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Influencerin Luisa Dellert im Porträt: Der lange Weg zur Selbstakzeptanz | ABC-Z

Nach dem Burn-out kritisiert die Ex-TV-Moderatorin Luisa Dellert auf Social Media toxische Schönheitsideale. Das ist Teil eines Heilungsprozesses.

Seit 2013 spricht Louisa Dellert auf Social Media über Politik, Nachhaltigkeit und Feminismus und musste viel Hass erfahren Foto: Laura Hoffmann

„Leute, ich möchte mit euch über dieses Video sprechen“, so leitet Content Creatorin Louisa Dellert ihr neues Social-Media-Format „Unshame“ ein. In kurzen Videoclips thematisiert sie un­realistische Schönheitsidea­le, kommerzialisierte Selbst­optimierung und diskriminierende Normen. Sie selbst weiß, wie hart es ist, ständig bewertet zu werden, und welche Spuren das hinterlässt.

„Boah, bist du fett geworden! Du solltest abnehmen und dich dann erst zeigen!“, solche ­Kommentare und Schlimmeres begleiten Dellert schon lange. Seit 2013 spricht sie auf Social Media über Politik, Nachhaltigkeit, Feminismus und ­Körperbilder.

Dellert schrieb Bücher, hostete Podcasts, gründete eine Beratungsagentur für Kommunikation, war immer wieder auf verschiedenen Bühnen zu sehen und moderierte die ARD-TV-Sendung „Deep und Deutlich“.

Mit ihrem Erfolg wächst nicht nur ihre Followerschaft, auch die Zahl ihrer Hater. Sie kritisieren den Content der Influencerin, aber auch ihr Aussehen ist in den Kommentarspalten immer wieder Thema. Sie wird als Hure beschimpft, manche wünschen ihr sogar den Tod. Trotzdem macht Dellert weiter. Sie beschreibt sich selbst als „Harmoniemensch mit People-Pleaser-Syndrom“. Bei Kritik reagiert sie reflektierend, versucht, es allen recht zu machen und performt weiter. Zehn Jahre lang geht das gut, bis zum Sommer 2023.

Als Dellert im Supermarkt steht, setzt es auf einmal aus. „Ich war total überfordert. Mein Herz pochte, mein Atem spielte verrückt und ich fing anzu weinen“, erzählt sie über den Moment ihres Zusammenbruchs. Wie lange sie dort gestanden habe, wisse sie heute nicht mehr. „Das war der Beginn einer sehr unangenehmen Reise“.

Mittelschwere Depressionen

Schlafstörungen, Migräne, Lustlosigkeit und Panikattacken kündigten das Burn-out in den Monaten zuvor bereits an. Als sich Dellert schließlich damit auseinandersetzt, folgt die Diagnose: mittelschwere Depressionen.

Erst jetzt zieht sie endgültig die Reißleine und gibt vieles auf, was sie sich beruflich aufgebaut hat: ihre Moderationen im Fernsehen, ihre Beratungsfirma, ihr Leben in Berlin.

„Mein Kalender war nicht ­gesund“, sagt sie heute über diese Zeit. „Ich bin immer noch traurig, dass ich bei Deep und Deutlich aufgehört habe, aber es war die richtige Entscheidung.“ Die Content Creatorin verlässt die Hauptstadt und zieht zurück in ihre Heimat Braunschweig.

„Ich musste weg aus Berlin. Es gibt tausend Veranstaltungen, auf die man gehen kann und gewissermaßen auch muss. Das führt immer wieder zu Ver­gleichen und baut Druck auf. Wenn ich nicht hingegangen bin, habe ich direkt Fomo verspürt“, erklärt Dellert ihren Ausstieg aus der Berliner Medienblase.

Heute habe sie die dunkelste Zeit ihrer Depression hinter sich gelassen, sagt Dellert und teilt ihren Heilungsprozess auch mit ihren Fol­lo­wer*­in­nen. Doch neben Genesungswünschen und lieben Zuschriften schlägt ihr im Internet wieder verletzende Kritik entgegen.

