Hüttel über Skispringer Paschke: “Das hatten wir so noch nie” | ABC-Z
interview
DSV-Sportdirektor Horst Hüttel spricht im Sportschau-Wintersport-Podcast über die deutsche Tournee-Hoffnung Pius Paschke und eine neue Ausgangslage für den Vorjahreszweiten Andreas Wellinger.
Sportschau: Herr Hüttel, wie sehr freuen Sie sich auf die Vierschanzentournee?
Hüttel: Wir freuen uns immer. Ich sehe es als Privileg an, an so einem Event mit unserer Mannschaft teilzunehmen. Gerade in Zeiten wie diesen, die für viele Menschen nicht so einfach sind, freuen wir uns, ein bisschen Abwechslung in die Wohnzimmer zu bringen. Natürlich gibt uns dieser Winter auch aus sportlicher Hinsicht genügend Anlass, uns auf die Tournee zu freuen.
Sportschau: Pius Paschke führt das DSV-Team mit aktuell fünf Saisonsiegen an. Sind sie manchmal selbst erstaunt, wie stark er sich in diesem Winter präsentiert?
Hüttel: Die ganze Geschichte vom Pius ist schon etwas Spezielles. Ich bin jetzt seit 16 Jahren in diesem Verband in dieser Funktion tätig – und das hatten wir so noch nie: Ein Athlet bemüht sich über viele Jahre und versucht, alles herauszuholen, es fügen sich aber dann im Alter von 34 Jahren erst gewisse Dinge. Obwohl man auch sagen muss, dass er in den letzten Jahren schon sehr gut war und punktuell sogar sehr gut. Aber die jetzige Konstanz ist natürlich beeindruckend.
Sportschau: Worauf führen Sie seine Leistungssteigerung zurück?
Hüttel: Ich glaube, dass hier ein gewisser Reifeprozess vonstatten gegangen ist. Er hat sich Leute an die Seite geholt, die ihm helfen, in etlichen Bereichen. Außerdem ist er Vater geworden letztes Jahr, das hilft ihm enorm, er ist da sehr ‘gesettelt’. Co-Trainer Andreas Mittler, der in Salzburg nicht weit von ihm weg wohnt, hat einen erheblichen Anteil. Es sind viele Dinge, die da einen Beitrag geleistet haben. Aber im Mittelpunkt steht schon er selber. Wir als Verband können Rahmenbedingungen geben, aber der Athlet muss den Weg schon selbst suchen. Und bei ihm ist da etwas passiert.
Hat in diesem Winter gut lachen: Pius Paschke
Sportschau: Haben Sie Sorge, dass er, bei all dem Erfolg, jetzt bei der großen Vierschanzentournee ein wenig ins Nachdenken kommt und dadurch ins Straucheln gerät?
Hüttel: Nein, die Angst haben wir nicht. Wir wissen natürlich auch um die besondere Aufmerksamkeit und die besonderen Herausforderungen durch die Tournee. Es wird spannend sein zu sehen, wie er und sein Umfeld darauf reagieren. Aber Angst ist nie ein guter Begleiter. Es kommt, wie es kommt. Wir werden alles dafür tun, dass sein Flow weiter so läuft. Und dann wissen wir am 6. Januar (Tournee-Ende, Anm. d. Red.) mehr.
Sportschau: Was erwarten Sie von den weiteren Athleten im Team?
Es ist an zweiter Stelle Andy Wellinger zu nennen. Er hat in dieser Saison schon einen Weltcup gewonnen und war über den Sommer und den Herbst eigentlich der dominante Athlet im Team. Ihn sollte man auf jeden Fall auf der Rechnung haben. Auch Karl Geiger stand in dieser Saison schon auf dem Podium. Pius steht nicht alleine da, wir sind gut aufgestellt. Nicht so gut wie Österreich, die sind mannschaftlich noch kompakter, können auf mehr Athleten zurückgreifen. Wir sind dennoch in einer guten und komfortablen Ausgangsposition.
Andreas Wellinger jubelt Anfang Dezember in Ruka
Sportschau: Ist es für Andreas Wellinger ein Vorteil, in diesem Jahr nicht ganz so sehr im Fokus zu stehen wie zuletzt?
Hüttel: Er muss die Situation so nehmen, wie sie ist. Er wäre natürlich lieber in der Position, in der Pius jetzt ist. Aber er nimmt das absolut toll an, akzeptiert und respektiert die Leistungen von Pius. Wir haben ein tolles Teamgefüge. Ob die geringere Fokussierung auf ihn ein Vorteil oder ein Nachteil ist, ist schwer zu sagen. Ich würde es nicht als Nachteil sehen, dass er jetzt im Vorfeld mehr Ruhe hat, als wenn er fünf Siege eingefahren hätte.
Sportschau: Bei Erfolgen ihrer Athleten fällt auf, dass sich die anderen Springer im Auslauf ausgelassen mitfreuen. Ein Zeichen für den mannschaftlichen Zusammenhalt?
Hüttel: Absolut. Das ist wirklich noch einmal enorm gewachsen in diesem Jahr. Egal, ob wir die Tournee jetzt gewinnen oder nicht: Es macht unglaublich Spaß, mit diesem Team zu arbeiten, weil hier eine große Energie und Bereitschaft da ist, füreinander Gas zu geben. Dazu gehören nicht nur die Athleten, sondern beispielsweise auch die Physiotherapeuten und der Teamarzt. Es ist wirklich gelungen, mit toller Harmonie ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Das sind Dinge, die müssen wachsen, die können nicht künstlich erzeugt irgendwie ins Team hereingetragen werden – und daran hat natürlich auch Stefan Horngacher (Trainer der Skispringer, Anm. d. Red.) enormen Anteil.
Das gesamte Interview mit Horst Hüttel mit Themen wie der positiven Entwicklung der Nordischen Kombination oder dem aktuellen Höhenflug von Skispringerin Katharina Schmid gibt es im Wintersport-Podcast der Sportschau.