IG BCE-Chef Vassiliadis fordert „Zukunftsgebühr“ für Reiche | ABC-Z

Menschen mit hohen Einkommen oder Vermögen sollen in Zukunft neben den gewohnten Steuern eine „Zukunftsgebühr“ an den Staat zahlen. Das verlangt die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). „Spätestens jetzt ist die Zeit reif für einen Solidarbeitrag der Superreichen zur Krisenbekämpfung“, sagte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis am Sonntag zur Eröffnung des alle vier Jahre stattfindenden Gewerkschaftstags seiner Organisation in Hannover.
Erheben will er die geforderte „Gebühr“ auf Vermögen, Erbschaften und hohe Einkommen. Deren Besitzer und Bezieher müssten zur Verantwortung gezogen werden. Eine genaue Abgrenzung der „Superreichen“ im Form von Vermögens- und Einkommenshöhen lieferte er nicht.
Vassiliadis begründete seinen Vorstoß damit, dass Deutschland unter einer sehr ungleichen Vermögensverteilung leide. Dies sei nicht nur ungerecht, „sondern es sind auch Zukunftsverweigerung und fehlende investive Verantwortung darin versteckt“. Obwohl viele Reiche die Möglichkeit dazu hätten, trügen sie bisher zu wenig zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei.
Genau dies wolle er mit seiner Forderung ändern, betonte er. „Wenn mein Appell zu mehr Standorttreue erfüllt wird, dann kann man solche ,Zukunftsgebühren’, wie ich es hier mal nenne, durch Abschreibungen vermeiden.“
„Wer hier verdient, muss auch hier beitragen“
Wer sein Einkommen und Vermögen so investiert, dass es Arbeitsplätze und Infrastruktur in Deutschland fördert, könnte demnach einen Nachlass erhalten. Inwieweit es sich dabei um mehr als die ohnehin geltenden steuerlichen Abschreibungsregeln handeln soll, führte Vassiliadis nicht näher aus.
Allerdings vertrat er die Ansicht, dass er damit keinen ungerechtfertigten Druck auf Reiche ausübe. „Das sind keine Strafzahlungen, sondern Beiträge zur Zukunftsverantwortung“, sagte der Gewerkschafter. „Wer hier verdient, muss auch hier beitragen.“ Dies könne „entweder durch Investitionen in Arbeitsplätze, Innovation und Infrastruktur“ geschehen „oder durch einen fairen Beitrag über Steuern und Abgaben“.
Konkrete Angaben zur erhofften Höhe der Staatseinnahmen durch die geforderte Gebühr machte Vassiliadis nicht. Indirekt deutete er aber an, dass sich politische Auseinandersetzungen über Einsparungen im Sozialstaat damit erübrigen würden: Er habe schon vor der Regierungsbildung unter Führung von Friedrich Merz (CDU) eine Vermögensabgabe gefordert.
„Das hätten die oberen Zehntausend locker verkraftet, das hätte gleichzeitig zusätzlichen finanziellen Spielraum verschafft“, sagte Vassiliadis. „Mit der Vermögensabgabe hätte die Bundesregierung sich und uns allen die heutigen Diskussionen um neue Einschnitte erspart.“
Neuwahl des Gewerkschaftsvorstands
Neben den auf diese Weise kritisierten Bemühungen, starke Ausgabensteigerungen im Gesundheits- und Pflegesystem zu bremsen, plant die schwarz-rote Regierungskoalition allerdings zugleich auch eine Ausweitung von Sozialausgaben. Das vom Bundeskabinett im August beschlossene Rentenpaket sieht vor, in den kommenden 15 Jahren insgesamt gut 200 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zusätzlich auszugeben, um den Anstieg der Renten zu beschleunigen.
Jenseits davon hat die Bundesregierung gerade neue Zahlen zur Vermögensungleichheit in die Gerechtigkeitsdiskussion eingespeist. Wie ihr Entwurf des neuen Armuts- und Reichtumsberichts ausweist, ist der Anteil der oberen zehn Prozent am gesamten Nettovermögen seit dem Jahr 2010 von 59 Prozent auf 54 Prozent gesunken. Allerdings sind die Vermögen aus Sicht der Regierung trotzdem noch „sehr ungleich verteilt“. In den 54 Prozent sind neben privaten Luxusgütern auch Betriebsvermögen enthalten.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, unterstützte die Forderung des IG-BCE-Chefs am Sonntag in Hannover. Sie verglich dazu die Entwicklung der inflationsbereinigten Arbeitsentgelte mit der Entwicklung der Vermögen seit der Corona-Pandemie. „Im Durchschnitt stagnieren die Reallöhne“, sagte sie. „Im gleichen Zeitraum der letzten vier Jahre sind die Nettovermögen um 29 Prfozent gewachsen.“ Dies sei „ein Ungleichgewicht, über das wir reden müssen“, kritisierte Fahimi.
An diesem Montag wird Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den insgesamt sechs Tage dauernden Gewerkschaftskongress besuchen. Dass er die Forderung nach einer „Zukunftsgebühr“ unterstützt, gilt als ausgeschlossen.
Energiekosten senken
Allerdings hat die IG BCE angesichts der schweren Krise insbesondere energieintensiver Branchen wie der Chemie- und Glasindustrie auch noch andere Forderungen an die Regierung. Sie verlangt schnelle und weitreichende Schritte zur Senkung von Energiekosten, um den Abfluss von Investitionen zu stoppen, sowie im gleichen Zusammenhang einen pragmatischeren Umgang mit Klimazielen und den daran geknüpften Regularien. Insoweit könnte Merz mit seinen politischen Vorstellungen durchaus auf offene Ohren der Delegierten treffen.
Im weiteren Wochenverlauf steht die Neuwahl des Gewerkschaftsvorstands auf dem Programm. Vassiliadis tritt dabei am Dienstag für eine weitere Amtszeit an. Außerdem haben sich für die kommenden Tage neben Merz auch die Kabinettsmitglieder und SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas als Redner auf dem Kongress angekündigt.





















