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Sammelklage gegen Booking.com: Die Hotel-Rebellen | ABC-Z

Sie wollen Geld, genauer gesagt Schadenersatz von Booking.com. Um wie viel Geld es geht, weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Aber die Summe könnte gewaltig sein. Die Hotels fordern Schadenersatz rückwirkend für einen Zeitraum von 20 Jahren. Bis Freitag, den 29. August, konnten sich Hotels der Klage vor dem Amsterdamer Bezirksgericht anschließen.

Der Grund: Über mehrere Jahre hinweg hat die Buchungsplattform Hotels an eine sogenannte Bestpreisklausel gebunden. Das heißt, die Hotels durften ihre Zimmer nicht günstiger anbieten als auf der Plattform. Die Plattform wollte damit erreichen, dass alle nur noch bei Booking.com buchen, und verhindern, dass Ur­lau­be­r*in­nen sich nur ihrer schön aufbereiteten Informationen bedienen und dann über eine andere Seite oder direkt beim Hotel buchen. „Das sogenannte Trittbrettfahren ist in der Praxis allerdings eher selten“, sagt Rupprecht ­Podszun. Er ist Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Universität Düsseldorf.

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Die Bestpreisklausel von Booking.com ist jedenfalls kartellrechtswidrig. Das haben Kartellbehörden in Deutschland schon vor zehn Jahren so eingestuft. 2021 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass die Hotels ihre Zimmer günstiger anbieten dürfen als auf Booking.com. Eine ­Bestpreisklausel schaltet nämlich die anderen Wettbewerber aus, weil sie dieselbe Leistung teurer anbieten müssen. 2024 hat dann auch der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass dieses Vorgehen gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Booking.com hat die Klauseln dann im selben Jahr wegen des sogenannten Digital ­Markets Act abgeschafft. Dieser trat 2022 in Kraft und führte strengere Regeln für große Online­platt­formen ein. 1:0 für die Hoteliers.

Die Sammelklage gegen Booking.com soll noch vor Ende dieses Jahres eingereicht werden.

2 Wie geht es jetzt weiter mit der Sammelklage der Hoteliers?

„Schadenersatzklagen im Kartellrecht sind immer sehr aufwendig“, sagt Rupprecht ­Podszun. Der Verstoß von Booking.com steht zwar schon fest, aber jetzt müssen die Hotels nachweisen, was für ein Schaden überhaupt entstanden ist: Was haben die Hotels tatsächlich eingenommen, und was hätten sie ohne Klausel einnehmen können? Beide Seiten legen dafür ökonomische Gutachten auf den Tisch, die wohl jeweils das Gegenteil begründen werden. „Bis das dann geklärt und durch alle Instanzen gegangen ist, kann es Jahre dauern“, so der Kartellrechtsexperte. Ju­ris­t*in­nen könnten sich auf ein „spektakuläres Wettmessen zwischen zwei Schwergewichten“ freuen. Ob die Klage des europäischen Hoteldachverbands Hotrec erfolgreich sein wird oder nicht, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwer einzuschätzen.

3 Wie viel müssen die Hotels an die Plattform zahlen?

Hotels zahlen in der Regel fast ein Fünftel des Zimmerpreises als Provision an die Buchungsplattform. Der Hotelier Marco Kirchner vom Thüringer Hof nahe Schmalkalden rechnet vor: Wenn der Zimmerpreis auf Booking.com 100 Euro beträgt, gibt er 15 Euro plus die Umsatzsteuer, insgesamt also etwa 18 Euro ab. 15 Prozent sei die minimale Provision, so der Hotelier. Wer mehr zahlt, 20 Prozent zum Beispiel, werde höher gelistet. „Aber das mache ich nicht“, sagt Kirchner.

Seit der BGH 2021 die Bestpreisklausel für rechtswidrig erklärt hat, kostet ein Zimmer im Thüringer Hof bei direkter Buchung etwa 10 Prozent weniger als über die Plattform. In manchen Monaten zahle er 1.200 Euro an Booking.com, sagt Kirchner. „Wenn ich dann die Rechnung sehe, ärgere ich mich schon.“ Hätten die Gäste doch nur bei ihm direkt gebucht, denke er sich dann.

