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Interview: Kuscheltürken für alle – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Wie kann Integration gelingen? Was sind Hürden, was Chancen? Seit fast vierzig Jahren stellt Muhsin Omurca sich diese Fragen, doch nicht auf Parteitagen, sondern auf Kabarettbühnen zwischen Ulm und Tokio, San Francisco und La Réunion. Bald reiht sich auch Geretsried in die Liste ein, denn der Komiker bringt sein Cartoon-Kabarett mit auf die Geltinger Kulturbühne Hinterhalt, am Freitag, 22. November, von 20 Uhr an.

 SZ: Herr Omurca, wann waren Sie das letzte Mal bei Ikea?

Muhsin Omurca: (lacht) Das ist gut. Vor zwei Jahren, glaube ich. Ich bin kein guter Kunde.

Und trotzdem heißt ihr Programm, mit dem Sie auch in Gelting auftreten, „Integration à la Ikea“. Was hat Sie inspiriert?

Was mich inspiriert hat, waren diese Anleitungen von Ikea. Wir reden seit 40 Jahren über Integration, aber keiner weiß, was wir tun sollen, es gibt keinen Fahrplan! Außerdem gibt es viele Leute, die kein Deutsch können. Also habe ich ein paar Zeichnungen gemacht.

Die Zeichnungen, die Cartoons, spielen in Ihren Programmen eine große Rolle. Wie kamen sie in Ihre Programme?

Die Cartoons waren erst eine Notlösung. Ich habe ja mit der Migrationscomedy angefangen in einem Duo – und dafür mal ein Programm geschrieben. „Tagebuch eines Skinheads in Istanbul“ hieß das. Dann hat mein Duo-Partner aufgehört und ich habe versucht, ihn mit den Karikaturen zu ersetzen. Und es war die SZ, die das dann „Cartoon-Kabarett“ betitelt hat. Seitdem mache ich alle meine Programme als Cartoon-Kabarett.

Fällt es Ihnen nicht schwer, immer neue Cartoons zu erfinden?

Das fällt mir gar nicht schwer, nein. Das klingt jetzt angeberisch, aber ich bin gut trainiert, seit ich 14 Jahre war. Dann habe ich zum Beispiel bei Wettbewerben mitgemacht, wo man auf ein Wort hin einen Cartoon zeichnen sollte. Oder ich überlege mir: Womit kennst du dich gar nicht aus? Tennis zum Beispiel. Dann zeichne ich dazu was.

Seinen Vorschag mit den “Kuscheltürken” hat Omurca auch auf Cartoon festgehalten. (Foto: Muhsin Omurca/oh)

Sie haben schon mit 14 Jahren angefangen, Cartoons zu machen?

Da wurde meine erste Zeichnung veröffentlicht, in einem Cartoon-Buch. Ich war da in der Schule, im Geschichtsunterricht. Der war langweilig, ist ja vielleicht heute auch noch manchmal so. Da habe ich so gezeichnet und den Lehrer porträtiert. Nur stand der hinter mir. Und hat dann gemeint „Das bin ja ich!“. Dieser Lehrer hat mir dann gesagt, es gibt da so einen Cartoon-Wettbewerb. Dafür habe ich dann einen Mann gezeichnet, der angekettet an einer Wand hängt, ihm gegenüber ein Fernseher, auch angekettet. Monate später kam dann der Lehrer mit einem Buch in die Klasse, da war meine Zeichnung drin – das war dann quasi meine Bibel.

Ihre Kabarett-Programme konzentrieren sich auf das große Thema „Migration/Integration“. Warum?

Ich bin eigentlich in allen Themen unterwegs, im Cartoon. Da kann ich mich austoben. Aber ja, im Kabarett wollte man diese speziellen Themen. In meinem dritten Programm habe ich versucht, Weltpolitik und deutsche Politik und so weiter zu machen, wie die anderen Kollegen auch. Aber da sagte sogar Dieter Hildebrandt, der mich entdeckt hat: „Was wollt ihr?“ – Türke, bleib bei deinem Leisten.

