Interview | Eishockey-Experte Rick Goldmann: “Wer deutscher Meister werden will, muss die Eisbären schlagen” | ABC-Z

Interview | Eishockey-Experte Rick Goldmann
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“Wer deutscher Meister werden will, muss die Eisbären schlagen”
Am Dienstag erwacht die DEL aus dem Sommerschlaf. Wenn es um die Meisterschaft geht, führt laut Eishockey-Experte Rick Goldmann auch in der neuen Saison kein Weg an den Eisbären Berlin vorbei. Im rbb|24-Interview verrät er, wem das gelingen könnte.
rbb|24: Herr Goldmann, die DEL kommt aus einer langen Sommerpause zurück. Auch wenn Sie mittlerweile nicht mehr selbst auf das Eis gehen, sondern vom Rand aus als Experte arbeiten – kribbelt es schon wieder ein bisschen?
Rick Goldmann: Es ist immer noch so, wie als Spieler. Nach der WM freut man sich erst, dass endlich mal ein bisschen Ruhe ist, weil das echt stressig ist. Und dann ist man irgendwann “durchgeurlaubt” und man fragt sich: Wann geht’s endlich wieder aufs Eis? Dann kommt das erste Spiel. Darauf muss ich mich auch als Experte gut vorbereiten. Ich sitze vor vielen Papieren und mache mir meine Gedanken, was aus den Mannschaften werden könnte. Das schürt die Vorfreude enorm.
Dann lassen Sie uns an diesen Gedanken mal teilhaben: Die Eisbären gehen als Titelverteidiger in die Saison, wurden in den vergangenen fünf Jahren viermal deutscher Meister. Was steht auf Ihren Papieren über die Berliner vor dem Saisonstart?
Die Eisbären sind die Mannschaft, die du schlagen musst, wenn du deutscher Meister werden willst. Das hat nicht nur mit den Spielern und der Qualität zu tun, sondern auch mit dem Mindset. Sie haben eine Winning-Mentality, die kein anderes Team so tief verinnerlicht hat. Und es gibt nur ein paar kleine Veränderungen im Kader. Topspieler wie Ty Ronning und Leo Pföderl sind geblieben.
Und aus dem deutschen Markt kam Andreas Eder dazu. Das finde ich sehr interessant, vor allem wegen der Historie mit seinem Bruder. Ich glaube, dass er in diesem Umfeld ein Top-Jahr haben kann. Klar tut es weh, dass Kai Wissmann und Markus Niemeläinen zu Saisonbeginn erstmal verletzt sind, aber für mich bleiben die Eisbären der große Favorit.
Für die Hauptstädter wird es kein Start aus der Kalten. In der Champions Hockey League (CHL) haben sie in den vergangenen zwei Wochen bereits vier Pflichtspiele absolviert, drei davon gingen verloren. Wie aussagekräftig ist das für die aktuelle Verfassung des Teams?
Die ersten drei CHL-Spiele haben nichts damit zu tun, wer am Ende Meister wird. Da liegt über ein halbes Jahr dazwischen, in dem einiges passieren kann. Wenn du Meister geworden bist, sind die ersten Spiele schwierig, das sieht man immer wieder. Du musst den Preis für die harte vergangene Saison zahlen, mental wieder reinfinden und es geht nichts von allein. Du musst dir alles erst wieder erarbeiten.
Die Konkurrenz hat in der Sommerpause allerdings nicht geschlafen. Viele Teams haben ordentlich aufgerüstet. Wer wird den Eisbären am gefährlichsten werden?
Wenn man nur aufs Papier schaut, ist es definitiv Mannheim. Die hatten einen brutalen Umbruch im Team, haben zwei neue Torhüter geholt und ein paar Top-Namen verpflichtet – zum Beispiel Justin Schütz. Er ist für mich der Königstransfer und hat in den vergangenen zwei Jahren bei den Kölner Haien über 50 Tore erzielt. Oder Nicolas Mattinen, der bei Straubing mal zum Verteidiger des Jahres wurde und nach einer Saison in Nordamerika nun nach Deutschland zurückgekehrt ist. Das ist also eine sehr gute Mannschaft, mit der Dallas Eakins als Trainer und Sportdirektor in diesem Jahr auch unter Erfolgsdruck steht.
