Meinungen

Holger Friedrich will seine eigenen Fakten verbieten lassen • Medieninsider | ABC-Z

Medieninsider berichtet über eine Top-Personalie bei der Berliner Zeitung. Anschließend kommt Post vom Anwalt. Verleger Holger Friedrich fordert eine Unterlassung für pure Nebensächlichkeiten – die nicht einmal falsch sind. Chefredakteur Marvin Schade darüber, wie Medieninsider damit umgeht.

Es gibt viele Schreiben, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Eines davon erreichte Medieninsider in dieser Woche. Es stammt von einer Anwaltskanzlei im Auftrag des Berliner Verlages. Darin forderte sie die Unterlassung „unzutreffender Tatsachenbehauptungen“ in einem Artikel, der zuvor bei Medieninsider erschienen war. Wenn solche E-Mails im Postfach aufploppen, zuckt man kurz zusammen. Schließlich macht man nicht gerne Fehler. Bei diesem Schreiben jedoch zuckten höchstens die Schultern.

Das Anwaltsschreiben bezog sich auf eine Personalie, die Medieninsider am vergangenen Donnerstag exklusiv berichtet hatte. Daniel Cremer, der zuletzt viele Jahre für Axel Springers Bild-Zeitung arbeitete, sollte einen neuen Job bekommen – als stellvertretender Chefredakteur der Berliner Zeitung. Dies war am Tag unserer Berichterstattung intern bekannt geworden. 

Trotz bester Informationslage aus mehreren Quellen fragte Medieninsider an – per Telefon bei Verleger, Geschäftsführer und Eigentümer Holger Friedrich. Das macht man nicht nur aus journalistischer Sorgfalt, sondern auch dann, wenn man Wert auf Etikette legt. Holger Friedrich schien das allerdings nicht so wichtig (meiner Meinung nach!*). Er wollte die Personalie nicht nur nicht bestätigen, sondern mir auch erklären, dass einen das alles eigentlich gar nichts anginge (meiner Meinung nach!). Ich gehe hier nicht weiter ins Detail, denn offenbar ist die juristische Zündschnur kurz (meiner Meinung nach!). Medieninsider berichtete über die Personalie natürlich trotzdem. 

„Schwerwiegende Fehler“

Friedrichs Reaktion dauerte eine Nacht. Am nächsten Morgen schrieb er mir eine E-Mail mit der „Bitte um Offline-Schaltung“ des Artikels. Dieser enthalte „zu viele schwerwiegende Fehler“, die Friedrich aber nicht benannte. Sollte Medieninsider der „Bitte“ jedenfalls nicht nachkommen, „werde ich unsere Anwälte auffordern, diese Bitte in Form einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durchzusetzen“. Irgendwie las sich diese Bitte wie eine Drohung (meiner Meinung nach!).

Friedrich ist ein Mann, der seinen Worten Taten folgen lässt (meiner Meinung nach!). Am Dienstag dann das Anwaltschreiben. Wird Daniel Cremer etwa doch kein Vize bei der Berliner Zeitung? Das wäre eine peinliche Ente gewesen! Dann wären vermutlich aber auch nicht dieser Tweet samt Foto entstanden. Es ging um etwas anderes.

Medieninsider sollte zwei Dinge unterlassen:

Wir sollten nicht behaupten, dass es bei einer ausgeschriebenen Stelle für einen stellvertretenden Chefredakteur mit Fokus auf Online auch um die „Entwicklung der Print-Produkte“ ginge. Und Medieninsider sollte die Tatsachenbehauptung unterlassen, dass der Chefredaktion auch die stellvertretende Chefredakteurin Katerina Alexandridi angehöre. 

„Schwerwiegende Fehler“ in der Medieninsider-Meldung entnahm ich dem Schreiben nicht – und genau genommen entnahm ich gar keine Fehler. Die Formulierung zur „Entwicklung der Print-Produkte“ ist ein Zitat aus einer offiziellen Stellenausschreibung der Berliner Zeitung, die man (noch (immer)) hier nachlesen kann. Und die Angaben zur stellvertretenden Chefredakteurin stammten aus dem Online-Impressum der Berliner Zeitung. Doch nanu? Da ist von Alexandridi als stellvertretende Chefredakteurin gar keine Rede mehr? Haben wir also doch etwas falsch gemacht? Oder hat ihr einfach jemand kurzerhand das Impressum aktualisiert? Unsere Recherchen ergeben: Zweites ist der Fall. Am Tag unserer Berichterstattung (12.12.2024) war Alexandridi noch gelistet. In der gedruckten Zeitung stand sie sogar am 13. Dezember noch immer als stellvertretende Chefredakteurin im Impressum. In ihrem Autorenprofil wird sie übrigens noch immer als Stellvertreterin genannt. Hier könnte man nun sagen: Es wurden neue Fakten geschaffen.

Sei es drum: Medieninsider unterschreibt für so etwas keine Unterlassungserklärungen, vielmehr legen wir Vorgänge wie diesen offen. Ein solches Vorgehen bewirkt auch nicht, dass Medienhäuser oder ihre Verleger uns zukünftig auf Abstand halten. Das will ich Holger Friedrich hier nicht unterstellen. Über die Beweggründe seines Vorgehens weiß ich nichts. Ich habe auch nicht nachgefragt. Denn sie sind hier auch egal – meiner Meinung nach!

*hiermit unterstreiche, dass es sich um eine reine Meinungsäußerung meinerseits handelt und ich damit keine Tatsachenbehauptung aufstellen möchte. 


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