In Erdogans AKP hat Mesut Özil jetzt eine ganz besondere Aufgabe | ABC-Z

Berlin. Der frühere deutsche Fußballnationalspieler wechselt in die türkische Politik. Özils Berufung ist Teil einer breit angelegten Strategie.
20 Jahre lang hat Mesut Özil gekickt, in vier Profiliegen weit über 400 Spiele bestritten, wurde mehrfach Pokalsieger, Europameister und 2014 Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft. Zwei Jahre nach dem Ende seiner Fußballerkarriere ist der 36-Jährige jetzt noch einmal aufgestiegen, in die Politik: Vergangene Woche wurde Özil in den Zentralvorstand der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdogan gewählt.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Özil hat aus seiner Begeisterung für Erdogan und dessen islamischen Nationalismus nie einen Hehl gemacht. Auf der linken Brust trägt er eine Tätowierung. Sie outet ihn als Anhänger der rechtsextremen „Grauen Wölfe“, mit denen Erdogan ein Wahlbündnis geschlossen hat. Erdogan entdeckte den erfolgreichen Fußballer schon früh als Werbeträger. Seit 2011 hat er sich mehrfach mit Özil getroffen. 2019 war Erdogan Trauzeuge bei Özils Hochzeit mit Amine Gülse. Seitdem wurde immer wieder über ein Parlamentsmandat für Özil spekuliert. Sogar als Kandidaten für ein Ministeramt sahen ihn manche Medien.
Jetzt beginnt offenbar die politische Karriere des Gelsenkircheners. Obwohl: Er fängt klein an. Der Vorstand der AKP besteht aus immerhin 75 Mitgliedern. Offiziell legt er die Politik der Partei fest, trifft strategische Entscheidungen und bestimmt über Personalfragen. Tatsächlich ist das Gremium aber ohne nennenswerten Einfluss. Seine Mitglieder sind politische Statisten. Seit der Verfassungsreform von 2018 laufen alle Fäden bei Erdogan zusammen. Er ist Staatspräsident, Regierungschef und Parteivorsitzender in einer Person. Als Staatschef verfügt er über mehr Macht als jeder andere Regierungschef eines westlichen Landes.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan (2.v.r.) und seine Frau Emine Erdogan (r.) bei der Hochzeitszeremonie des Fußballspielers Mesut Özil (M) und Amine Gülse (2.v.l.) im Beisein des Gouverneurs von Istanbul Ali Yerlikaya (l.).
© Getty Images | Anadolu
Erdogans Strategie: Mit Özil vor allem junge Wähler gewinnen
Özils Nähe zu Erdogan sorgte schon im Mai 2018, kurz vor der WM-Nominierung, für viel Wirbel: In London posierten Özil und sein ebenfalls aus Gelsenkirchen stammender Teamkollege Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten. DFB-Präsident Reinhard Grindel spricht von einem „Fehler“. Es folgen angeblich „klärende Gespräche“ der beiden Fußballer mit der DFB-Spitze. Auch ein Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier findet statt. Damit ist die Kontroverse aber nicht beendet. Beim Testspiel der deutschen Mannschaft in Österreich am 2. Juni gibt es Pfiffe für Özil und Gündogan. Am 14. Juni beginnt die WM. Für die deutsche Mannschaft ist sie bereits nach der Vorrunde zu Ende. Mesut Özil schweigt fast vier Wochen lang. Am 22. Juli verteidigt er in einem auf Englisch verfassten Post auf Twitter seine Fotos mit Erdogan, attackiert den DFB scharf und erklärt seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft, weil er in Deutschland „Rassismus und Respektlosigkeit“ verspüre. Erdogan lobt den Rücktritt als „patriotisch“. Nach zwei Jahren bei Fenerbahce Istanbul beendete Özil 2023 seine Profikarriere.
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Özils Berufung in den AKP-Vorstand ist Teil einer breiter angelegten Strategie Erdogans. Vor knapp einem Jahr erlitt seine AKP bei den Kommunalwahlen eine schwere Niederlage. Erstmals seit ihrer Machtübernahme 2002 ging sie nur als zweitstärkste Partei aus der Abstimmung hervor. Seither wirbt Erdogan um Stimmen. So bemüht er sich jetzt um eine Lösung des jahrzehntealten Kurdenkonflikts – in der Hoffnung, dass kurdische Wähler seine Pläne für eine Verfassungsänderung unterstützen, die ihm bei der Präsidentenwahl 2028 eine weitere Amtszeit sichern soll. Viele junge Wähler wandten sich bei den Kommunalwahlen von Erdogan ab. Sie sehen in der von Erdogan betriebenen Islamisierung von Staat und Gesellschaft eine Bedrohung ihres westlichen Lebensstils. Mesut Özil dürfte nun die Aufgabe zugedacht sein, vor allem die Jugend für Erdogan zurückzugewinnen.