„Ich hoffe, dass die Welt offener und toleranter wird“ – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z
Generation Z, also junge Menschen, die ungefähr zwischen 1995 und 2010 zur Welt gekommen sind, werden manchmal als faul und arbeitsunwillig bezeichnet. Wenn es nach dem gemeinnützigen Verein „Initiative für Werterhalt und Weitergabe“ (IWW) ginge, sähe das jedoch ganz anders aus. Der Vorsitzende Stephan Lang sagt: „Diese Generation ist unglaublich engagiert und wissbegierig“. Aus diesem Grund gibt die IWW jungen Menschen in Bayern nun schon seit vier Jahren eine Stimme mit einem Schreibwettbewerb, dem Bayerischen Jugendpreis. Auch in den kommenden Jahren können junge Erwachsene zwischen 15 und 18 Jahren an dem Wettbewerb der IWW teilnehmen. In diesem Jahr war das Thema des Wettbewerbs: Wie wichtig sind mir europäische Werte? Der 17-jährige Riccardo Rossi aus Geretsried reichte einen Beitrag ein und war erfolgreich. Mit seinem Text gewann er zum wiederholten Mal den 3. Preis. Was den Schüler des Sankt Matthias Gymnasiums in Waldram zu der Teilnahme bewegt hat und wie er Vorurteile widerlegt:
SZ: Herr Rossi, was verbinden Sie mit Europa?
Riccardo Rossi: Ich bin selbst ein „europäisches Kind“, also ich bin halb Italiener, halb Deutscher. Aus diesem Grund fand ich das Thema auch sehr gut. Was ich auf jeden Fall im Alltag immer ganz stark bemerke, ist die Reisefreiheit. Also ich kann in jeden Ferien einfach mit Personalausweis nach Italien zu meiner Familie fahren und es gibt keine Grenzkontrollen. Wichtig ist meiner Meinung nach auch, dass die Europäische Union andere Länder unterstützt und beispielsweise Entwicklungshilfe leistet oder auch in EU-Mitgliedsländern wichtige Projekte finanziert. Große politische Themen sind meiner Meinung nach Gleichberechtigung und Umweltschutz. Für mich ist die EU im Großen und Ganzen einfach ein sicherer Hafen, auf den man sich verlassen kann.
Warum haben Sie an dem Schreibwettbewerb teilgenommen?
Die Zweite Vorsitzende des Vereins Dagmar Kohlmann kam vergangenes Jahr zu uns an die Schule und hat einen Vortrag über den Verein IWW und den Wettbewerb gehalten. Sie hat darüber gesprochen, dass man verschiedene Preise gewinnen kann, unter anderem eine Reise nach Berlin und dass man dafür einen höchstens zweiseitigen Text schreiben muss. Ich fand das sehr interessant und dachte mir, das kann man schon mal versuchen.
Sie haben vergangenes Jahr den 3. Preis in der Altersklasse 16 gewonnen und in diesem Jahr erneut den 3. Platz belegt, diesmal bei den 17-Jährigen.
Ja, genau. Ich fand die Zeit letztes Jahr schon so toll. Also die Berlin-Reise war wirklich eine super Erfahrung. Und dass es dieses Jahr nicht nach Berlin, sondern sogar nach Brüssel geht, fand ich noch einmal cooler. Noch zusätzlich zu der Reise nach Brüssel habe ich heuer AirPods gewonnen.
Wovon handelt Ihr Text zum diesjährigen Thema?
Meine Geschichte spielt in der Zukunft. In Deutschland ist eine extreme Partei an der Macht, die Randgruppen und Minderheiten ausgrenzt und Europa ist gespalten. Die Hauptperson meines Textes ist eine syrische Frau, die in Deutschland eine Auffangstelle für Frauen und Angehörige der LGBTQIA+ Community führt, die auf Hilfe angewiesen sind. Zu Beginn der Geschichte fährt die Syrerin mit dem Nachtzug nach Spanien. Sie erzählt dem Leser in einem Rückblick von ihrem Tag: Bei ihr wurde eingebrochen und ihre Auffangstelle in Brand gesetzt, während sie dort arbeitete. Weder Feuerwehr noch Polizei wollten der Frau helfen, da diese Anhänger der extremen Regierung sind und unter dem Befehl stehen, Minderheiten und Andersdenkenden keine Hilfe zu leisten. Vor dem Gebäude droht der Syrerin dann noch ein Mann, dass sie das gleiche Ende nehmen wird wie ihre Auffangstelle, wenn sie nicht mit ihrer Arbeit aufhört. Aus diesem Grund flieht sie nach Spanien, wo ein Teil ihrer Familie lebt. Im Zug erfährt sie ebenfalls Diskriminierung von einem Kontrolleur.
Was hat Sie inspiriert, über dieses Thema zu schreiben?
Ich habe Fremdenhass schon selbst miterlebt. Mir wurde einmal angedroht, dass ich nach Italien abgeschoben werde, sollte die AfD an die Macht kommen. Zudem wollte ich einfach eine Dystopie erschaffen, also eine Katastrophengeschichte schreiben, um meine ganzen Ängste zu verarbeiten. Ich habe dann ein paar Entwürfe geschrieben und etwa eine Woche gebraucht, bis ich mit dem Text zufrieden war.
Wie haben Sie die Berlin-Reise erlebt und was erwarten Sie von der Fahrt nach Brüssel?
Die Reise war mega interessant und auch richtig schön. Ich habe mich in den paar Tagen, die wir unterwegs waren mit einigen Teilnehmern angefreundet. Auch das Programm war sehr spannend: Wir waren im Bundestag, in verschiedenen politischen Institutionen und Stiftungen. Brüssel im Herbst wird natürlich auch sehr interessant, da es auf dieser Reise dann eher um Politik auf europäischer Ebene geht. Da will ich auf jeden Fall mit Politikern sprechen. Ich finde, diese Chance vermittelt tatsächlich das Gefühl, dass man als junger Mensch gehört wird und Sachen anstoßen und bewegen kann. Das ist echt super. Und generell freue ich mich darauf, neue Menschen kennenzulernen.
Sie durften bei der jüngsten Europawahl schon mitwählen. Wie haben Sie die Wahl erlebt?
Ich fand es toll, mitwählen zu können. Ich weiß aber nicht, ob es eine gute Entscheidung war, das Wahlalter auf 16 herunterzustufen. Ich finde, es gibt schon viele Jugendliche, die sich nicht so für politische Themen interessieren und dann Entscheidungen treffen, die sie sich vielleicht nicht ganz so gut überlegt haben. In meiner Schule haben wir zum Beispiel vor der eigentlichen Wahl eine „Fake-Wahl“ gemacht. Ich habe beim Auszählen der Stimmen geholfen und das Ergebnis fand ich schon ziemlich schockierend, da es sehr extrem war.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft Europas?
Ich hoffe, dass die Welt offener und toleranter wird und dass es mehr Gleichberechtigung in jeglicher Hinsicht gibt. Ich würde mir mehr Stabilität, sowohl in wirtschaftlicher als auch politischer Hinsicht, wünschen. Ich hoffe darauf, dass die EU bessere Lösungsansätze für die Flüchtlingspolitik findet und mehr Stärke in der Außenpolitik zeigt.
Weitere Informationen zum Wettbewerb unter www.werterhalt-weitergabe.de/bayerischer-jugendpreis