Horst Seehofer macht Angela Merkel für Aufschwung der AfD mitverantwortlich | ABC-Z
München – Es war ein Streit, der um ein Haar zum Ende der Union zwischen CDU und CSU geführt hätte; ein Streit, während dem zwischen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem früheren CSU-Chef Horst Seehofer die verbalen Fetzen flogen: Der Streit um den richtigen Kurs in der Migrationspolitik als und nachdem in den Jahren 2015 und 2016 Hunderttausende Menschen Schutz in Deutschland suchten.
Migration sei die “Mutter aller Probleme”
“Wir schaffen das”, hatte die Kanzlerin gesagt – und kurz darauf beschlossen, die Grenzen offenzuhalten für jene Menschen, die im Herbst 2015 von Ungarn aus über Österreich in die Bundesrepublik drängten. Der bayerische Ministerpräsident – zu diesem Zeitpunkt noch Seehofer – drohte zunächst mit einer Verfassungsklage.
Später sagte er: “Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts.”
Beim CSU-Parteitag in München kanzelte der Mann, der die Migration noch als “Mutter aller Probleme” ausmachen und sich darüber freuen würde, dass just an seinem 69. Geburtstag 69 Afghanen in ihr Herkunftsland abgeschoben wurden, die Kanzlerin auf der Bühne ab wie ein Schulmädchen: Eine gefühlte Ewigkeit ließ er sie einfach neben sich stehen, während er ihre Flüchtlingspolitik kritisierte. Selbst einige CSU-Politiker fanden das schlicht ungehörig.
Ex-CSU-Chef Horst Seehofer enttäuscht? Neues Buch beleuchtet das Jahr 2015
Schließlich rauften sich die streitenden schwarzen Schwestern dann doch zusammen – und mittlerweile haben sich sowohl Angela Merkel als auch Horst Seehofer aus der Politik zurückgezogen. Doch der Stachel von damals scheint zumindest bei Letzterem noch immer tief zu sitzen.
In seinem Buch “Die Täuschung. Angela Merkel und ihre Deutschen” (erscheint demnächst bei dtv) erinnert sich der “FAZ”-Autor Eckart Lohse an ein Gespräch mit Seehofer im Sommer 2023. Dieser habe Merkel zwar zugestanden, die Bankenkrise, die Weltwirtschaftskrise, die Eurorettung und die Coronapandemie “nicht schlecht” gemanagt zu haben. Aber ihr Verhalten im Jahr 2015 habe ihn sehr enttäuscht.
“Sie sagte: Wir haben eine belastete Geschichte. Sie wollte Verantwortung für die deutsche Geschichte übernehmen, wollte zeigen, dass hinter ihrem Vorgehen eine Grundüberzeugung, eine Haltung steht”, zitiert Lohse Seehofer.
“Für sie war die Entwicklung vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte entscheidend. Sie hat aber nicht verstanden, dass durch ihr Verhalten die politischen Ränder, vor allem der rechte, enorm gestärkt werden”, so der frühere CSU-Chef weiter.
Entscheidung von Angela Merkel soll die rechtspopulistische AfD stark gemacht haben
“Die Entscheidung von 2015 hat die AfD in die Parlamente gespült.” Deren Siegeszug hatte schon 2014 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg begonnen, setzte sich mit dem Einzug in alle deutschen Landesparlamente fort und gipfelte 2017 im Einzug in den Bundestag.
Da allerdings hatten die von Merkel angestoßene Schließung der Balkan-Route und der von ihr maßgeblich ausgehandelte EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei die Zahl der Neuankömmlinge in Deutschland bereits deutlich reduziert.