Kultur

Ignatz Bubis : Der nahe Osten | ABC-Z

Er war der klügste jüdische Politiker, den es in Deutschland nach dem Krieg gab, und er hätte mich einmal fast wegen einer Geschichte verklagt. Aber weil er so klug war, weil er verstand, dass das Leben aus Blut und Lügen bestand, die Literatur aber aus Wahrheit und Buchstaben, überlegte er es sich anders. In der Erzählung, die ihn so aufregte, bot ein Frankfurter Immobilienzar wie er einem jungen jüdischen Intellektuellen wie mir eine Million Mark an, damit der seine Tochter verließ. Der Junge sagte Okay.

“Wir werden mindestens drei Stunden bis Berlin brauchen”, sagte Ignatz Bubis jetzt in seinem schönen polnischen Deutsch zu mir, nachdem wir uns an einem nasskalten Märztag Anfang der Neunzigerjahre auf die Rückbank seines riesigen schwarzen Dienstmercedes gesetzt hatten. Das war schon viele Jahre später. Es gab keine DDR und keine BRD mehr, aus den beiden Staaten war ein einziges riesiges Labor geworden, in dem es zischte und brodelte. Manchmal explodierte ein Reagenzglas, und hinterher war der Treuhand-Chef tot, oder ein paar Vietnamesen oder Türken rannten panisch aus ihren brennenden Häusern.

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