„Ich habe wegen der Medikamente gegen die Depression zugenommen. Leute haben mir das immer wieder gesagt.“ Die Nachrichten und Kommentare machen Dellert zu schaffen. „Ich habe beschlossen, darüber zu reden. Nicht nur, was die Depression mit mir gemacht hat, sondern auch, wie es mir geht, wenn man mir so eine Scheiße schreibt.“

Als Frau werde man mit zweierlei Maß bewertet, erklärt sie. Entweder ist man zu viel oder zu wenig. Zu viel Bauchfett, zu wenig Oberweite. Zu viel Cellulite, zu wenig Lücke zwischen den Beinen. Dellerts Appell lautet daher: „Lasst uns trainieren, andere Menschen nicht auf ihr Äußeres zu reduzieren. Niemand muss sich für seinen Körper schämen.“ Ein eigenes Format daraus zu machen, hatte sie eigentlich nicht vor.

Frisch gebackene Buchhändlerin und Cafébetreiberin

„’Unshame’ war ein Unfall“, scherzt sie. „Die Videos kamen sehr gut an. Damit habe ich nicht gerechnet, aber dann dachte ich mir: Geben wir dem Ding doch einen Namen.“ Anders als vor ihrem Zusammenbruch verspüre sie bei der Recherche und Umsetzung der Themen keinen Druck. „Ich mache mal mehr, mal weniger, je nachdem wie ich mich gerade fühle und wie viel Zeit ich habe. Das ist nicht wie bei meinen vorherigen Jobs. Da musste ich einfach abliefern.“

Doch trotz des neuen Formats und dessen Erfolg steht für Dellert fest: Ihre Zukunft soll in der Offline-Welt stattfinden. Bücher gaben ihr während der Depression viel Halt, also erfüllt sie sich einen Traum. Im Oktober eröffnet sie in Braunschweig das Buchcafé „SiSu Lou“. Ein Wohlfühlort, um dem stressigen Alltag zu entfliehen. „Sisu“ steht für „Sinnsuche“ und beschreibt im Finnischen eine Mentalität, sich Herausforderungen zu stellen, auch wenn die Ressourcen erschöpft sind.

Auf Social Media teilt Dellert die Vorbereitungen für die Eröffnung im Oktober und zeigt ihren Fans, wie sehr sie sich über den Neuanfang freut. „Ich bin so stolz auf mich, dass ich das nach dem letzten Jahr geschafft habe“, erzählt sie unter Tränen in einer Instagram-Story. „Aber so schön das auf Instagram immer aussieht, es gibt Phasen, die echt beschissen sind“, räumt die frisch gebackene Buchhändlerin und Cafébetreiberin ein.

„Ich habe das alles schon infrage gestellt. Mich, den Laden, das Konzept, ob ich den Erwartungen gerecht werde und ob ich davon leben kann. Dieses Projekt ist kein Hobby, sondern meine Zukunft.“

Der Grund für ihre Zweifel? „Ungefragtes Feedback“, sagt Dellert. „Erwartungshaltungen und Ansprüche an mich, die man niemals gegenüber anderen Buchhändlungen oder Cafés äußern würde. Menschen fragen mich, ob es im Café kostenlose Lesebrillen geben wird, oder kritisieren, warum der Slogan am Fenster des Cafés auf Englisch und nicht auf Deutsch verfasst ist. Das ist zu viel. Es ist ermüdend.“

Die Content Creatorin und Geschäftsführerin will zuhören und Rücksicht nehmen, aber auch lernen, besser Grenzen zu ziehen. „Ich wünsche mir einen sensibleren Umgang miteinander, sowohl offline als auch online. Es wird mir zwar nie zu hundert Prozent egal sein, was die Leute sagen oder schreiben. Aber es sollte ein Dialog sein.“

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