Doch die Debatte hat sich in den vergangenen Jahren noch zugespitzt, wird immer hitziger geführt. Wie gehen Sie damit um?

Ja, das Thema ist ein heißes Eisen. Aber was will man machen? Die Deutschen müssten mehr Kinder kriegen oder Migranten aufnehmen. Nur in der Integration sind wir stehengeblieben. Die Pointen, die ich vor 40 Jahren gemacht habe, könnte ich heute wieder machen und es würde keiner merken. Ich mache eben Vorschläge: Jedem Neugeborenen einen Kuscheltürken mitgeben oder eine Integrations-Anleitung.

Ist es Ihnen jemals schwergefallen, den Humor bei dem Thema zu behalten?

Nein, eigentlich nicht. Die Satire ist mein rotes Sofa und dort, mit Verlaub, kotze ich mich aus. Die Bühne ist mein Therapieraum. Wenn ich das nicht so sehen würde, wäre ich sicher schon weg aus dieser Kunstwelt. Die Satire ist meine Medizin.

Arbeiten Sie auch tagesaktuell in Ihren Programmen?

Ja, in meinen Programmen sind etwa 80, 90 Cartoons. Da sind viele neu. Auch Trump habe ich jetzt schon ein Denkmal gesetzt. Manchmal erzählen mir die Veranstalter auch, was bei ihnen so passiert. Dann porträtiere ich auch die Lokalpolitiker!

Welche Funktion haben Sie dann als Kabarettist im Diskurs? Sind Sie ein Beobachter, ein Teilnehmer?

Die Bühne ist ja tatsächlich meine Bühne. Da kann ich nicht nur lustig sein, darin steckt ja eine Wahrheit und das spürt man auch. Ich lege den Finger in die Wunde, aber auch das ist keine Einbahnstraße. Ich kritisiere nicht nur die Deutschen, sondern auch die Migranten.

Sie sind in der Türkei geboren. Wie würden Sie Ihren Integrationsstatus beschreiben?

Ich habe mir mal ein Integrometer ausgedacht, da pustet man rein wie in ein Alkoholometer und das sagt dann gleich: vier Prozent integriert. Oft geht es bei den Deutschen aber nur um das Aussehen, ob jemand ein Kopftuch hat zum Beispiel. Die Frage ist, kommt es bei der Integration auf die äußeren oder inneren Werte an?

Das hat ja auch damit zu tun, was man als deutsch wahrnimmt. Als „biodeutsch“. Den Begriff haben Sie zum ersten Mal verwendet. Hat Sie das jemals negativ eingeholt?

Nein. Ich werde nur oft darauf angesprochen. Das macht mich aber stolz. Ich bin mit 20 Jahren nach Deutschland gekommen und konnte kein Wort Deutsch. Und jetzt ist ein Wort von mir im Duden. Wie man das dann verwendet, ist die Sache von dem, der es verwendet. Es ist wie ein Kunstwerk, frei zur Interpretation. Das Wort ist mein Kunstwerk.

Gibt es noch Momente, in denen Ihnen die Deutschen fremd sind?

Nein, sie sind mir gar nicht mehr fremd. Ich bin ja auch nicht mehr so türkisch. Auch wenn man sich dagegen wehrt – ich habe mich allerdings nicht dagegen gewehrt – man ändert sich. Und auch die Deutschen ändern sich. Schauen Sie mal, die deutsche Küche war so langweilig. Die Deutschen kannten Auberginen nicht! Jetzt ist es eine der vielfältigsten Küchen überhaupt. Und Deutschland streitet sich mit der Türkei, woher der Döner Kebap kommt.

 Mushin Omurca, Integration a la Ikea, Freitag, 22. November, Kulturbühne Hinterhalt, Gelting. Beginn: 20 Uhr. Karten zu 18 Euro, Reservierung per Mail an info@hinterhalt.de. Weitere Informationen unter www.hinterhalt.de

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