Sport

Holstein Kiel: Ey, das sind ja die echten Bayern | ABC-Z

Von links fliegt eine Flanke in den Strafraum der Bayern, der Kieler Mittelfeldspieler Armin Gigović hält seinen Kopf hin, Manuel Neuer ist noch dran, doch der Ball rollt ins Netz. Alle Kielerinnen und Kieler reißt es in dieser 82. Minute aus den Sitzen, Jubelschreie, Pyro, norddeutsches Glück. Es steht 1:5 für die Bayern. 

Zwei Stunden zuvor parkt der rote Bayernbus vor der roten Backsteinfassade des Kieler Stadions. Nur ein Zaun trennt ihn von den Kieler Fans, die ins Stadion gehen. Viele bleiben stehen, machen Selfies mit sich und dem Gefährt. Beweisfotos, dass es kein kollektiver Fiebertraum ist, was da gerade passiert. Dass all das real ist.

Denn gleich beginnt das Abendspiel des dritten Spieltags der Bundesliga: Holstein Kiel gegen Bayern München. Es ist die erste Bundesligasaison der Kieler, die erste eines Vereins aus Schleswig-Holstein überhaupt. 

In der Nähe des Busses steht Mika. Er steckt in einem Dilemma. Die Karten hat ihm Lasse Rosenboom besorgt, Kiels Rechtsverteidiger und ein guter Freund. “Natürlich bin ich für Lasse”, sagt er. Wie sein Bayerntrikot denn dazu passe? “Ich bin schon lange Bayernfan”, sagt er lachend. Eigentlich könne er also nur gewinnen. Und Holstein Kiel? Sie können heute eigentlich nicht verlieren.

Denn die Rollen sind klar: Nord gegen Süd. Aufsteiger gegen Rekordmeister. David gegen Goliath. Die Marktwerte beider Teams trennen rund 900 Millionen Euro. Jamal Musiala ist allein rund viermal so viel wert wie der gesamte Kieler Kader. Und schaut man sich das Kieler Stadion an, würde man nicht vermuten, dass hier Bundesliga stattfindet.  

Ein bisschen roter Backstein, ein paar Metallstangen, ein bisschen Blech. Im Inneren pfeift der Wind durch die offenen Ecken, davor stehen Containerbauten. Das ZDF-Fernsehstudio ist im Vorraum einer Sporthalle eingerichtet worden, die neben dem Stadion steht.   

Sinnbild für die Verzwergung der Bundesliga oder Fußballromantik? In Kiel war man unsicher: Würden die Bayern angesichts der kreisligahaften Umkleidekabinen einen Kulturschock erleiden? Was würde Harry Kane denken, der gerade in Wembley sein 100. Länderspiel für England gemacht hat? 

Und die Kieler hofften. Trotz aller Gegensätze gab es diese eine magische Nacht im Coronawinter 2021. Als die Grundgesetze des Fußballs im Kieler Schneesturm außer Kraft gesetzt wurden. Als Manuel Neuer keinen einzigen Elfmeter hielt, die Bayern gegen Holstein aus dem Pokal flogen und sich Thomas Müller am Lachen der Reporterin störte. 

“Wir sind der Angstgegner von Bayern”, sagte Lewis Holtby im Mai im Moment des Kieler Aufstiegs. “Harry Kane nehme ich in Manndeckung.”

Als das Spiel an diesem Samstagabend angepfiffen wird, dauert es sieben Minuten, bis Holtby im Kieler Strafraum einen Fehlpass spielt und Harry Kane zum ersten Mal trifft. Es ist schon das 0:2, Jamal Musiala hat für seinen ersten Treffer nur vierzehn Sekunden gebraucht. Nach dreizehn Minuten fällt das dritte Tor.

“Hurra, hurra, die Bayern sind da”, hallt es aus dem Gästeblock. Nichts also mit Magie, Kulturschock oder Angstgegner. Stattdessen Ballverluste, Stellungsfehler, ein Eigentor, eiskalte Effizienz der Bayern und ein Klassenunterschied. 

Back to top button