Berlin

Höhere Kosten, weniger Sponsoren: Berliner CSD droht Schrumpfung | ABC-Z

Christopher Street Day

Höhere Kosten, weniger Sponsoren: Berliner CSD droht Schrumpfung


Mi 07.05.25 | 06:09 Uhr | Von Julian von Bülow

Bild: Picture Alliance/Bernd Elmenthaler

Die CSD-Parade in Berlin ist in der Vergangenheit auch mit Sponsorengeldern finanziert worden. Einige davon brechen nun weg. Ein Grund dafür könnte der US-Präsident sein. Hat sich der Berliner CSD zu abhängig gemacht? Von Julian von Bülow

Feiert Berlin seine CSD-Parade, kommen Hunderttausende – selbst bei Regenwetter -, um zu tanzen, zu feiern und zu demonstrieren. Doch am 26. Juli dieses Jahres und möglicherweise auch in den kommenden Jahren könnte die Veranstaltung der queeren Szene kleiner ausfallen als bislang.

Die bisherige Größe der Parade war so nur mit Sponsorengeldern möglich. Doch viele Unternehmen sind derzeit nicht bereit, die Veranstaltung wie in vergangenen Jahren zu unterstützen, teilten die Organisator:innen vom Berliner CSD e.V. kürzlich mit. Deshalb fehlten derzeit rund 200.000 Euro. “Die Kosten für Infrastruktur, Sanitär und Personal steigen. Leider müssen wir in diesem Jahr daher einige Angebote einschränken”, so der Verein auf Instagram. In welchem Format der Berliner CSD ab 2026 weiter stattfinden kann, sei daher ungewiss.

Finanzlücke wegen Trump?

In den letzten Jahren waren es häufig auch US-Konzerne, die die Veranstaltung finanziell mitgeschultert haben. Doch die Zeiten scheinen vorbei. “Es gibt kein einziges US-Unternehmen, welches den CSD in Berlin in diesem Jahr unterstützen möchte”, schreibt der Verein auf Instagram. Man habe eine Vielzahl an Absagen bekommen. “Offiziell hat das jetzt niemand mit der politischen Lage in Amerika begründet, aber hinter vorgehaltener Hand haben viele schon auch gesagt, dass sie da klare Anweisungen aus Amerika erhalten”, erzählt Marcel Voges, Vorstandmitglied des Berliner CSD e.V., dem rbb.

Hintergrund ist, dass US-Präsident Donald Trump mit Elan gegen Diversitätsprogramme in Behörden und Unternehmen vorgeht [tagesschau.de]. Einige große Unternehmen haben entsprechende Bemühungen zur Förderung diskriminierter Bevölkerungsgruppen daher bereits eingeschränkt [tagesschau.de].

Wirtschaftliche Situation drücke Sponsoring-Bereitschaft

Doch auch deutsche Unternehmen seien zurückhaltender geworden, erzählt Marcel Voges. “Die begründen das häufiger mit der wirtschaftlichen Situation.” Doch man merke auch, dass die queere Community stärker unter Druck stehe und sich die gesellschaftliche Situation verändere. “Viele Jahre haben insbesondere rechte Parteien Narrative gegen uns geschürt und das hat jetzt eben Auswirkungen”, so Voges. Er glaubt, dass viele Unternehmen sich nun zweimal überlegen, ob sie die CSD-Parade fördern.

rbb-Anfragen an Sponsoren des vergangenen CSDs, ob sie sich wieder finanziell beteiligen oder aus welchen Gründen sie dies nicht tun, blieben teils unbeantwortet. Rewe teilte mit, in diesem wie auch den nächsten beiden Jahren Sponsor zu sein und mit einem Truck an der Parade teilzunehmen. Ein Sprecher der BVG sagte gegenüber rbb24, die BVG werde einen Inklusionsbus zur Verfügung stellen, um mobilitätseingeschränkten Personen eine bessere Möglichkeit geben, am CSD teilzunehmen. Zudem gebe es auch einen BVG-Truck bei der Parade. Bei Mercedes sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen, teilte eine Sprecherin dem rbb mit.

