Blitzresistente Bäume in Panama: Geheimnisvolle Überlebensstrategie – Wissen | ABC-Z

Ein Gewitter im tropischen Regenwald ist ein schauerliches Spektakel, vor allem wenn ein Blitz einschlägt. Millionen Volt bahnen sich dann ihren Weg von den Baumkronen über Äste, Stämme, Blätter bis hinein in die Wurzelspitzen, begleitet von Feuer, Funken und infernalem Lärm. Häufig trifft es Dutzende Pflanzen auf einmal.
Vermutlich töten Blitze jedes Jahr Hunderte Millionen Bäume. Umso überraschter war der Forstökologe Evan Gora vom Cary Institute of Ecosystem Studies in New York, als er vor einigen Jahren in Panama auf einen Baum stieß, der einen Blitzeinschlag unbeschadet überstanden hatte. Während es die Bäume in seinem Umkreis mehr oder weniger gegrillt hatte, fehlte Dipteryx oleifera kaum ein Blatt.
Dabei scheint die Strategie des in Panama auch Almendro de montaña oder „Bergmandel“ genannten Baumes auf den ersten Blick nicht sonderlich klug zu sein: Selbst für Regenwaldverhältnisse wird er besonders groß, seine Krone überragt die anderen Wipfel im Schnitt um einige Meter, bietet sich dem Himmel also wie auf dem Präsentierteller dar.
Mehr Licht und Nährstoffe, weniger Lianen: Blitze abzuwehren, zahlt sich evolutionär aus
Wie Gora und andere Forscher nun in einer Studie schreiben, könnte der Baum wie eine Art natürlicher Blitzableiter funktionieren und von den Einschlägen sogar profitieren. Über mehrere Jahre hinweg untersuchten die Forscher mithilfe von Drohnen und elektrischen Feldmessungen insgesamt 93 Blitzeinschläge im Urwald von Panama. Während zwei Drittel der Bäume innerhalb von zwei Jahren verendeten, nahmen die neun getroffenen Oleiferas allesamt kaum Schaden. Dagegen kostet ein Einschlag durchschnittlich neun umliegende Bäume das Leben.
Für die blitztoleranten Bäume hat es wohl Vorteile, die Nachbarn zu schocken. Ist die Konkurrenz erst mal weg, bekommen die eigenen Blätter mehr Licht ab und die Wurzeln mehr Nährstoffe. Die ringsherum zerstörte Biomasse, die sich anschließend zersetzt, ist ein erstklassiger Dünger, vermuten die Forscher. Zudem fallen Lianen, die sich oft um die Stämme schlängeln und den Bäumen Licht wegnehmen, nach der Schocktherapie größtenteils ab. „Ihre Entfernung dürfte das Wachstum, die Vermehrung und das Überleben der Bäume fördern“, vermutet Gora. Die Größe und Form des Baumes sorgt demnach dafür, dass er öfter vom Blitz getroffen wird als vergleichbare Gehölze – im Durchschnitt etwa alle 56 Jahre.
Allerdings wissen die Forscher bislang nicht, was das Geheimnis der Blitztoleranz ist. Sie vermuten, dass das Holz der Bäume Elektrizität recht ungehindert durchleitet und dadurch weniger erhitzt. Das müssten weitere Untersuchungen zeigen. Ziemlich sicher ist, dass die Stromtoleranz mit evolutionären Vorteilen einhergeht, etwa einer geringeren Sterblichkeit und längeren Lebensdauer. Dadurch können die Bäume mehr Samen und damit Nachkommen produzieren.
Das scheint sich im Urwald herumgesprochen zu haben. „Wir gehen davon aus, dass die Fähigkeit, Blitze zu überleben, und wahrscheinlich auch die Fähigkeit, von Blitzen zu profitieren, ziemlich weitverbreitet ist“, sagt Gora. Laut der Studie gibt es Hinweise, dass allein in der untersuchten Region in Panama noch sechs weitere Baumarten regelmäßig Blitzen standhalten. In Zukunft könnte diese Eigenschaft noch wichtiger werden, verstärkt doch der Klimawandel an vielen Orten die Neigung zu Gewittern.