Und wie steht es um den Berliner Finalgegner der vergangenen Saison, die Kölner Haie?
Köln und München gehören genauso zum Favoritenkreis. Die Haie haben sich im Vorjahr in einen Rausch gespielt, weil vor allem Julius Hudacek im Tor gut funktioniert hat. Er ist nun weg, aber sie haben dafür viele interessante Imports geholt, speziell Finnen. Wenn sich da ein neuer Spitzentorhüter rauskristallisiert, gehören sie zu den Top-Vier.
Im Auftaktspiel treffen die Eisbären am Dienstag auf die Dresdner Eislöwen, den ersten DEL-Aufsteiger seit drei Jahren. Bahnt sich da ein neues Ost-Derby an?
Ja, vielleicht. Die Eislöwen sind als neues Team schon spannend. Ich habe gehört, dass 3.000 bis 4.000 Dresdner zum Eröffnungsspiel nach Berlin mitfahren wollen. Man sieht also schon, dass der Aufstieg die Stadt euphorisiert hat. Die Mannschaft ist sehr erfahren, vielleicht sogar zu erfahren. Oder mit anderen Worten gesagt: etwas zu alt. Ich könnte mir vorstellen, dass sie am Anfang gut mithalten, aber ob sie die Leistung die ganze Saison halten können, ist sehr fraglich.
Abgestiegen ist dafür etwas überraschend eine Institution des deutschen Eishockeys: die Düsseldorfer EG. Wie schnell wird ihr die Rückkehr ins Oberhaus gelingen?
Interessanterweise fragt mich gerade jeder nach Düsseldorf. Daran erkennt man, dass die ein großer Name sind. Es tut wirklich weh, dass sie aus der DEL verschwunden sind. Einfach so wieder aufzusteigen ist allerdings nicht so leicht. Das hat man an Krefeld gesehen. Aber ich wünsche mir, dass sie wieder hochkommen.
Diesen Wunsch teilt sicherlich auch die Liga, schließlich ist Düsseldorf ein großer Publikumsmagnet. In der abgelaufenen Saison hatte die DEL mit einem Umsatz von 200 Millionen Euro und insgesamt 33,3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer in den Hallen für neue Rekorde gesorgt. Warum ist das Produkt so erfolgreich?
Es wurden viele gute Entscheidungen in den vergangenen Jahren getroffen. Und es ist eine Entwicklung, die parallel zur deutschen Nationalmannschaft läuft. Sie ist Zugpferd Nummer Eins für Eishockey hierzulande. Es gab zwei Silbermedaillen und wir haben Spieler wie Leon Draisaitl, Moritz Seider und Tim Stützle, die in der NHL spielen und wirklich zu den besten der Welt gehören. Das sorgt für Aufmerksamkeit, welche die DEL geschafft hat für sich zu nutzen. Die Liga ist attraktiv, hat hohes Tempo und verkauft sich sehr gut. Berlin ist dafür ein gutes Beispiel. Selbst für jemanden, der zuvor noch nie in seinem Leben Eishockey gesehen hat, ist das bei den Eisbären ein Spektakel. Allein die Einlaufshow. Das kann nicht nur mit der NHL konkurrieren, sondern ist auf einem Niveau.
Die neue Spielzeit steht zunächst ganz im Zeichen der Olympischen Winterspielen in Mailand und Cortina. Wie wird sich diese Unterbrechung im Februar auf die Liga auswirken?
Für die Spieler, die zu Olympia fahren, ist es super. Sie haben eine durchgängige Saison mit einem absoluten Highlight. Sie werden zurückkommen und nie zuvor auf so einem Niveau gespielt haben. Es wird das beste Eishockeyturnier aller Zeiten, da braucht man sich nichts vormachen. Für die Spieler, die Pause haben, startet danach mehr oder weniger eine neue Saison. Sie haben plötzlich mal zehn Tage frei, fliegen in ihre Heimat und kommen danach wieder und machen ein kleines Trainingslager. Es ist wie ein Neustart. Und der kann für viele Teams sehr entscheidend werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.