Berlin

Holocaust-Gedenken in Sachsenhausen: Die AfD muss draußen bleiben | ABC-Z

Holocaust-Gedenken
Die AfD muss draußen bleiben


Mo 27.01.25 | 18:07 Uhr | Von Hanno Christ

Bild: dpa/Albert

Um die Rechtsaußen-Partei nicht dabei zu haben, gehen sie in der Erinnerungskultur Brandenburgs neue Wege: Erstmals hat zum zentralen Gedenken des Landes nicht der Landtag, sondern die Stiftung Gedenkstätten eingeladen. Von Hanno Christ

Es ist eine Veranstaltung in der Gedenkstätte Sachsenhausen, die sich auf den ersten Blick kaum abhebt von jenen der vergangenen Jahre: Die Landtagspräsidentin spricht, Schüler musizieren und gestalten den Tag mit. Es werden Kränze niedergelegt. Und doch ist dieses Mal etwas anders. Die Gedenkveranstaltung – 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau – findet in diesem Jahr ohne Vertreter der AfD statt, derzeit immerhin die zweitgrößte Fraktion im Brandenburger Parlament.

In der Vergangenheit konnten AfD-Abgeordnete teilnehmen, diesmal waren sie gar nicht erst eingeladen. Möglich wurde das durch einen Kniff in der Einladungspraxis. Diesmal hatte nicht – wie sonst – der Landtag eingeladen, sondern die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Da diese – anders als der Landtag – nicht verpflichtet ist, alle Abgeordneten einzuladen, musste die AfD gar nicht erst angesprochen werden.

Opferverbände wollten nicht mit AfD gedenken

Eine Entscheidung, die Katrin Grüber mit Genugtuung aufnimmt. „Ich habe das sehr begrüßt. Wenn es die Stiftung nicht gemacht hätte, dann hätte ich es eingefordert, weil ich den Gedanken unerträglich finde, dass Vertreter der AfD an einem solchen Tag in der Gedenkstätte sind.“ Die ehemalige Lehrerin und einstige Grünen-Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen ist auch Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte. Ihr Großvater, Probst Heinrich Grüber, war einst Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen. Die AfD leugne immer offener, dass es Verbrechen gab und dass es wichtig sei, aus der Geschichte zu lernen, so Grüber. „Wir wollen aber aus der Geschichte lernen.“ So sei es auch wichtig, mehr darüber zu sprechen, warum Menschen fliehen, so Grüber.

Dem Leiter der Gedenkstätten-Stiftung, Axel Drecoll, zufolge waren vor allem die Opferverbände treibende Kräfte für den AfD-Ausschluss. „Die Überlebenden und Angehörigen lehnen ein Gedenken mit führenden Protagonisten dieser Partei klar ab“, so Drecoll gegenüber rbb24. Danach habe sich auch die Stiftung gerichtet. Er rechtfertigt den Schritt aber auch aus eigenen Motiven heraus: „Viele Protagonisten der AfD vertreten ein Geschichtsbild, das unseren Vermittlungsbemühungen diametral entgegenläuft, etwa wenn es um den Stolz auf die Leistung von Wehrmachtssoldaten geht. Die Wehrmacht war ganz entscheidend in die nationalsozialistische Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie eingegliedert.“

Landtagspräsidentin zeigt Verständnis für Opferverbände

Mehrfach auf ihre Haltung zum AfD-Ausschluss angesprochen, reagiert Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) gegenüber rbb|24 ausweichend. Sie verweist auf ihre Neutralität. „Wenn die Opferverbände es nicht wünschen, dass auch Landtagsabgeordnete eingeladen werden, die dem rechtsradikalen Gedankengut nahestehen, dann kann ich diesem Wunsch nicht entsprechen. Ich muss alle einladen“, so Liedtke. Sie sagt aber auch: „Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Vertreter der Opferverbände den Holocaust-Tag nicht mit Menschen verbringen wollen, die rechtsradikales Gedankengut in ihren Reden verwenden.“

In ihrer Rede vermied es Liedtke, einzelne Protagonisten oder Parteien zu nennen. Sie kritisierte den „alten“ und „neuen“ Antisemitismus in Deutschland, vor allem durch den Konflikt in Nahost. Der Antisemitismus sei eine Gefahr für unsere Freiheit, er gehöre nicht zu unserer Demokratie, warnte Liedtke. Auch Fakenews seien Angriffe auf die Erinnerungskultur Deutschlands. „Das Entscheidende und Verbindende ist die Wahrheit dieses Geschehens, dass wir mit den Worten ‚Holocaust‘ und ‚Schoah‘ das größtmögliche Unglück benennen: Den Völkermord an den Juden. Diese Wahrheit ist unhintergehbar für uns in Deutschland.“

Die Angriffe auf die Erinnerungskultur nehmen zu

Axel Drecoll, Leiter der Gedenkstättenstiftung

AfD wirft Stiftung „verzerrte Perspektiven“ vor

Die AfD indessen kritisiert gegenüber rbb|24 die Nicht-Einladung durch die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Eine eigene Gedenkveranstaltung sei nicht geplant gewesen, so der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag, Hans-Christoph Berndt. „Die Stiftung erweist ihrer Organisation einen Bärendienst. Sie wird ihrem Auftrag nicht gerecht, sich politisch neutral zu verhalten“, so Berndt. Die Perspektiven seien verzerrt. Die größte Gefahr für Juden gehe von Islamisten in Deutschland aus, nicht von der AfD, so Berndt.

Berndt selbst wird vom Verfassungsschutz als erwiesener Rechtsextremist geführt. Er hatte sich wiederholt ausländerfeindlich geäußert. Unter anderem hatte er während des Landtagswahlkampfes im Herbst gefordert, asylsuchende Menschen von öffentlichen Veranstaltungen in Deutschland auszuschließen.

Im Landtag fällt seine Fraktion immer wieder durch völkisch-nationale Forderungen auf – und mit einer eigenen Deutung historischer Ereignisse. Zuletzt hatte sie mit Dominik Kaufner – erfolglos – versucht, den Vorsitz des Bildungsausschusses zu besetzen. Kaufner stand unter anderem in der Kritik, weil er einen Aufsatz veröffentlicht hatte, in dem er einen anderen Blick auf Wehrmachts-Soldaten forderte. Er kritisierte darin das „Suhlen in der eigenen Schuld“. Deutsche Soldaten müssten auch als Helden bezeichnet werden können. Die Ursachen des Zweiten Weltkrieges, die Angriffskriege Hitler-Deutschlands wie auch die Verbrechen im Namen der Wehrmacht finden in dem Aufsatz Kaufners keine Erwähnung.

Stiftung: Nachholbedarf bei der Erinnerungsarbeit

Der Stiftungs-Vorsitzende Drecoll weiß, dass die Nicht-Einladung einer Partei kein dauerhaftes Mittel der Auseinandersetzung ist. „Ich würde einen Unterschied machen: Bei der Gedenkveranstaltung geht es um ehrendes Gedenken. Und das muss denen vorbehalten bleiben, die es ernst meinen“, sagt er. „Wir müssen uns mit kritischen Haltungen auseinandersetzen, das ist keine Frage.“

Man müsse sich noch mehr Gedanken machen, wie die Aufarbeitung der NS-Geschichte vermittelt werden könne. Da gibt es offensichtlich Nachholbedarf, so Drecoll. „Die Angriffe auf die Erinnerungskultur nehmen zu. Und deshalb ist es wichtig, dass wir Zeichen setzen, dass wir unseres Erachtens die richtigen Antworten haben und den richtigen Weg beschreiten.“


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