Im Hintergrund sind erste Entscheidungen einer Merz-Regierung schon gefallen | ABC-Z

Hinter den Kulissen hat Friedrich Merz längst mit den Vorbereitungen für eine Koalition begonnen. Er will zwei Schlüsselthemen früh abräumen und die jeweiligen Ministerien mit eigenen Leuten besetzen. Viele Ressorts könnten aber auch grundlegend umgebaut werden.
Ab Sonntag, 18.01 Uhr, soll es kein böses Wort mehr geben. Jedenfalls nicht gegen mögliche Koalitionspartner. Die Marschroute hat CDU-Chef Friedrich Merz in seiner Partei ausgegeben, wie es heißt. Der Kanzlerkandidat der Union spricht nicht nur in den TV-Duellen vom Tag nach der Wahl. Er hat für diese Zeit auch einige Schritte präzise vorbereiten lassen. Und die Maßgabe „kein böses Wort“ ist nur der Anfang.
Um ihr gerecht zu werden, soll es im engsten Kreis am Sonntag schon früh eine kleine Absprache geben. Und zwar, bevor die Kommentierung des Wahlergebnisses ab 18 Uhr auf allen Kanälen losgeht. Nichts soll dem Zufall überlassen werden.
Der Grund ist einfach. Merz hat schon vor Wochen in öffentlichen Auftritten das Versprechen abgegeben, dass die Bildung einer neuen Koalition unter ihm friedlich, klug und schnell gehen werde. Das zwingt zur Abrüstung im Ton und zu Gesprächsbereitschaft in der Sache.
Merz will Streitpunkte Migration und Wirtschaft früh klären
Das erklärt auch, warum für jedes erdenkliche Wahlergebnis Vorbereitungen getroffen wurden. Merz hat das den Kollegen von „Politico“ schon mal verraten. Was das heißen könnte? Nach Informationen aus Parteikreisen hat das Duo Carsten Linnemann und Thorsten Frei schon seit Ende des vergangenen Jahres eine Regierungsübernahme vorbereitet, von möglichen Personalien für die höheren Leitungsebenen in den Ministerien bis zu den Themen, die zu Beginn der Sondierungen im engsten Kreis der Parteichefs verhandelt werden sollen.
Dazu gehört die Finanzierung der seit der MSC noch einmal wichtigeren Sicherheitsaufgaben, aber auch der von Merz versprochene Politikwechsel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. Merz will dies, wie es im Berlin-Jargon heißt, „vor die Klammer“ ziehen und Streitpunkte früh ausräumen.
Hinzu kommt eine zweite Ebene. Der Abteilungsleiter Politik und Programme im Adenauer-Haus, Tobias Pohl, koordiniert seit Monaten eine Gruppe, die sich um die Verästelungen der Regierungstechnik kümmert. Zu dieser Arbeit gehörte im letzten Jahr auch ein Treffen mit den so genannten „Kampfgruppen“ aus den Ministerien. Das sind CDU-nahe Beamte, die sich in den verschiedenen Ressorts Hoffnung auf mehr Verantwortung machen können. Allerdings soll Merz intern betont haben, dass ihm Kompetenz wichtiger sei als die Parteifarbe.
Merz plant Zusammenlegung von Ministerien
Konkret sind auch die Vorarbeiten für die Zusammenlegung verschiedener Ministerien, mit denen die Union in die Verhandlungen gehen möchte. Dazu gehört ein Wirtschaftsministerium, das um die Arbeitsmarktpolitik erweitert werden soll und dafür im Gegenzug vielleicht die Energienetze an ein neues Infrastrukturministerium mit Bau und Verkehr und den Klimaschutz an das Umweltministerium verlieren könnte.
Ein neues Sozialministerium mit Rente, Familien- und Gesundheitspolitik soll der SPD schmackhaft gemacht werden; das Auswärtige Amt könnte als Angebot an den Koalitionspartner um die Entwicklungshilfe erweitert werden.
Für CSU-Mann Dobrindt ist großes Ministerium reserviert
Ziel der CDU-Spitze ist es, die Themen, die für sie im Wahlkampf prioritär waren, auch mit eigenen Leuten zu besetzen: also das Wirtschafts- und das Innenministerium. Als Kandidaten werden Linnemann, Frei und Jens Spahn genannt. Allerdings hat Markus Söder im CSU-Präsidium quasi offiziell angekündigt, dass der „Alexander“ ein großes Ministerium bekommen werde. Gemeint ist CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
An dem Votum kann Merz so ganz einfach nicht vorbei. In Frage kommen dafür eigentlich nur das Innen-, das Finanz- oder das Verteidigungsministerium. Allerdings sind das Ressorts, die zum Teil von einem künftigen Partner beansprucht werden dürften.
Aufrechterhalten wird offenbar der Plan, ein neues Digitalministerium extern zu besetzen; eine erste Idee mit einer Informatik-Professorin aus dem Süden soll aber wohl nicht klappen. Eigentlich sollte sie im Januar offiziell präsentiert werden. Die Frau will offenbar lieber in der Wissenschaft bleiben.
Bei einem Posten könnte Merz der SPD entgegenkommen
Im Kanzleramt will Merz den Posten eines Staatsministers für Ehrenamt und Sport schaffen und dazu einen Nationalen Sicherheitsrat einrichten. Im Gegenzug könnte die Integrationsbeauftragte ins Innenministerium wechseln. Offen ist außerdem, ob der Ostbeauftragte und das Amt der Kulturstaatsministerin im Kanzleramt bleiben.
Der für Bürokratieabbau zuständige Normenkontrollrat soll aus dem Justizministerium zurück in das Kanzleramt gehen. Ein Posten, den auch die SPD besetzen könnte; Merz würde so ein Zeichen setzen, dass er im Kanzleramt nicht nur eigenen Leute vertraut.
Sechs Männer sollen für die Union über eine Koalition verhandeln
Nach den Vorstellungen von Merz sollen Sondierungen früh beginnen und im engsten Kreis stattfinden. Weil die CDU aber nicht allein verhandelt, wären das auf Unionsseite trotzdem sechs Personen und bisher alles Männer: neben Merz, Linnemann und Frei sind das Markus Söder, Alexander Dobrindt und Martin Huber von der CSU.
Reicht es mit nur einer Partei, dann würden SPD oder Grüne sicher mit gleicher Stärke antreten. Sehr wahrscheinlich freilich ist, dass Merz und andere schon vor der ersten Begegnung via SMS und auf anderen Kanälen erste Gesprächsbrücken bauen.