Marcel Voges (Quelle: Monique King)

Monique King

Marcel Voges, Vorstandsmitglied des Berliner CSD e. V.

Kleineres Budget, weniger Barrierearmut

Wegen der fehlenden Gelder haben die Organisator:innen bereits Konsequenzen ziehen müssen. “Wir konnten bereits durch Reduzierung von Produktionskosten und Personal rund 100.000 Euro einsparen”, schreibt der Verein auf Instagram. Noch weniger Geld auszugeben hätte eine Absage der Abschlusskundgebung sowie eventuell der gesamten Veranstaltung zur Folge gehabt.

Auch werden in diesem Jahr weniger bis keine Veranstaltungen im Rahmen des Pride Month vom Berliner CSD-Verein gefördert werden, sagte Vereinsvorstand Marcel Voges dem rbb. Auch bei der Barrierefreiheit werde gespart, etwa bei Rollstuhl-Podesten und Gebärdendolmetschenden.

Spendenaufruf und Kritik an Kommerzialisierung

Aber am Ende fehlt es immer noch an den rund 200.000 Euro. Der Berliner CSD e.V. hat daher einen Spendenaufruf veröffentlicht. Bislang seien dadurch etwa 10.000 Euro zusammengekommen, sagt Voges. Das Feedback sei überwiegend unterstützend und positiv. Es seien auch noch weitere Spendenaktionen geplant und auch auf der Parade werde gesammelt.

Im Internet stößt der Spendenaufruf mit Bezug auf die mangelnden Sponsorengelder jedoch auch auf Kritik. Unter dem Instagram-Post des Vereins kommentiert ein User etwa: “Ich fand die Kommerzialisierung schon lange problematisch und nun sehen wir, wie ernst die Unternehmen es meinen.” Es entspreche unserer Zeit, sich mehr auf das Protestieren und Demonstrieren zu fokussieren. Ein anderer User hat Verständnis, dass Geld für Bühnen, Toiletten und Sicherheit ausgegeben werden müsse, aber man könne sich doch an dem kleineren Winter-CSD orientieren, wie es ihn im Februar vor der Bundestagswahl gegeben habe.

Es ist die übliche Diskussion: Wie viel Party, Kommerz und Politik soll bei einem CSD stattfinden, wo doch die Ursprünge der Christopher-Street-Day-Parade in einem Aufstand gegen queerfeindliche Polizeirazzien liegen?

Viele Teilnehmende erfordern viel Infrastruktur, die viel Geld fordert

Der Verein entgegnet den Kommentatoren, über die möglichen Varianten des CSDs 2026 sollte die Community diskutieren. Doch wenn wie in den vergangenen Jahren Hunderttausende Menschen zur CSD-Parade kämen, brauche es eben auch eine gewisse Infrastruktur.

Der Meinung ist auch Pavlo Stroblja, Gründer des Netzwerks Queermentor. Er veröffentliche 2023 einen offenen Brief [prideinc.de], in dem er die fortschreitende Kommerzialisierung der CSD-Paraden anprangerte. Er setzt sich für mehr Schnittstellen zwischen Unternehmen und queeren Non-Profit-Organisationen ein. Sein Vorschlag: Unternehmen, die bei einem CSD teilnehmen, sollen zugleich eine Spende an eine lokale gemeinnützige queere Organisation machen.

In die Richtung denkt auch der Berliner CSD-Verein: “Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir uns zu abhängig gemacht haben. Langfristig müssen wir schauen, dass wir unsere Kooperation mit lokalen Unternehmen, aber auch mit der Stadtgesellschaft ausbauen”, sagt Voges. Er ist davon überzeugt, dass es immer einen Berliner CSD geben wird. “In welcher Größe das stattfinden wird, ist dann halt die Frage.”

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.05.2025, 19.30 Uhr

Beitrag von Julian von Bülow


Back to top button