Ja, es gibt auch Vorteile. Der Thüringer Hof ist ein kleines Hotel im ländlichen Raum. „Über die Plattform sind wir sichtbarer“, so Kirchner. Ur­lau­be­r*in­nen landeten bei ihm, die niemals nach dem Ort gesucht hätten, meint er. Deshalb schloss er sich der Klage auch nicht an. Etwa 20 bis 25 Prozent seiner Gäste buchten ihr Zimmer über Booking.com, 30 Prozent über regionale Vermittlungsagenturen, die übrigen direkt.

Mitte der 90er Jahre wurde die Hotelbuchungsplattform in den Niederlanden gegründet. Aber erst seit den 2010er Jahren suchen Ur­lau­be­r*in­nen ihre Hotels vermehrt im Internet. Schnell war Booking.com die Nummer eins und schaffte es, die meisten Nut­ze­r*in­nen an sich zu binden. Es folgte der sogenannte Netzwerkeffekt: „Je mehr Leute auf einer Plattform sind, desto wertvoller wird sie“, sagt Podszun. Wenn alle Hotels bei Booking.com sind, lohnt es sich für Verbraucher*innen, dort zu suchen. Andersherum genauso: Dort, wo viele Ver­brau­che­r*in­nen suchen, lohnt es sich für Hotels, gelistet zu sein.

Inzwischen vermittelt Booking.com nicht mehr nur Hotelzimmer, sondern auch gleich die ganze Reise mit Flug, Mietauto und Versicherung. Stärkere Kundenbindung und noch mehr Marktmacht sind das Resultat. Im Jahr 2023 war der Mutterkonzern Booking Holdings mit einem Marktanteil von 71 Prozent die mit Abstand meistgenutzte Reisebuchungsplattform in Europa.

Im selben Jahr wurden in Deutschland etwa 31 Prozent der Hotelbuchungen über Onlineportale abgeschlossen. Diese Zahlen gehen aus einer Studie des Hotrec-Verbands und der Fachhochschule Westschweiz hervor. Rund 25 Prozent der gesamten Reservierungen auf Booking.com stammen ­tagesschau.de zufolge aus asiatischen Ländern.

Marktmacht an sich ist noch nicht rechtswidrig. „Das Kartellrecht kann grundsätzlich nur eingreifen, wenn ein Fehlverhalten festzustellen ist“, sagt Experte Rupprecht ­Podszun – so wie bei den Bestpreisklauseln. Seit ein paar Jahren beobachtet Podszun aber mehr politische Maßnahmen, die mächtigen Plattformen Grenzen aufweisen. Die Europäische Kommission etwa prüfe die Fusionen von Booking.com heute viel kritischer und gehe gegen den Aufkauf von kleineren Unternehmen vor.

2024 hatte die EU Booking.com als sogenannten Gatekeeper eingestuft, also als „große digitale Plattform“, die eine „starke wirtschaftliche Position mit erheblichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat und in mehreren EU-Ländern aktiv ist“.

Damit ist die Plattform an zahlreiche Verpflichtungen gebunden, die die Geschäftsmöglichkeiten der Hotels ausweiten und die der Plattformen einschränken sollen. „Booking.com wird also stärker reguliert, aber ich sehe keine Tendenzen, die Plattform zu zerschlagen und ihre Monopolmacht aufzubrechen“, sagt Podszun.

Viele andere Websites bieten denselben Service wie Booking.com. Allerdings verlieren die Hoteliers auch bei ihnen Geld über die Provision. Alternativ kann man Hotels etwa über Google Maps oder ­OpenStreetMap suchen und diese dann per Mail oder Telefon direkt kontaktieren. Nicht zuletzt gibt es die ­Hotelrubrik im guten alten Reiseführer. Und für Abenteuerlustige: Noch stehen sie am Straßenrand, die „Zimmer frei“-Schilder.

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