Berlin

Inklusion in Berlin: Schluss mit dem Vertrösten | ABC-Z

Initiativen fordern sichere Schulplätze für autistische Kinder. Die intransparente Praxis der Absagen vor den Aufnahmeverfahren müsse beendet werden.

Berlin taz | Die betroffenen Familien schlagen Alarm. Die schulische Versorgung autistischer Kinder in Berlin sei „unhaltbar“, heißt es in einem offenen Brief an den Regierender Bürgermeister und die Verantwortlichen der Berliner Bildung und Teilhabepolitik, der die taz am Montag erreichte. Die Realität sei geprägt von Ablehnung, Ohnmacht und Entwürdigung – in einem Ausmaß, der in einem sozialen Rechtsstaat wie Deutschland nicht hinnehmbar sei. Unterzeichner des Schreibens sind das Elternzentrum Berlin, sowie Aspies e. V. (Menschen im Autismus-Spektrum) und der neurodivergente Familientreff Autistikcafé.

Mehrere Tausend Kinder mit Behinderung gehen in Berlin gar nicht oder nicht durchgängig zur Schule. Insbesondere Kindern mit Autismus kann das Schulsystem keinen dauerhaften Schulplatz sicherstellen. Das hat Senatsbildungsverwaltung im Frühsommer auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz bestätigt (taz berichtete).

Wie viele es tatsächlich sind, konnte die Bildungsverwaltung nicht genau sagen, offenbar gibt es ein großes Dunkelfeld. Zwar wird in der Antwort eine Zahl von 2.300 bis 2.800 Kindern genannt, die im vergangenen Jahr „verkürzt, unregelmäßig oder kaum bis gar nicht beschult“ worden waren. Die Umfrage bei den Schulen hatte die Bildungsverwaltung im Mai 2024 durchgeführt. Die Antworten seien aber nicht statistisch auswertbar gewesen, weil die Schulen die zwei Fragen (!) „unterschiedlich interpretiert und beantwortet“ hätten. Außerdem habe sich nur ein Teil der angeschriebenen Schulen zurückgemeldet.

In dem offenen Brief heißt es, die Eltern von autistischen Kindern durchliefen ein Verfahren, dass kaum noch als Schulplatzsuche zu bezeichnen sei. Vielmehr handele es sich um ein „wiederholtes Bittstellen in einem System systemischer Abweisung“: Noch bevor ein Kind die Möglichkeit habe, sich an einer Schule vorzustellen, lehnten es viele Einrichtungen ab. Dies geschehe zum Teil „per lapidarer Aussage am Telefon, manchmal aber auch schlicht durch Schweigen“.

Beigefügt ist dem offenen Brief ein differenzierter Forderungskatalog. Die intransparente Praxis der Absagen vor dem offiziellen Aufnahmeverfahren müsse beendet werden. „Stellen Sie sicher, dass die Schulplatzvergabe gerade an autistische Kinder, die Vorhersehbarkeit und Vorbereitungszeit benötigen, keinesfalls später stattfindet als für nicht behinderte Kinder“. Mit dem Vertrösten der Familien auf Wochen, Monate oder manchmal sogar Jahre müsse endlich Schluss sein.

Von der Senatsbildungsverwaltung war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.

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