Gesundheit

Infektionskrankheit: Kriege, Handel und die Seefahrt förderten die Ausbreitung der Malaria |ABC-Z

So wie heute unzählige Erreger im Zuge der Globalisierung in neue Gebiete gelangen, verbreitete sich einst die Malaria durch Reisende und Eroberer in der Welt. Und das sehr erfolgreich, wie ein Forschungsteam im Fachjournal „Nature“ berichtet.

„Obwohl Malaria heute weitgehend eine Tropenkrankheit ist, erstreckte sich das Verbreitungsgebiet des Erregers noch vor einem Jahrhundert über die Hälfte der Landfläche der Erde“, erklärte Erstautorin Megan Michel vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, MPI EVA, in Leipzig. Und zwar inklusive von Gebieten der nördlichen USA, Südkanadas, Skandinaviens – und Sibiriens.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es in weiten Teilen Europas regelmäßig Malaria-Epidemien mit vielen Toten, auch in Deutschland. Hierzulande wurde die Krankheit durch den Ausbau von Wasser- und Abwassersystemen, eine verbesserte Gesundheitsversorgung und Landbewirtschaftung sowie den Einsatz des Insektizids DDT beseitigt.

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Seit Mitte der 1950er-Jahre gilt die Malaria als ausgerottet – könnte aber zurückkehren: Anopheles-Mücken sind hierzulande heimisch und fühlen sich in immer mehr Regionen wohl. Größere Epidemien sind Experten zufolge aber in absehbarer Zeit nicht zu befürchten, unter anderem weil sich die Krankheit gut behandeln lässt, wodurch auch das Übertragungsrisiko sinkt.

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Malaria ist eine der tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit. Sie wird von einzelligen Parasiten verursacht, die durch den Stich infizierter Anopheles-Mücken übertragen werden. Leidet ein Mensch unter Malaria und wird von einer Mücke gestochen, können die befallenen roten Blutkörperchen via Mücke auf eine weitere Person übertragen werden.

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Regionen mit Malariarisiko. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) infizieren sich jährlich knapp 250 Millionen Menschen mit den Erregern, etwa 600.000 sterben – überwiegend Kinder unter fünf Jahren.

Infizierte bekommen oft Fieber und Schüttelfrost und leiden an Übelkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen und Müdigkeit. Bei schweren Verläufen kommen unter anderem Atemnot, Krämpfe und Blutungen hinzu. Die meisten schwer betroffenen Menschen sterben, weil sie nicht behandelt werden.

Sichelzellanämie kann gegen Malaria-Infektion schützen

Die Malaria habe nicht nur in der Gegenwart massive Auswirkungen, sondern auch die menschliche Evolutionsgeschichte stark geprägt, erläutert das MPI-Forschungsteam nun. „Das Erbe der Malaria ist in unseren Genomen verankert“, sagt Michel. Man vermute, dass Genvarianten, die für Blutkrankheiten wie die Sichelzellanämie verantwortlich sind, in menschlichen Populationen überdauern, weil sie zugleich eine partielle Resistenz gegen Malaria-Infektionen verleihen würden.

Ursprung und Verbreitung der beiden tödlichsten Malaria-Erreger – fünf sind für den Menschen relevant – Plasmodium falciparum und Plasmodium vivax seien bisher rätselhaft gewesen, heißt es in einer Mitteilung des MPI EVA. „Malaria-Infektionen hinterlassen keine sichtbaren Spuren in menschlichen Skelettresten, und die wenigen Hinweise in historischen Texten sind schwer zu entziffern.“

Im Rahmen dieser Studie kam man den Plasmodien auf die Spur, weil sich in menschlichen Zähnen mittlerweile Krankheitserreger nachweisen lassen, die zum Zeitpunkt des Todes im Blut vorhanden waren. Auf Basis dieser Methode konnte das von 80 Institutionen aus 21 Ländern stammende Forschungsteam Plasmodium-Genomdaten rekonstruiert: von 36 Malaria-Infizierten aus 5500 Jahren Menschheitsgeschichte und von fünf Kontinenten.

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Auf diese Weise wurden zum Beispiel Rückschlüsse darauf möglich, wie der Malaria der Sprung nach Amerika gelang, wo die Krankheit bis heute in tropischen Regionen vorkommt. Die Analyse von Erbgut eines Menschen, dessen Überreste man am Kondorsee fand, einem hoch gelegenen Ort in den peruanischen Anden, stellte demnach eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit alten europäischen Plasmodium-vivax-Stämmen fest. Das deute stark darauf hin, dass europäische Siedler diese Form der Malaria zu Beginn der Kolonialzeit nach Amerika brachten.

Mit dem transatlantischen Sklavenhandel sei später vermutlich auch Plasmodium falciparum auf den Kontinent gelangt. Und während man bei diesem hochgefährlichen Erreger von einem afrikanischen Ursprung ausgeht (übergesprungen von Gorillas innerhalb der vergangenen 450.000 Jahre), ließ sich die Herkunft von P. vivax bisher nicht restlos klären: Manche Indizien weisen auf Südostasien hin, andere auf das südliche Afrika.

„Verstärkt durch die Auswirkungen von Kriegen, Versklavung und Vertreibung haben Infektionskrankheiten wie Malaria die indigenen Völker Amerikas während der Kolonialzeit schwer getroffen, in einigen Gebieten mit Sterblichkeitsraten von bis zu 90 Prozent“, erklärte Co-Autorin Evelyn Guevara, die an der Universität Helsinki und am MPI EVA forscht.

