alt, und für mich war die Erfahrung seines Unfalls eine Art Crashkurs in Sachen Existentialismus. Plötzlich war ich mit dem Sinn des Lebens, der Fragilität des menschlichen Körpers und der Vergänglichkeit konfrontiert. Natürlich ist es für jeden Teenager eine lehrreiche Erkenntnis, dass es wichtig ist, das Hier und Jetzt wertzuschätzen und den Moment zu genießen. Aber ich war dann doch deutlich früher als meine Freunde gezwungen, das zu begreifen. Und das Verhältnis zu meinem Vater war sehr schnell ein komplett anderes. Gar nicht so sehr, weil unser Umgang aus körperlicher und praktischer Sicht natürlich vollkommen verändert war. Sondern vor allem, weil wir unsere gemeinsame Zeit sehr viel intensiver wahrnahmen und viel tiefere Gespräche führten. Mit einem Mal war es eben keine Selbstverständlichkeit mehr, einen Vater zu haben.
Alexandra: Ich war ein paar Jahre jünger, aber meine Antwort ist eine ähnliche. Wie schnell das Leben vorbei sein kann, weiß man als Kind in der Regel bestenfalls als abstrakte Theorie. Plötzlich war ich so dankbar, überhaupt einen Vater zu haben. Und selbstverständlich wurde er auch zu einem ganz anderen Elternteil, das sehr viel bewusster und absichtsvoller mit seinen Kindern umging. Er und auch seine Frau Dana machten sich unglaublich viele Gedanken über uns und unsere Beziehung zu ihnen. Noch mehr als vorher war unser Vater nach dem Unfall aber auch jemand, der nichts halbherzig machte und alles daransetzte, seine Zeit auf Erden zu nutzen. Das hat, wie ich heute sehe, uns alle drei sehr geprägt.
Will: Meine Erfahrung war ein wenig anders als die meiner Geschwister, schließlich feierte ich knappe zwei Wochen nach seinem Unfall gerade einmal meinen dritten Geburtstag. Die meisten Erinnerungen, die ich an ihn habe, sind also überhaupt erst aus der Zeit danach. Mir war natürlich immer sehr bewusst, dass es viele körperliche Dinge gab, die meine Freunde mit ihren Vätern teilten und die mir verwehrt blieben. Aber ich fühlte mich keinen Deut weniger geliebt. Er und meine Mutter sorgten immer dafür, dass ich allen Umständen zum Trotz eine ganz normale Kindheit und er eine enorme Präsenz in meinem Alltag hatte.
Wie präsent ist er heute noch in Ihrem alltäglichen Leben?
Alexandra: Wir alle haben zu Hause jede Menge Fotos von unserem Vater und auch Dana stehen, die ja nur ein paar Jahre nach ihm starb. Unsere Kindheit und unsere Familiengeschichte sind sehr präsent, Matt und ich erzählen unseren eigenen Kindern immer wieder von früher. Zur Premiere von „Super/Man – The Christopher Reeve Story“ trug meine Tochter eine von Danas Haarspangen. Wenn man wie wir so früh lernt, dass man nichts ungesagt lassen sollte, weil morgen das Leben schon anders aussehen könnte, kann man gar nicht anders, als diese Lektion weiterzugeben. Genauso wie die Erkenntnis, dass man mehr vom Leben hat, wenn man nicht nur an sich selbst, sondern vor allem an andere denkt.
Der Film erzählt auch sehr eindrücklich und liebevoll von Christopher Reeves enger Freundschaft zum inzwischen ebenfalls verstorbenen Robin Williams. Wie haben Sie die als Kinder wahrgenommen?
Will: Die beiden lernten sich im Schauspielstudium in New York kennen und waren fortan ein Herz und eine Seele. Fast waren sie wie Brüder, und dass sie beide mehr oder weniger gleichzeitig berühmt wurden, schweißte sie nur noch mehr zusammen. Nach dem Unfall wurde diese Beziehung noch enger, Robin und seine Familie waren damals für uns alle die größte Stütze, die man sich vorstellen kann. Robin war einer der Ersten, der unseren Vater im Krankenhaus besuchte, ihn zum Lachen brachte und daran erinnerte, dass das Leben weiterhin etwas zu bieten hat. Er und seine Frau Marsha organisierten auch einen umgebauten Kleintransporter für uns, der dafür sorgte, dass unser Vater im Rollstuhl nicht ans Haus gefesselt war. Für mich als Kind war er immer ein echtes Vorbild, weil er so witzig und lebendig, aber eben auch einfühlsam und besonnen war und meinem Vater am Herzen lag wie kaum jemand sonst. Wenn sie Zeit miteinander verbrachten, waren sie nicht Christopher Reeve und Robin Williams, sondern Chris und Robin, die engsten Freunde, fernab von allem, was mit Ruhm und Hollywood zu tun hat.
Alexandra: Mich hat diese Freundschaft immer beeindruckt, weil ich gerade nach dem Unfall gesehen habe, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Nicht jeder weiß mit einer solchen Extremsituation umzugehen, selbst enge Freunde neigen dann dazu, sich zurückzuziehen, oder werden unsicher. Robin und Marsha dagegen waren noch präsenter und engagierter als vorher.
Apropos Ruhm: Mit seiner Rolle als „Superman“ und der damit einhergehenden Prominenz hat Reeve immer auch gerungen, gerade weil er sie eben nie loswurde. Hat er eigentlich am Ende damit seinen Frieden gemacht?
Alexandra: Tatsächlich war seine Beziehung zu „Superman“ immer reichlich komplex. Er war nicht undankbar und wusste zu schätzen, welche Optionen ihm diese Rolle eröffnet hatte. Und er freute sich auch, wie viele Menschen auf der ganzen Welt sich dafür begeisterten. Aber in der Tat fühlte er sich davon auch oft eingeschränkt. Nach dem Unfall veränderte sich seine Sicht dann aber doch noch einmal sehr. Erst da wurde ihm bewusst, was für eine Macht tatsächlich von dieser Figur ausging. Wo auch immer er mit seinem Rollstuhl war, riefen ihm Menschen zu: Wir lieben dich, Superman! Zu merken, dass man in ihm immer noch diesen übermenschlich starken Helden sah, obwohl sein körperlicher Zustand plötzlich das Gegenteil davon war, hat viel mit ihm gemacht. Und er verstand, wie er genau dieses Image nun nutzen konnte in seinem Engagement für Menschen mit Rückenmarksverletzungen und anderen Behinderungen.
Was seinen Aktivismus angeht, spürte er zwischendurch auch Gegenwind. Manche warfen ihm vor, er würde unrealistische Hoffnungen wecken und zu sehr von Heilung sprechen als von Alltagsrealitäten.
Alexandra: Das stimmt, und der Film erzählt davon ja auch. Es ging ihm immer darum, andere Menschen zu motivieren und zu inspirieren und vor allem so viel Aufmerksamkeit und Geld für die Sache zu gewinnen. Seine persönliche Art war es dabei einfach, immer möglichst ambitioniert zu denken. Aber es ging ihm nie darum, falsche Hoffnungen zu wecken oder respektlos gegenüber Menschen zu sein, die einfach nur das Beste aus ihrem Zustand machen wollen. Die Kritik hat er damals auf jeden Fall angenommen, er hat dazugelernt und umgedacht. Das zeigte sich ja nicht zuletzt daran, dass er später nicht mehr nur für medizinischen Fortschritt und Heilungsverfahren kämpfte, sondern mindestens so sehr für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Und das ist mit seiner Stiftung, die unter anderem wir ja weiterführen, bis heute nicht anders.