Hula-Hoop: Ob der Reifen kreist, ist vor allem eine Frage der Figur |ABC-Z
Für die einen ist es ein Spiel, für andere ein Trendsport. Im Schwebezustand begeistert der Hula-Hoop auch Mathematiker und Physiker – die jetzt ein Geheimnis des Reifens aufgedeckt haben.
Angeblich soll es ganz einfach sein: Den Reifen mit beiden Händen fassen, auf Taillenhöhe an den Rücken lehnen, dann Oberkörper und Reifen nach rechts und links drehen – mit Schwung rotieren lassen. Natürlich gibt es noch mehr Tricks zu beachten, soll ein Hula-Hoop möglichst lange um den Körper kreisen, beschleunigen, oder die Richtung wechseln. Alles nur eine Frage der richtigen Haltung und Technik, oder?
Ende der 1950er-Jahre haben die bunten Plastikringe von Kalifornien aus die Welt erobert. Das Spielzeug wurde schnell zum Sportgerät, und als Abspeckhilfe feiert der Hula-Hoop (der Begriff verbindet den hawaiischen Tanz mit dem englischen Wort für Reifen) seit ein paar Jahren sein Comeback.
Für die meisten Menschen ist das erfolgreiche Hüftkreisen nur ein Zeitvertreib, Experimentalphysiker und Angewandte Mathematiker aber erkennen in einem Hula-Hoop, der trotz Erdanziehung in der Schwebe bleibt, ein Gleichgewicht aus Schwingungen und Energieerhaltung.
Ein dreiköpfiges Team der New Yorker Universität wollte dem Phänomen auf den Grund gehen und versuchte, die beliebte Sportart des „Hooping“ auf mathematische Beine zu stellen. In der Hoffnung, zugleich neue Erkenntnisse für die Robotik und mechanische Energieübertragung zu gewinnen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Xintong Zhu, Olivia Pomerenk und Leif Ristroph aktuell in der amerikanischen Fachzeitschrift „PNAS“.
„Wir waren überrascht, dass eine Aktivität, die so beliebt, spaßig und gesund ist wie Hula-Hoop, selbst auf einer einfachen physikalischen Ebene nicht verstanden wird“, sagt Leif Ristroph, Associate Professor am Courant Institute of Mathematical Sciences der New York University. Um zu verstehen, weshalb Hula-Hoop-Ringe überhaupt in der Luft „schweben“ und ob manche Körperformen besser für das „Hooping“, Kreisen geeignet sind als andere, führte das Team zunächst einige Experimente durch.
In einem Modell ließen sie Plastikringe um verschiedene rotierende Körper schwingen: Zylinder, Kegel und sanduhrförmige Hyperboloide. Diese Körper wurden auf den Rand einer motorbetriebenen Drehscheibe angebracht und ahmten so die typischen, kreisenden Hüft-Bewegungen beim Hooping nach. Den Ringen wurde zu Beginn einmal per Hand Schwung gegeben.
Die einzelnen Versuche wurden per Videoaufnahme ausgewertet, dabei wurde nach Gleichgewichtszuständen gesucht, in denen der Reif stabil rotierte. Um die gemessene Bewegung in der Ebene anschließend besser zu verstehen, erstellten die Forscher ein vereinfachtes, mathematisches 2D-Modell vom Querschnitt des Versuchsaufbaus. Dafür nahmen sie an, dass der Hula-Hoop-Ring den Körper ständig an einer Stelle berührte und nicht durchrutschte, wie das etwa bei einem Auto auf Glatteis der Fall wäre, sondern gleichmäßig abrollte.
Wurden Rollreibungskräfte zwischen Reif und Körper in die Berechnungen miteinbezogen, stellte das Team fest, dass es in dem System eigentlich nur zwei Zustände gab: Entweder wurde der Plastikreif zu Beginn nicht schnell genug angestoßen und fiel alsbald hinunter. Oder aber Reif und Körper synchronisierten ihre Bewegung nach einiger Zeit – und bewegten sich fast magisch auf einer gemeinsamen, rotierenden Achse.
Der Reif konnte sich also weder schneller noch langsamer um den Hula-Hoop-Mittelpunkt drehen als der Körper, vergleichbar mit zwei Objekten, die auf dem Zeiger einer Uhr befestigt sind. Mithilfe dieser Erkenntnis ließ sich ein 3D-Modell des Versuchssystems vereinfachen – und mathematisch lösen. Auf diese Weise konnten Zhu, Pomerenk und Ristroph untersuchen, welche Körperformen besonders dafür geeignet sind, dass ein Reif im „Schwebezustand“ bleibt und nicht zu Boden fällt.
Die Ergebnisse zeigten, dass die genaue Bewegung des Motors und die Form des Körpers im Querschnitt – Kreis oder Ellipse – im Hula-Hoop-Versuch zunächst nicht wichtig waren. „In allen Fällen konnte eine gute Wirbelbewegung ohne größere Schwierigkeiten angestoßen werden“, erklärt Ristroph.
Manche Körperformen waren allerdings deutlich besser dafür geeignet, den Reifen länger in der Luft zu halten als andere. Ein typischer runder „Apfel-Typ“ hat es besonders schwer, auch eine Eiform ist nicht optimal. Offenbar ist eine Art Hüfte notwendig, um den Reifen nach oben zu drücken, sowie eine kurvige Körperform mit einer „Taille“, damit der Reifen wiederum nicht zu weit nach oben abgleitet.
Im Grunde ist also eine klassisch weibliche Sanduhrfigur, wie sie in den Anfängen des Hula-Hoop-Sports sehr in Mode war, ideal. „Unsere Ergebnisse könnten erklären, warum manche Menschen natürliche Hula-Hooper sind und andere sich besonders anstrengen müssen“, sagt Experimentalphysiker Leif Ristroph.
Die aktuelle Studie bietet zudem eine physikalische Erklärung dafür, wie Profis es schaffen, mehrere Reifen gleichzeitig kreisen zu lassen. War eine stabile Wirbelbewegung erst einmal erreicht, erwies diese sich als ausgesprochen robust und unempfindlich gegenüber Störungen. So können Akrobaten beispielsweise weitere Ringe aufnehmen und zum Kreisen bringen, ohne dass ihnen die ersten Ringe von der Hüfte rutschen.
Ristroph hofft nun, dass die gewonnenen physikalischen und mathematischen Erkenntnisse für Ingenieure nützlich sein könnten, um industrielle Positionier- und Bewegungsroboter und die Übertragung von Vibrationsenergie zu verbessern.