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Inter Mailand: Europas größte Ü30-Party | ABC-Z

37 Jahre sind ein Alter, in dem einiges nicht mehr so gut geht. In den Spiegel schauen und keine Falten sehen. Oder in einer verrauchten Kneipe sitzen, Futschi und Klopfer trinken, ohne sich am nächsten Morgen mies zu fühlen. Was aber immer noch geht: sein Team in die Verlängerung eines Champions-League-Halbfinales schießen.

Im wohl denkwürdigsten Moment eines denkwürdigen Fußballspiels tauchte in der 93. Minute plötzlich Francesco Acerbi im Strafraum des FC Barcelona auf und plauzte den Ball zum 3:3 unter die Latte. Nachdem das Hinspiel schon so endete, hieß das: Acerbi schoss sein Team damit in die Verlängerung.

An dem Treffer war einiges bemerkenswert. Acerbi ist eigentlich Innenverteidiger, traf den Ball aber so entschlossen und präzise, als hätte er sein Leben lang nicht Tore verhindert, sondern erzielt. Am bemerkenswertesten aber war sicher sein Alter.  

Francesco Acerbi ist 37 Jahre alt. Ein Alter, in dem Fußballer ihre Millionen zählen, ihre Wehwehchen pflegen oder vielleicht noch ihren Instagram-Account, aber nicht ihr erstes Champions-League-Tor überhaupt machen. Und doch passte dieser Treffer genau zu diesem Spiel.  

Denn das Duell Inter Mailand gegen den FC Barcelona war deshalb eines der unterhaltsamsten der vergangenen Jahre, weil selten so zwei unterschiedliche Stile aufeinandertreffen. Defensive gegen Offensive (was aber gar nicht so richtig stimmte, Inter kassierte zwar bis dahin in der Champions-League-Saison nur fünf Gegentore, in den beiden Spielen gegen Barcelona aber gleich sechs). Ballbesitz gegen Abwarten. Besonders aber Erfahrung gegen Extravaganz, altersbedingte Abgeklärtheit gegen jugendliche Naivität.  

Inters Startelf war im Schnitt mehr als viereinhalb Jahre älter als die des FC Barcelona. Das klingt erst mal nicht nach viel, kann im Fußball aber eine halbe Karriere sein. Die Ü30er führten Inter ins Finale. Der Torhüter Yann Sommer, 36, lenkte den Ball so häufig fliegend um den Pfosten, dass er nach dem Spiel zum Spieler des Spiels gewählt wurde. Hakan Çalhanoğlu, 31, kommandierte im Mittelfeld und traf kühl per Elfer. Henrikh Mkhitaryan, von dem einige BVB-Fans, die italienischen Fußball nicht regelmäßig verfolgen, überrascht waren, dass er wirklich noch spielt, spielt wirklich noch. Und dann war da eben noch Francesco Acerbi, ehemaliger Ultra, überstandene Krebserkrankung, erster Titel mit 31 und 20 Jahre älter als der beste Spieler von Barcelona, Lamine Yamal. 

Der machte erneut ein Riesenspiel und ließ kaum Zweifel aufkommen, dass er es sein wird, der die nächsten Jahre im Weltfußball mitbestimmen wird. Noch in den letzten Minuten der Verlängerung suchte Barcelona immer wieder ihn, den Teenager mit den blond gefärbten Haaren, auf dass ihm etwas einfiel. Aber im Zweifel stand Acerbi im Weg.

Die italienische Gazzetta dello Sport schrieb von einer “epischen Nacht”, die spanische Sport von einer “Ode an die Fußballgeschichte”. Man dachte ja, dass 3:3 aus dem Hinspiel wäre nicht mehr zu toppen, dann sah man Inters 4:3-Sieg nach Verlängerung.  

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