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“Ich habe erst mal gegoogelt, was das sein soll” – welche Tipps eine junge Münchner Managerin für die Karriere hat | ABC-Z

Die 33-jährige Annahita Esmailzadeh, Münchnerin mit iranischen Wurzeln, studierte Wirtschaftsinformatik und ist seit 2021 Führungskraft bei Microsoft. Zudem ist sie zertifizierte Business-Coachin. 2023 veröffentlichte sie ihr erstes Buch: “Von Quotenfrauen und alten weißen Männern“.

AZ: Frau Esmailzadeh, Sie sind nicht nur Managerin in der Tech-Branche, sondern halten auch Vorträge, schreiben Bücher, coachen andere. Liegen Sie manchmal auch auf der Couch und gucken Netflix?
ANNAHITA ESMAILZADEH: Eher nicht. Wenn ich freie Zeit habe, dann bin ich lieber mit Freunden beim Essen, in den Bergen oder mache Sport. Nach so einem Serien-Netflix-Marathon fühle ich mich einfach nur emotional erschöpft.

In Ihrem kürzlich erschienenen Buch “Was du nicht hören willst – aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein“ loben Sie den Streamingdienst-Anbieter aber, weil er es geschafft hat, sich immer wieder neu zu erfinden.
Netflix ist ein sehr prägnantes Beispiel dafür, dass man sich nicht auf alten Erfolgen ausruht. Der Anbieter schafft es, relevant zu bleiben – etwa, indem er eigene Serien produziert. Das können wir auch auf uns als Einzelperson übertragen: Man sollte sich niemals denken, ich bin jetzt Experte oder Expertin auf einem Gebiet und das wird mir bis zur Rente reichen. Faktisch sind wir alle austauschbarer, sobald wir uns mit dem Status quo zufriedengeben.

“Ich wusste: Es gibt keinen Plan B – ich bin mein Plan B“

Wie kann man dem vorbeugen?
Die Zukunfts-Skills in unserer sehr volatilen und schnelllebigen Zeit sind Lernfähigkeit und das Vermögen, sich auf ein dynamisches Umfeld immer wieder einzustellen.

Vielen fällt das schwer, weil sie Angst vor Neuem haben. Wie kommt man da raus?
Unser Körper signalisiert bei neuen Dingen Gefahr und reagiert mit den klassischen Symptomen: Wir fangen an, zu schwitzen, schneller zu atmen, sind nervös. Diese Gefühle sind natürlich für uns nicht angenehm. Es ist aber wahnsinnig wichtig, dass wir unsere Komfortzone verlassen, wenn wir über uns hinauswachsen wollen.

“Meine Eltern haben sehr hart und viel gearbeitet”

Sie haben das geschafft: Ihre Eltern sind Mitte der 80er Jahre aus dem Iran nach München gekommen. Sie sind im Westend aufgewachsen, das damals als Brennpunkt galt. Ihr Vater war Taxifahrer, Ihre Mutter Verkäuferin. Was hat Sie angetrieben?
Meine Eltern haben sehr hart und viel gearbeitet und haben nicht studiert. Und sie haben sich mit vielen Dingen auch schwerer getan als Menschen, die in dem Land, in dem sie leben, aufgewachsen sind. Dadurch hatte ich immer im Hinterkopf: Die finanziellen Mittel, die meine Familie hat, sind begrenzt. Für mich war finanzielle Unabhängigkeit immer ein wahnsinniger Treiber. Und natürlich war es auch so, dass in meinem Elternhaus nicht von klein auf der Habitus mitgegeben wurde, der in der Wirtschaft Türen öffnete.

Inwiefern?
Ich hatte kein Netzwerk, habe keine Praktika oder erste Einstiegsjobs über meine Eltern vermittelt bekommen. Und ich hatte auch nicht die psychologische Sicherheit aus vermögenden Elternhäusern, dass ich weich fallen werde. Ich wusste: Es gibt keinen Plan B, ich bin mein Plan B. Das ist einerseits natürlich unangenehmer, als wenn man weiß, ich kann nach dem Abi erst dreimal um die Welt jetten und danach vielleicht fünfmal den Studiengang wechseln. Im gleichen Zuge war es aber auch befeuernd.

 Haben Sie später gemerkt, dass es in der Wirtschaftswelt unausgesprochene Spielregeln gibt, die Sie aufgrund Ihrer Herkunft nicht kannten?
Selbstverständlich! Ich erinnere mich noch, als ich mit Mitte 20 bei SAP in der Beratung gearbeitet habe: Wir saßen beim Essen mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Und da hat man sich dann ganz natürlich übers Golfen unterhalten, im Speziellen über Handicaps (System zur Messung der Spielstärke eines Golfers, d. Red). Ich saß dann nur stumm da und habe, als ich zuhause war, erst mal gegoogelt, was das sein soll.

Keine Ahnung, worüber die anderen im Büro reden? Eine Erfahrung, die viele machen müssen, die nicht von vornherein „Stallgeruch“ mitbringen.
Keine Ahnung, worüber die anderen im Büro reden? Eine Erfahrung, die viele machen müssen, die nicht von vornherein „Stallgeruch“ mitbringen.
© Shotshop/imago
Keine Ahnung, worüber die anderen im Büro reden? Eine Erfahrung, die viele machen müssen, die nicht von vornherein „Stallgeruch“ mitbringen.

von Shotshop/imago

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Wie sieht es mit Vorurteilen aus?
Ich bin ja sehr jung erst fachlich Führungskraft geworden und dann auch disziplinarisch, habe also bei SAP irgendwann angefangen, auch große Projektteams zu leiten. Ich erinnere mich, dass die Kunden, wenn sie das erste Mal auf mich trafen, immer dachten, ich bin die Praktikantin. Oder ganz automatisch zu den Kollegen hingegangen sind, die fachlich an mich berichtet haben, denen dann die Hand gegeben und bei mir den Kaffee bestellt haben. Situationen wie diese hatte ich ganz viele.

