Insolvente Flugtaxi-Firma: Doch noch Hoffnung für Lilium? Das bemerkenswerte Interesse an einer Rettung | ABC-Z
Flugtaxi-Bauer Lilium steckt in der Insolvenz. Eine Überlebenschance gibt es aber noch, wenn bis Jahresende ein Käufer oder Investor gefunden wird. Insider berichten gegenüber WELT von vielversprechenden Signalen. Selbst eine schon geplatzte Lösung scheint wieder möglich.
In der Kantine von Lilium gibt es kein Essen mehr – eine Konsequenz aus den Sparmaßnahmen durch die Insolvenz. Sonst läuft die Montage und Entwicklung des E-Senkrechtstarters vor den Toren Münchens weiter. „Die Leute sind nach wie vor an Bord“, sagt ein Insider, der anonym bleiben möchte. Allerdings gibt es enormen Zeitdruck: Weil es sich um eine Insolvenz in Eigenverwaltung der deutschen Lilium-Gesellschaften handelt, muss ein Sanierungsmodell mit einem Käufer oder Investor bis Jahresende gefunden werden.
Es gebe sehr lebhaftes Interesse und daher die Hoffnung auf eine Lösung in dem Zeitrahmen, heißt es unter Insidern. „Es gibt alle Arten von Interessenten, für verschiedene Modelle und aus verschiedenen Ländern.“ Zum Kreis gehörten demnach bisherige oder neue Investoren. Dabei werden wohl alle Varianten durchgespielt – von der Fortführung des Unternehmens bis zur Verwertung der Vermögensgegenstände. Sogar die Gespräche mit dem Freistaat Bayern, sich an einer Lösung zu beteiligen, würden fortgeführt. Bei den Kunden gebe es bislang keinen Rückzieher vom Projekt. Sie pochten vielmehr auf die Fortführung und unterstützen, heißt es aus Unternehmenskreisen.
Die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wurde mit der Suche nach dem Retter beauftragt. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts, dass Lilium die Pleite in Eigenverwaltung abwickeln darf, ist ein Indiz, dass eine Überlebenschance gesehen wird. Letztlich entscheidet aber der Gläubigerausschuss, ob er mit dem Investor und dem Lösungsmodell einverstanden ist. Dabei prallen unterschiedliche Interessen aufeinander – die der bisherigen Aktionäre, der Lieferanten, der Gläubiger, Kunden und der Belegschaft. Eine Namensliste, wer derzeit bei Lilium anklopft, wird nicht veröffentlicht.
Die Lieferanten würden gerne weitermachen, heißt es. Sie haben Entwicklungen speziell für den E-Senkrechtstarter vorangetrieben. Zum Teil gebe es nun Kontakte zu den Investoren der Zulieferer.
Bemerkenswert ist, dass die Gespräche mit Bayern für eine Lilium-Rettung noch nicht vom Tisch sind. Ursprünglich wollten der Bund und Bayern je 50 Millionen Euro Bürgschaft gewähren, als Signal für eine staatliche Unterstützung des Projektes, was wiederum weitere Privatgelder anlocken sollte. Der Bund und Bayern machten ihre Bürgschaft gegenseitig abhängig. Doch Grüne im Haushaltsausschuss des Bundes legten ihr Veto ein – die 100 Millionen Euro Gesamt-Bürgschaft platzte, die Insolvenzanmeldung folgte.
Ob trotz neuer Gespräche mit Bayern die Produktion und Zentrale vor den Toren Münchens gehalten werden kann, sei noch nicht entschieden, heißt es. Es könnte auch andere Angebote geben. Der Knackpunkt dürfte sein, welcher Investor den Gläubigern einen tragfähigen Geschäftsplan verspricht. „Jetzt geht es um einen Businessplan für die nächsten Jahre“, heißt es aus dem Unternehmen.
Die Spannweite ist groß. Ein Investor könnte die Vermögenswerte des privaten Teils herauskaufen oder die insolventen GmbHs als gesamtes Unternehmen kaufen. Selbst ein Investment in die Dachgesellschaft Lilium N.V. wäre möglich, die auch Insolvenz angemeldet hat und nach wie vor börsennotiert ist, wenn auch nicht mehr an der Nasdaq.
Die deutschen Lilium-Gesellschaften haben zwar wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit Insolvenz angemeldet, was aber nicht heißt, dass die Kassen komplett leer sind. Vielmehr hat sich die Zahlungsunfähigkeit abzeichnet. Die Personalkosten in Millionenhöhe fallen jetzt weg, weil das Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt wird. Für einige Branchenbeobachter eine groteske Situation, dass jetzt Geld der Bundesagentur an Lilium fließt, während der Bürgschaft nicht zugestimmt wurde, obwohl sie mit Patenten und Rechten abgesichert worden wäre.
Entscheidend für Lilium ist, dass die Belegschaft an Bord bleibt und weiterentwickelt. Einige Vorlieferanten sind allerdings vorsichtiger geworden, Lieferungen stocken. Der schon von Ende 2024 auf das erste Quartal 2025 verschobene bemannte Erstflug eines Lilium-Modells könnte sich daher um erneut ein paar Wochen verschieben, heißt es bei Insidern. Das Projekt hat jedenfalls großen Rückhalt bei den Beschäftigten. „Das Team ist eng zusammengerückt und will das Flugzeug in die Luft bringen“, sagt ein Kenner. Viele Kunden und Lieferanten seien von der Insolvenz überrascht worden und hätten nicht damit gerechnet.
Gerhard Hegmann schreibt für WELT über Rüstung, Luft- und Raumfahrt und Militär.