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Hunger in Gaza: In Gaza gehen die letzten Lebensmittelvorräte aus | ABC-Z

Jerusalem taz | Im Gazastreifen spitzt sich die humanitäre Lage aufgrund der seit zwei Monaten andauernden Totalblockade durch Israel zu, es droht eine Hungerkata­strophe. Währenddessen verhandelt der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag über ­Israels Pflicht, humanitäre Hilfe für die gut zwei Millionen Bewohner des Küstenstreifens zuzulassen. In dieser Woche finden die Anhörungen dazu statt, denen Israel fernbleibt. Mehr als 40 Staaten haben Stellungnahmen angekündigt. Als wichtigster Verbündeter stellen sich die USA hinter Israel, das nicht mehr mit dem UN-Palästinahilfswerk Unrwa in Gaza zusammenarbeiten will. Viele andere Staaten üben harsche Kritik an der Abriegelung des Küstenstreifens.

Welche Fragen verhandelt das Gericht in Den Haag?

Nachdem Israel im vergangenen Oktober die Aktivitäten des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen, Unrwa, auf israelischem Gebiet verboten hatte, bat der UN-Sicherheitsrat den IGH, sich zu Israels rechtlichen Verpflichtungen zu äußern. Das Hilfswerk ist mit seinen rund 13.000 Mitarbeitern eine der wichtigsten Stützen der humanitären Hilfe im Gazastreifen. Die israelische Regierung wirft der Organisation vor, von der Hamas unterwandert zu sein, hat dafür aber bis heute kaum Beweise vorgelegt.

Seitdem hat sich die Situation im Gazastreifen deutlich verschärft. Mitte März kündigte Israel die Waffenruhe mit der radikal­islamistischen Hamas auf, seit Anfang März lässt es keine Hilfslieferungen mehr für die mehr als zwei Millionen Bewohner in den Gazastreifen. Verteidigungsminister Israel Katz hat die Blockade mehrfach als „eines der wichtigsten Druckmittel gegen die Hamas“ bezeichnet. Laut humanitären Völkerrecht darf eine Kriegspartei aber nicht eine gesamte Zivilbevölkerung bestrafen, um ihre Kriegsziele zu erreichen.

Welche Folgen haben die Anhörungen vor dem IGH?

Akut wird das Verfahren den Menschen in Gaza kaum helfen: Angesichts der israelischen Blockade droht den mehr als zwei Millionen Bewohnern laut der UN die schlimmste humanitäre Katastrophe seit Kriegsbeginn. Die Notküchen und Bäckereien im Küstenstreifen schließen, die Lebensmittellager von Hilfsorganisationen sind leer. Ein Sack Mehl kostet mittlerweile zwischen 150 und 200 Dollar.

Die täglichen Angriffe Israels gehen derweil weiter: Am Mittwoch wurden bei Luftangriffen mindestens 35 Menschen getötet, darunter laut Krankenhauspersonal auch Kinder. Die von den USA, Katar und Ägypten vermittelten Verhandlungen stecken in einer Sackgasse. Das israelische Außenministerium behauptet hingegen, es gebe keinen Mangel an Hilfsgütern. Diese kämen vor allem der Hamas zugute.

Israel dürfte die Entscheidung des obersten UN-Gerichts ignorieren, wie es das bereits in der Vergangenheit getan hat. Dennoch würde ein Gutachten den internationalen Druck erhöhen, glaubt Stefanie Bock, Professorin für internationales Strafrecht an der Universität Marburg. „Auch wenn das Gutachten selbst nicht rechtlich bindend ist, das zugrunde liegende Völkerrecht ist es sehr wohl.“ Es wäre dann Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, darauf hinzuwirken, dass es eingehalten wird.

Weshalb nimmt Israel nicht an den Anhörungen teil?

Israel wirft der UN seit Langem, und besonders seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023, vor, gegen das Land voreingenommen zu sein. Israel ist jüngst aus dem UN-Menschenrechtsrat ausgetreten und hat UN-Generalsekretär António Guterres zur Persona non grata erklärt. Andererseits zeigen die Tatsache, dass Israel seine Position schriftlich vorgelegt hat, sowie die heftige Kritik von Außenminister Gideon Sa’ar, dass die Vorgänge in Den Haag der Regierung in Jerusalem keineswegs völlig egal sind.

Welche weiteren Vorwürfe stehen im Raum?

Israel muss sich bereits in anderen Fällen gegen Vorwürfe verteidigen, gegen das Völkerrecht zu verstoßen. So hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) bereits im November 2024 neben mittlerweile getöteten Hamas-Anführern auch gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Joav Gallant Haftbefehle erlassen, unter anderen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Aushungern von Zivilisten.

Seit die israelische Armee im März ihre Angriffe wieder aufgenommen hat, geht sie noch härter vor als in der Vergangenheit. Sie genießt dabei die uneingeschränkte Unterstützung der US-Regierung unter Präsident Donald Trump. Mehr als 70 Prozent des Gebietes hat das Militär inzwischen entweder zu „Evakuierungszonen“ oder zu „Sperrgebieten“ erklärt. Führende israelische Politiker, darunter auch Premierminister Benjamin Netanjahu, bringen immer wieder den Trump-Plan ins Spiel, die palästinensische Bevölkerung in andere Länder „umzusiedeln“.

Verteidigungsminister Katz zufolge will Israels Armee entlang der Grenze zu Israel dauerhaft eine rund zwei Kilometer breite „Sicherheitszone“ einrichten und dort bleiben.

Nach Aussagen von Soldaten, die die Menschenrechtsorganisation Breaking the Silence gesammelt hat, werden dort systematisch Häuser, Agrarflächen und Infrastruktur zerstört. In dem „Perimeter“ genannten Bericht werden mehrere Soldaten zitiert, die die Pufferzone als Todesstreifen beschreiben, in der Palästinenser ohne Vorwarnung erschossen würden.

Welches Urteil ist absehbar?

Die Völkerrechtlerin Bock hält es für wahrscheinlich, dass das Gericht Israels Verpflichtung zu Hilfsaktionen zugunsten der palästinensischen Bevölkerung feststellen wird. Selbst wenn sich bestätigen sollte, dass Unrwa-Mitarbeiter am Hamas-Überfall mit rund 1.200 Toten beteiligt waren, könne dies kaum zum Ausschluss aller UN-Hilfsorganisationen führen. Humanitäre Hilfe bleibe eine völkerrechtliche Pflicht.

Zudem könnten die Anhörungen Einfluss auf weitere Verfahren haben. So steht eine Entscheidung des IGH im Verfahren Südafrika gegen Israel aus. Darin wird der Vorwurf des Völkermords behandelt. „Der IGH hat Israel im Rahmen einer vorläufigen Anordnung verpflichtet, humanitäre Hilfe zu ermöglichen und darauf hingewiesen, dass Völkermord auch durch die Verhinderung humanitärer Hilfe begangen werden kann“, sagt Bock.

Zudem liege der Terrorüberfall der Hamas mehr als eineinhalb Jahre zurück. Dadurch verliere die Rechtfertigung durch das Selbstverteidigungsrecht an Kraft – „zumal, wenn eine solche Blockade zuallererst die Zivilbevölkerung trifft“.

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