Die junge Frau bringt nur den Kaffee? Denkste! Sie kann auch der Chef sein, wie Annahita Esmailzadeh.
Die junge Frau bringt nur den Kaffee? Denkste! Sie kann auch der Chef sein, wie Annahita Esmailzadeh.
© Westend61/imago
Die junge Frau bringt nur den Kaffee? Denkste! Sie kann auch der Chef sein, wie Annahita Esmailzadeh.

von Westend61/imago

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Was sind Ihre drei wichtigsten Tipps, um erfolgreich zu sein?
Ein ganz wichtiger Tipp ist: Dein härtester Gegner sitzt in deinem eigenen Kopf. Wir sabotieren uns selbst und unsere Erfolge sehr häufig. Wenn wir es schaffen, unseren Geist zu managen, dann haben wir damit schon sehr viel gewonnen. Und: Ohne Substanz steht unser Erfolg auf einem sehr wackligen Fundament.

“Nicht nur in Selbstvermarktung investieren”

Was meinen Sie damit?
Ich bin selbst auf Sozialen Netzwerken, insbesondere auf Linkedin, sehr aktiv. Inzwischen gibt es dort sehr viele Menschen, die sehr schnell sehr bekannt werden mit gewissen Themen. Aber wenn der Unterbau an Wissen und Fachkompetenz fehlt, ist dieser Erfolg nicht von Dauer. Deswegen sollte man immer auch in Kompetenzen und praktische Erfahrung investieren und nicht nur in Selbstvermarktung.

Und Tipp drei?
Unser enges Umfeld ist entscheidend für unseren Erfolg. Man sagt nicht zu Unrecht, dass wir der Querschnitt der fünf Personen sind, mit denen wir am meisten zu tun haben.

“Viele Menschen verstehen Netzwerken falsch”

In Ihrem Buch geht es auch darum, sich ein Netzwerk aufzubauen. Wie klappt das?
Jede zweite Position wird in Deutschland im Schnitt über das Netzwerk vergeben. Viele Menschen verstehen aber Netzwerken falsch. Sie denken, ich gehe auf eine Veranstaltung und mache dann eine Visitenkartenjagd, bei der der größte Stapel gewinnt. So ist es aber nicht.

Sondern?
Es gibt ein Konzept von Adam Grant, das er in seinem Buch “Give and Take“ vorstellt: Menschen, die “Giver“ (Gebende, d.Red.) sind, die anderen Menschen Gutes tun, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, sind diejenigen, die wirklich ein substanzvolles Netzwerk aufbauen. Und die “Taker“ (Nehmende, d. Red.), also diejenigen, die netzwerken und Kontakte knüpfen mit dem alleinigen opportunistischen Ziel, aus Menschen ihren maximalen Nutzen zu ziehen, schaffen das nicht.

“Anna, hör auf, dich totzuarbeiten”

Wie kann man bei allem Erfolg dafür sorgen, dass einem nicht irgendwann alles zu viel wird?
Mein allererster Chef hat immer zu mir gesagt: “Anna, hör auf, dich totzuarbeiten – am Ende des Tages wirft man dir nur den größten Kranz hinterher.“ Damals habe ich ihn belächelt. Ich war eine junge Beraterin, wollte sieben Tage die Woche arbeiten. Dann habe ich aber in den folgenden Jahren gesehen, wie sich Menschen wortwörtlich totgearbeitet haben. Menschen, die Leistungsträger waren und dann mit 50 oder 60 Schlaganfälle hatten, kurz nach dem Vorruhestand gestorben sind und gar nichts hatten von der ganzen harten Arbeit der letzten Jahrzehnte. Es lohnt sich niemals, sich kaputtzumachen. Ich selbst habe inzwischen Warnsignale, die mir aufzeigen, dass es zu viel ist.

Sich im Büro kaputtarbeiten? Keine gute Idee, sagt Esmailzadeh.
Sich im Büro kaputtarbeiten? Keine gute Idee, sagt Esmailzadeh.
© Westend61/imago
Sich im Büro kaputtarbeiten? Keine gute Idee, sagt Esmailzadeh.

von Westend61/imago

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Welche sind das?
Ich fange an, unfokussiert zu werden. Wenn es wirklich zu viel ist, fängt mein Augenlid an zu zucken, und ich werde gereizter, obwohl ich sonst eine entspannte und geduldige Person bin.

Sagen Sie dann auch mal eine Veranstaltung ab?
Ich sorge inzwischen eher proaktiv dafür, dass solche Situationen gar nicht mehr auftreten. Ich ernähre mich sehr clean und ich achte darauf, dass ich mich mit Menschen umgebe, die mir Energie geben. Und: Ich verschwende meine Zeit nicht, sondern achte darauf, dass ich Dinge tue, die mir guttun.

Mehr Erfolgsstipps gibt Esmailzadeh in “Was du nicht hören willst – aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein“, das sie mit Swantje Allmers verfasst hat. Haufe, 248 Seiten, 18 Euro

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