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Hyperhidrose: Meine Erfahrungen mit übermäßigem Schwitzen | ABC-Z

Nichts wünscht sich Lillian* sehnlicher. Seit sie denken kann, schwitzt sie. Viel mehr als andere. Ständig. Der Grund: Hyperhidrose. Uns verrät sie, wie sie mit ihrem übermäßigen Schwitzen umgegangen ist.

Unzählige Arztbesuche hat Lillian hinter sich. Es ist eine Odyssee, auf der sich die 29-Jährige selten ernst genommen fühlt. Selbst als die Diagnose Hyperhidrose endlich feststeht, ist das Verständnis für ihre Erkrankung gering. Ein Problem, das vermutlich viele der über 4,5 Millionen Menschen in Deutschland und Österreich mit Hyperhidrose kennen. Trotzdem stellt sich etwa nur ein Drittel der Betroffenen bei einer Ärztin oder einem Arzt vor. Über die Krankheit ist einfach zu wenig bekannt.

Lillian berichtet uns, welche Erfahrungen sie mit ihrer Erkrankung gemacht hat und wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht, um ein möglichst normales Leben zu leben.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie mehr schwitzen als andere?

Ich kann und konnte mich nicht daran erinnern, wie es war, bevor die Krankheit ausbrach, also wie es ist, nicht exzessiv zu schwitzen. Das müsste aber gewesen sein, als ich ca. elf Jahre alt war. Und dann war es schlimm, aber irgendwie normal, es war ja immer da. Und ich konnte auch nicht googeln, was mit mir los ist. Das gab es damals für uns Kinder noch nicht. So war ich ganz allein mit meinem Problem. Irgendwann ist es meiner Familie aufgefallen, und mit 13 habe ich meine Mutter dann doch gebeten, mit mir zum Arzt zu gehen. Denn bei den anderen hat man das Schwitzen ja schon mal unter den Achseln gesehen oder man riecht es, aber niemand hat so stark geschwitzt wie ich. Und das ständig. Egal, ob ich ein Buch gelesen oder Sport gemacht habe oder einfach nur in der Schule war. Ich habe immer so geschwitzt, als würde ich Marathon laufen – selbst wenn ich gefroren habe.

Wie sind Sie mit dem starken Schwitzen umgegangen?

Ich habe keine eng anliegende Kleidung mehr getragen, obwohl ich eine schlanke Figur habe. Am liebsten schwarze und aus Kunstfasern, da man die Schweißflecken dann nicht so sieht. Die Kleidung durfte nicht meine Achseln berühren. Das ging mit Männerkleidung am besten, und Fledermausärmel waren dafür auch gut. Ich habe sogar im Sommer immer schwarze Herren-XXL-Pullis getragen. Und ich habe auf Aktivitäten wie Fahrradfahren verzichtet, weil man da die Arme nach vorne an den Lenker strecken muss. Der Schweiß läuft nach vorne und man sieht die Flecken noch stärker. Auch beim Tragen eines Rucksacks, weil die Riemen die Kleidung an die Achseln drücken.

Sie waren damals noch ein Teenager. Wie sehr hat Sie das übermäßige Schwitzen belastet?

Das war ein echtes Problem. Ich habe mir ständig Gedanken darüber gemacht und konnte meinen Körper nicht zeigen. Ich wollte mich deswegen auch nicht anfassen lassen. Ich hatte immer Angst, dass jemand bemerken könnte, dass ich ständig schwitze. Dadurch habe ich ein total verschrobenes Körpergefühl entwickelt. Ich habe mich immer verhüllt und konnte mit Menschen nicht so unbeschwert umgehen, wie ich mir das gewünscht habe. Das macht mit einem jugendlichen Mädchen ganz, ganz viel. Das starke Schwitzen war psychisch sehr belastend.

Eine unbeschwerte Teenager-Zeit war nicht möglich – obwohl Lillian (am Model gestellt) oft medizinischen Rat suchte

(Foto: Adobe Stock )

Was hat Ihr Arzt zu Ihren Symptomen gesagt?

Er meinte, dass das normal sei und zur Entwicklung in der Pubertät dazugehört. Ich bin trotzdem mehrmals zu ihm hingegangen und habe immer wieder versucht, ihm mein Problem zu vermitteln. Aber ich kannte damals den Begriff „Hyperhidrose“ selbst noch nicht und kann dem Arzt auch keinen Vorwurf machen. Die Erkrankung war zu der Zeit einfach noch unbekannter als heute. Deshalb habe ich auch in meinem Umfeld häufig gehört, dass ich mir meine Krankheit nur einbilde.

Sie haben also erst einmal keine medizinische Hilfe bekommen?

Nein, aber ich habe die ganzen klassischen Tipps gegen Schwitzen ausprobiert, wie Sport machen oder Salbeitee trinken. Nichts hat geholfen. Auch nicht der Besuch beim Heilpraktiker, eine Ernährungsumstellung, Achselpads zum Einlegen ins Shirt oder Wechselduschen.

