Kultur

Architektur-Biennale : Hört auf zu bauen | ABC-Z

Eine Installation aus Absperrgittern, Betonklötzchen, Fotografien, und mittendrin, fast hätt man’s übersehen, ein Schildchen: “Bauen oder Nicht-Bauen, das ist hier die Frage”. Eine Frage, die man an diesem Ort, auf der Architektur-Biennale in Venedig, dem internationalen Großtreffen der Bauwelt, am allerwenigsten erwartet hätte. Denn ernst genommen sprengt sie nicht nur diese Ausstellung. Sie verändert die Architekturgeschichte.

Es hat sich herumgesprochen: Die Architektur zerstört, während sie errichtet wird. Die CO₂-Emissionen aus Stahl sind schwindelerregender als jeder Tower, der damit in London, Singapur oder Bogotá gebaut wird. Und Beton, mit dem sich wunderbar verspielte und abgehobene Bauten errichten lassen, ist in seiner CO₂-Bilanz weiter nichts als niederschmetternd: verantwortlich für weltweit dreimal mehr Emissionen als aus dem Flugverkehr. Lädt also nicht jedes neue Gebäude mit den Emissionen, die dabei entstehen, nur den nächsten Sturm auf, der es bald schon hinwegfegen wird? Braucht es, so könnte man die Eingangsfrage zuspitzen, womöglich einen globalen Baustopp?

Carlo Ratti, der Kurator der diesjährigen Biennale, sieht das anders. Zwar erklärt er entschieden die verheerende Klimakrise zum Thema. Doch verschiebt er dabei den Fokus: Bloß über die Minderung von Emissionen nachzudenken, sei von gestern. Jetzt müsse es um Anpassung an den Wandel gehen. Die Planer, sagt Ratti, sollten “für eine veränderte Welt entwerfen”. Dahinter steckt die leider sehr realistische Annahme, dass die Welt ihre Klimaziele krachend verfehlen wird, über die Sicherheitsschwellen des Zwei-Grad-Ziels hinausschießt und uns eine Heißzeit völlig unbekannten Ausmaßes bevorsteht.

Auch die Biennale ist heiß, sehr heiß. Jedenfalls gleich zu Beginn der Ausstellung, in den Arsenale, der ehemaligen Schiffswerft und Flottenbasis der Republik Venedig: Dort wird man von einem stickigen Raum empfangen, in dem lauter Klimaanlagen brummen, oder genauer ihre Außenkästen, die man nach innen geholt hat und die ihre Wärme absondern. Ein starkes Bild dafür, wie eine Anpassungsmaßnahme an die steigenden Temperaturen zugleich an der Katastrophe mitwirkt – der Absatz von Klimaanlagen geht bereits weltweit durch die Decke.

Schon hier zeigt sich, wie plausibel ein Baustopp wäre. Denn je mehr Gebäude errichtet werden, desto mehr muss man heizen und kühlen. Und desto mehr verschärft sich die Klimakrise, gegen die dann wiederum noch intensiver angeheizt und angekühlt werden muss.

Allerdings sträubt sich die Biennale gegen dieses Dilemma, sie sehnt sich nach Lösungen. Eigentlich will sie dann doch weitermachen wie bisher. Mit anderen Baustoffen, die aus Holz oder Pilzen entwickelt werden. Oder mithilfe von künstlicher Intelligenz die Bauprozesse effizienter machen. Auch wenn das kaum mehr ist als Zweckoptimismus: Alternative Baustoffe, biomorphe Formensprache und Techno-Utopismus werden von der Architektur bereits seit den 1970ern beschworen – ohne bislang nennenswerte Auswirkungen. Im Gegenteil, oft sind die Lösungen selbst Teil des Problems: Bäume etwa, die ein so wunderbares Baumaterial abgeben, weil sie CO₂ aus der Luft filtern und im Holz binden, sind nur so lange eine Lösung, bis sie sich im Zeitalter des Feuers, dessen Vorschein zuletzt in Kalifornien zu besichtigen war, als carbon bomb erweisen. Und dass die KI riesige Mengen an Energie frisst, deren Erneuerbarkeit noch auf unbestimmte Zeit nicht garantiert werden kann, wird auch nie eingepreist.

Das wahre Problem ist womöglich, dass viele Architekten vorschnell glauben, eine Lösung zu haben. Viel klüger wäre es, sich auf das Abenteuer namens Umbau einzulassen und bereits Bestehendes an die neuen Realitäten anzupassen. So führt der deutsche Pavillon überzeugend vor, wie die städtische Architektur gegenwärtig den Hitzestress mit Bodenversiegelung und Gebäudeverspiegelung verstärkt. Und mit welchen minimalinvasiven Eingriffen dem entgegengewirkt werden kann. Mit ein paar Bäumen verschafft das Kuratorenteam etwa einem der Ausstellungsräume ein kühleres Klima.

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