Humoristin der Washington Post schreibt Harris-Empfehlung nach Bezos-Verbot | ABC-Z
Nachdem die Meinungsredaktion der „Washington Post“ vom Eigentümer der Zeitung, Jeff Bezos, daran gehindert wurde, eine bereits vorbereitete Empfehlung für Kamala Harris als nächste Präsidentin der USA ins Blatt zu stellen, dürfen es nun immerhin die Satiriker des Blattes richten: „Es ist mir überlassen, der Humor-Kolumnistin, Harris als Präsidentin zu empfehlen“ lautete die Überschrift des Stücks von Alexandra Petri am Tag nach der Entscheidung, zu den empfehlungsfreien „Wurzeln“ des Blattes von 1970 zurückzukehren, wie der Herausgeber Will Lewis es formulierte.
Als „wir alle rückgratlose Kreaturen waren“
„Ist das nicht eigentlich Aufgabe der Zeitung selbst?“, fragte Petri. Ja, das ist es, befanden mehr als 250.000 Leser, die ihre Abos kündigten, und führende Journalisten im ganzen Land, die das als feigen Kotau von Bezos vor einem möglichen Wahlsieger Trump und dessen Drohungen gegen seine Widersacher interpretierten. „Wurzeln sind natürlich wichtig“, schrieb Petri, und wenn man noch etwas weiter zurückginge, erreiche man eine Zeit, in der „wir alle rückgratlose Kreaturen unter Wasser waren“. Petri empfehle also nun, auch wenn das peinlich für ihr Blatt sei, Kamala Harris, „weil ich Wahlen mag und möchte, dass es weiter welche gibt“.
Unterdessen machte sich der leitende Videoredakteur der „Post“ auf Tiktok und Youtube, Dave Jorgenson, über Bezos lustig. „Hier ist der Grund, warum manche Milliardäre Trump schonen“ ist das Video überschrieben, in dem er als „Meinungsredaktion der ,Post‘“ und als „Jeff Bezos“ eine Auseinandersetzung um den Veröffentlichungs-Stopp imaginiert. „Sie haben also Angst vor Trumps Rache, falls er gewinnt“, heißt es da, und „Bezos“ räumt ein, es habe zuletzt „zufällig“ lauter Dinnerparties mit Trump und verschiedenen Milliardären gegeben. Aber man wolle sich mit der Nichtempfehlung bloß auf die Tradition des Blattes vor 1970 – „Sie meinen, vor Watergate?“ – berufen. „Ja“, strahlt Bezos, zu dieser Tradition wolle man zurück.
Eine Zeitung nach der anderen zieht zurück
Allzu witzig ist das alles im Hinblick auf eine Wahl, in der die Demokratie Amerikas auf der Kippe steht und die von Desinformation und Propaganda, unter anderem auf dem Trump-treuen Sender Fox News und der Plattform des Trump-Kumpels Elon Musk, geprägt ist, nicht. Denn die Zurückhaltung der „Post“ ermutigte offenbar weitere große amerikanische Zeitungen zum Verzicht auf eine Empfehlung von Kamala Harris, darunter die „Tampa Bay Times“ in Florida und die „USA Today“, die auflagenstärkste Zeitung Amerikas.
„Wir glauben, dass Amerikas Zukunft auf der lokalen Ebene entschieden wird“, sagte Marie-Lark Antón, Sprecherin von deren Verlagshaus Gannett, das im „USA Today Network“ mehr als 200 Lokalblätter publiziert. 2016 hatte die „USA Today“ sich gegen Donald Trump ausgesprochen, 2020 für Joe Biden. Die Entscheidung, diesmal niemanden zu empfehlen, sei bereits im vergangenen Jahr und auf redaktioneller Ebene gefallen, hieß es. Der konservative Journalist David Mastio aus der „USA Today“-Redaktion kommentierte: „Angesichts der Tatsache, dass sich Donald Trump weigert, eine friedliche Amtsübergabe zu garantieren, steht die Zukunft der amerikanischen Demokratie auf dem Stimmzettel.“ Er sei „zutiefst enttäuscht“ darüber, dass das Blatt „in dieser kritischen Zeit seine Stimme verloren hat“.
Bei CNN zählt nur noch der Krawall
Auch anderswo in den linksliberalen Medien stellt man das Geschäft über die Demokratie. CNN entfachte einen Skandal, als der Rechtsaußen-Kommentator Ryan Girdusky nach einem schalen Witz aus der Show „News Night“ von Abby Phillip flog. „Ich hoffe, Ihr Pieper geht nicht los“, hatte Girdusky in einem hitzigen Schlagabtausch mit dem Journalisten Mehdi Hasan auf dessen Bekunden gesagt, er unterstütze die Palästinenser. „Haben Sie eben gesagt, ich sollte sterben?“, fragte Hasan. Nach der Werbepause fehlte Girdusky, später schrieb er auf X: „Man darf bei CNN auftreten, wenn man fälschlicherweise jeden Republikaner als Nazi bezeichnet, aber offenbar nicht, wenn man einen Witz macht“. Phillip entschuldigte sich bei den Zuschauern, und CNN veröffentlichte ein Statement, demzufolge man „Rassismus und Bigotterie“ verdamme und „Denkanstöße und Debatten“ zum „gegenseitigen Verständnis“ zum Ziel habe.
Da muss sich der Sender freilich fragen lassen, warum er nicht gemäßigte konservative Stimmen einlädt, sondern Trump-Fans wie Girdusky und den als Dauergast präsenten Scott Jennings einer Überzahl von liberalen Gästen gegenüberstellt. Girdusky gründete das „1776 Project“ mit, das gegen die Unterrichtung der sogenannten Critical Race Theory über systemischen Rassismus in Amerika zu Felde zieht; vor Längerem schrieb er für den einflussreichen US-Neonazi Richard Spencer. Scott Jennings, ebenfalls ein Trump-Apologet, hat die linke Abgeordnete Ilhan Omar als „Public-Relations-Agentin für Hamas“ bezeichnet und sich über die Warnung von Kamala Harris entrüstet, Trump wolle am Tag eins seiner Amtszeit ein Diktator sein, obwohl das Zitat von Trump selbst stammt. Kürzlich verlor er bei der Frage eines Diskussionsteilnehmers, ob ihn Trumps Lügen nicht verstörten, die Fassung: „Ich bin euch überhaupt keine Antwort schuldig!“
Es braucht keinen besonders scharfen Blick, um zu erkennen, dass die Trump-Apologeten dem Publikum als Antagonisten für den Schaukampf dienen. Aus diesen Auseinandersetzungen werden oft virale Clips – was für CNN mehr Zuschauer bedeutet. „Je mehr Scott Jennings trendet, desto mehr Sendezeit wird CNN ihm geben“, schrieb der Journalist Wajahat Ali. Die Journalistenschule „Poynter“ urteilte: „Solche Dinge passieren, wenn man einen streitfreudigen Gast einlädt, um einen oppositionelle Perspektive zum Rest der Gruppe einzunehmen, angeblich im Namen von ,Ausgewogenheit‘, und dann ein provokantes Thema hinzufügt.“
Die Zuschauer mit Krawall bei der Stange zu halten hat Fox News zum lukrativen Konzept gemacht und damit gewaltigen Schaden an der amerikanischen Demokratie angerichtet, CNN liegt inzwischen auf ähnlicher Welle. Umso erschreckender ist es, wenige Tage vor der Wahl mit anzusehen, wie auch weite Teile der liberalen Presse ihre Aufgabe, aufzuklären, um des Aufregungsprofits willen drangeben. Davon profitiert vor allem einer: Donald Trump.