Gab es einen Punkt, an dem Sie am liebsten aufgegeben hätten?

Manchmal hatte ich keine Lust mehr, den Ärzten von meinen Symptomen zu erzählen, aber ich hätte alles dafür gegeben, dass ich aufhöre, so stark zu schwitzen. Also bin ich hartnäckig immer wieder zum Arzt gegangen. Schließlich hat er mir ein Produkt verschrieben, das in der Apotheke extra für mich zubereitet wurde. Dies hat bei mir aber unter den Armen leider nur unheimlich gebrannt und gejuckt – und leider nicht geholfen.

Was haben Sie noch versucht?

Zum Glück gab es die ersten Foren im Internet und ich habe das erste Mal den Begriff Hyperhidrose gelesen. Andere Betroffene schrieben davon, dass sie sich die Schweißdrüsen haben absaugen oder mit neurotoxischen Wirkstoffen haben verschließen lassen. Diese Behandlungen kamen für mich aber erstmal nicht infrage.

Sie mussten also mit der Hyperhidrose erst einmal allein klarkommen?

Ja. Ich bin im Abstand von ein paar Jahren immer wieder zu Ärzten gegangen und habe meinen Körper durchchecken lassen. Mein Blutbild war immer in Ordnung und ich habe vermutlich alle Untersuchungen machen lassen, die möglich waren, um den Auslöser zu finden. Bis heute wurde keiner gefunden. Man spricht deshalb von einer primären Hyperhidrose. Bei einer sekundären Hyperhidrose kommen verschiedene Auslöser infrage. Das können Grunderkrankungen, die Einnahme von Medikamenten oder hormonelle Veränderungen sein. Bei mir gibt es keine offensichtliche Ursache. Primäre Hyperhidrose könnte vererbt, also genetisch bedingt sein. Dazu wird gerade geforscht.

Heute haben Sie das krankhaft starke Schwitzen weitgehend unter Kontrolle. Wie kam es dazu?

Über die Zeit habe ich erfahren, dass es für die Behandlung von primärer Hyperhidrose inzwischen verschiedene ärztliche oder medikamentöse Therapieoptionen – von lokal und äußerlich anwendbaren Medikamenten bis hin zu Operationen – gibt, die die Symptome, also das krankhafte starke Schwitzen, abmildern. Mein Arzt hat mich über die verschiedenen Therapien sowie mögliche Risiken und Nebenwirkungen informiert, und wir haben gemeinsam einen geeigneten gangbaren Weg zur Kontrolle des Schwitzens für mich gefunden!

Wie ist es für Sie, etwas gegen das Schwitzen tun zu können und dieses im Griff zu haben?

Dass ich meine Hyperhidrose im Griff habe und im Prinzip nicht mehr übermäßig schwitze, hat mein komplettes Leben umgeschmissen. Jetzt kann ich Klamotten kaufen, die mir gefallen, die auch mal figurbetont sind, und ich muss nicht mehr aufs Material achten. Ich kann auch Baumwolle tragen. Und ich kann Sport machen. Ich liebe Tanzen. Aber das habe ich früher gar nicht erst ausprobiert. Manchmal greife ich aus Gewohnheit noch zu meinen weiten Kleidungsstücken im Schrank. Dann muss ich mir erst klarmachen: Du kannst auch andere Sachen tragen. Du schwitzt nicht mehr so stark. Das ist auch für meinen Beruf wichtig. Ich arbeite in der Beratung und als freie Dozentin. Das würde ich wahrscheinlich nicht machen, wenn ich so schwitzen würde wie früher. Mein Lebensweg und auch meine Beziehungen wären anders gewesen.

Was raten Sie anderen Menschen, die unter starkem Schwitzen leiden?

Da nicht alle Ärztinnen und Ärzte mit der Hyperhidrose vertraut sind, ist es immer gut, vorher anzurufen und zu fragen, ob sie sich mit der Erkrankung auskennen. Am besten ist es, wenn sich die Ärztin oder der Arzt darauf spezialisiert hat. Bei Hautärztinnen und -ärzten ist das meiner Erfahrung nach am ehesten der Fall. Mir hat es außerdem geholfen, nicht auf das Verständnis aus meinem Umfeld zu warten, sondern mich mit anderen im Internet über die Hyperhidrose auszutauschen. Das Gefühl ist so wichtig: Ich bin nicht allein! Und wenn sich das Schwitzen komisch anfühlt, dann darf man sich auch Hilfe holen.

Wer mehr über krankhaftes Schwitzen, die Hyperhidrose, wissen möchte, findet weitere Infos unter nervtdichdeinschwitzen.de. Dort gibt es auch einen Symptom-Check.

* Name von der Redaktion geändert.

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