Souvenir der Soldaten und Handelsreisenden

Auf dem europäischen Kontinent beeinflussten ebenfalls militärische Aktivitäten die Ausbreitung der Erreger. Das schließt das Team aus den Genomdaten von Menschen, die auf dem Friedhof der St.-Rombouts-Kathedrale im belgischen Mechelen begraben wurden. In unmittelbarer Nähe habe eines der ersten Militärhospitäler (1567 bis 1715) im Europa der frühen Neuzeit gelegen. Den Ergebnissen zufolge schleppten aus der Mittelmeerregion stammende Soldaten die Plasmodium-falciparum-Malaria ein, die damals nördlich der Alpen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht aufgetreten war.

„Wir stellen fest, dass große Truppenbewegungen damals eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung der Malaria spielten, ähnlich wie heute bei der sogenannten Flughafen-Malaria in Europa“, erklärt Mitautor Alexander Herbig vom MPI EVA. „In unserer globalisierten Welt bringen Reisende, die sich woanders infizierten, Plasmodium-Parasiten in Regionen zurück, in denen die Malaria bereits ausgerottet ist.“ Mücken, die in der Lage sind, diese Parasiten zu übertragen, könnten dann sogar eine anhaltende lokale Übertragung verursachen.

In Asien stieß das Forscherteam sogar weit außerhalb des Lebensraums sowohl des Malaria-Erregers als auch der Anopheles-Mücke auf einen mit P. falciparum Infizierten: in Nepal, in der Hochgebirgsstätte Chokhopani im Tal des Flusses Kali Gandaki – und zwar in einer Höhe von 2800 Metern über dem Meeresspiegel, wo es kalt und trocken ist. Das Erbgut des Mannes, dessen Überreste man dort entdeckt hatte, sei an das Leben in großer Höhe angepasst, es handle sich also um einen Einheimischen – der sich womöglich auf einer Handelsreise angesteckt hatte, und zwar vor rund 2800 Jahren.

„Wir stellen uns diese Regionen heute als abgelegen und unzugänglich vor“, sagt Co-Autor Mark Aldenderfer, emeritierter Professor an der University of California. „Aber tatsächlich diente das Kali-Gandaki-Tal als eine Art Trans-Himalaya-Autobahn, die die Menschen auf dem tibetischen Plateau mit dem indischen Subkontinent verband.“ Schon in den damals bestehenden Handelsnetzen existierten Fernverbindungen. Und man musste nicht einmal weit reisen, um in die tiefer gelegenen, schlecht entwässerten Regionen des nepalesischen und indischen Terai zu gelangen – in denen Malaria heute endemisch ist.

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Jetzt aber stehe die Erfahrung der Menschen mit Malaria an einem Wendepunkt, betonen die Forscher: Dank Fortschritten bei der Mückenbekämpfung und gezielten Gesundheitskampagnen, seit die Zahl der Todesfälle durch Malaria in den 2010er-Jahren auf einen Tiefstand gesunken, teilt das MPI EVA mit. Doch das Auftauchen von Parasiten, die gegen Malaria-Medikamente resistent sind, und von Überträgern, die gegen Insektizide resistent sind, drohe diese Fortschritte zunichtezumachen. „Wir sehen, wie Mobilität und Bevölkerungsbewegungen in der Vergangenheit die Ausbreitung von Malaria begünstigt haben, genauso wie die moderne Globalisierung heute malariafreie Länder und Regionen anfällig für eine Wiedereinschleppung macht“, sagt Johannes Krause, Studienleiter und Direktor der Abteilung für Archäogenetik am MPI EVA.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie ergab wiederum, dass die Malaria-Übertragungsgebiete in Afrika künftig stärker schrumpfen könnten, als bisher angenommen wurde. Bis zum Ende des Jahrhunderts werde es wahrscheinlich in der Summe eine Abnahme der mit Blick auf Temperatur und Wasserverfügbarkeit geeigneten Gebiete geben, zum Beispiel in weiten Teilen Westafrikas, prognostizierte ein britisches Forschungsteam Anfang Mai im Fachjournal „Science“.

Anopheles-Stechmücken benötigen Wasserreservoire als Brutstätten; die Lufttemperatur bestimmt, wie schnell sich die Mücken entwickeln – und die Parasiten im Körper der Insekten. Was bleibe, sei ein Flickenteppich „konzentrierter und intensiver Risiken“, vor allem in höheren Lagen und an Flussufern wie am Nil.

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Einen Einfluss auf den Wettlauf mit Resistenzen könnten schützende Impfstoffe haben, die es seit Kurzem gibt: Im Oktober vergangenen Jahres empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen zweiten Malaria-Impfstoff für Kinder in betroffenen Regionen. Der R21/Matrix-M-Impfstoff könne symptomatische Malariafälle innerhalb von einem Jahr um 75 Prozent reduzieren, hieß es. Zuvor hatte es bereits eine Empfehlung für den Impfstoff Mosquirix (RTS,S/AS01) gegeben.

Die WHO strebt an, bis 2030 mindestens 35 Länder, in denen die Krankheit 2015 noch verbreitet war, für malariafrei zu erklären. Zurzeit sind es nach ihren Angaben 12, darunter China seit 2021, Argentinien seit 2019 und Sri Lanka seit 2016. Allerdings sind viele Länder während der Corona-Pandemie im Kampf gegen Malaria zurückgeworfen worden, zudem leben zahlreiche Betroffene in schwer zugänglichen Krisengebiete.

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