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Hoffenheim-Schlussmann Oliver Baumann im Fokus: als Nächstes das DFB-Tor? | ABC-Z

Oliver Baumann wusste, was zu tun ist, während seine Mitspieler zum abschließenden Jubel ansetzten. Gerade hatte die TSG Hoffenheim ein sehr wichtiges Spiel gewonnen, die Fans freuten sich und waren erleichtert, der Sinsheimer Torhüter jedoch lief zu seinem Bochumer Kollegen Timo Horn.

Er wusste, dass ein zentrales Kapitel der Geschichte von diesem Hoffenheimer 1:0-Auswärtssieg an der Castroper Straße von den Torhütern handelte. Baumann hatte ein, zwei wirklich schwierige Abschlüsse des VfL abgewehrt, „wir haben es gut angenommen, hässlich gespielt und gewonnen“, sagte er. Horn hingegen war ein mäßig platzierter und haltbarer Schuss von Tom Bischof über seine Hände zum entscheidenden Treffer ins Tor gesprungen. „Man kennt das irgendwo auch, das ist jedem schon mal passiert“, sagte Baumann, dessen Freude sich vermischte mit Mitgefühl für den Kollegen.

Die Frage nach den Torhütern spielt ja grundsätzlich eine zentrale Rolle in diesem Kampf gegen den Abstieg, in dem die Bochumer mit Patrick Drewes und Timo Horn zwei Profis für den Job zwischen den Pfosten im Kader haben, die eher nicht zum Kreis der Stärksten in der Liga zählen. Ähnlich ist die Lage bei Holstein Kiel, wo Timon Weiner das Tor hütet, während der FC St. Pauli mit Nikola Vasilj und Hoffenheim mit Baumann auf dieser Position besonders stark besetzt sind. Umso wichtiger war, dass Baumann am Karnevalswochenende einsatzfähig war, was manchen Beobachter erstaunte.

Baumann: „Ich muss meiner Frau danken“

Denn die Nummer eins der TSG hatte sich Ende Januar eine Verletzung an der Plantarfaszie des linken Fußes zugezogen, die die Ferse und den Fußballen miteinander verbindet. Er habe „schon eine Weile“ unter dieser Blessur gelitten, berichtete Baumann in Bochum, „es ging nie weg“. Im Januar habe sich das Pro­blem dann „ein bisschen verlagert“, im Europa-League-Spiel gegen Tottenham „war es zu viel und ist eingerissen“. Vom 19. bis zum 23. Spieltag musste er sich von Luca Philipp vertreten lassen.

Das war ein Schock, auch weil die Chance besteht, dass 2025 ein besonderes Jahr für Baumann wird, in dem für den Vierunddreißigjährigen sogar der erste Titelgewinn seiner Karriere realistisch erscheint: der Sieg in der Nations League mit der Nationalmannschaft.

Marc-André ter Stegen kann ja noch nicht spielen nach seinem Riss der Patellasehne, Baumann und der Stuttgarter Torhüter Alexander Nübel haben sich den Job des Vertreters in den Herbst-Länderspielen 2024 geteilt. Da Nübel aber zuletzt nicht so konstant spielte wie Baumann, sind die Chancen des Hoffenheimers auf den Posten im Tor der DFB-Elf gut. Zumindest für das anstehende Viertelfinale gegen Italien in der Nations League. Und dann vielleicht auch für das Finalturnier in diesem Wettbewerb, das in Deutschland stattfinden soll, sofern sich die Mannschaft fürs Halbfinale qualifiziert.

Um diese Chance nicht zu schmälern, hat Baumann nach seinem Faszienriss intensiv an einer schnellen Rückkehr gearbeitet. „Ich muss meiner Frau danken, denn in den ersten zehn Tagen war ich kaum zu Hause, weil ich ständig was gemacht habe“, sagte er in Bochum. Zunächst hieß es, die Zeit bis zu den März-Länderspielen werde knapp, nun kann Baumann sogar noch in drei Bundesligaduellen Spielpraxis sammeln, was ihm wichtig ist. Denn die späten Berufungen ins Nationalteam könnten zu einer Art Krönung einer Karriere werden, die auch eine tragische Komponente hat.

Aufgewachsen ist Baumann als Sohn einer Hoteliersfamilie in Bad Krozingen im unmittelbaren Einzugsgebiet von Freiburg. Als Zehnjähriger wechselte er zum dortigen Sportclub, wo er in der A-Jugend unter Trainer Christian Streich deutscher Meister und deutscher Pokalsieger wurde, bevor Robin Dutt ihn 2011 zur Nummer eins bei den Profis beförderte.

Roman Bürki und Mark Flekken, seine Nachfolger in Freiburg, wechselten später zu größeren Klubs. Bürki gewann mit Dortmund Titel, spielte regelmäßig in der Champions League, Flekken ist eine feste Größe beim FC Brentford in der Premier League. Baumann hingegen entschied sich für die Provinz, auch weil er die Ruhe und die Nähe zur südbadischen Heimat schätzt. Persönlich spielte er so zwar konstant auf einem hohen Niveau, allerdings oft in einem nur teilweise gefüllten Stadion in einer eher grau wirkenden Mannschaft.

Als er 2014 von Freiburg nach Hoffenheim ging, sprach er vom „nächsten Schritt“, was ganz sicher auf sein Gehalt zutraf. Eine Saison in der Champions League hat er auch erlebt. In den meisten Jahren blieben die Hoffenheimer jedoch mit ständig wechselnden Trainern unter ihren Möglichkeiten, während die Freiburger mit Baumanns langjährigem Förderer Streich häufig erfolgreicher waren. Vielleicht ahnte der Kulttrainer des SC so etwas schon 2014, jedenfalls war er ziemlich sauer, als Baumann nach Hoffenheim ging, statt auf ein attraktiveres Angebot zu warten. Der Kontakt ist aber nie abgerissen, vor einiger Zeit sagte Streich über den Torhüter: „Solchen Menschen begegnen zu dürfen ist ein Geschenk.“

Die alten Freiburger Verbindungen bestehen also weiterhin und reichen sogar bis ins heutige Trainerteam der Nationalmannschaft hinein. Andreas Kronenberg, der langjährige Torwarttrainer des SC, ist es jetzt im Team von Julian Nagelsmann. Und ein Vertrauter von Baumann. Als Baumanns Vater 2012 an Lungenkrebs starb, waren Streich und Kronenberg wichtige Stützen, hat Baumann einmal erzählt. Dieses Erlebnis beschäftigt ihn noch heute, deshalb hat er den Verein „Olis Kinderwelt“ gegründet, der die Familien krebskranker Kinder unterstützt.

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