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Hobbyarchäologie in Dachau: Geschichtsschreibung in der Landschaft – Dachau | ABC-Z

Hartmut Cyliax macht mit seinen Armen eine weit ausholende Geste: „Sehen Sie die Wölbung da?“, fragt er und zeigt auf ein bewachsenes Stück Feld. Nein, sieht man nicht oder nur mit gehöriger Vorstellungskraft. „Das ist ein Stück der alten Isartal-Römerstraße“, sagt er. Aha, denkt sich die Gruppe an diesem verregneten Nachmittag. Weiter geht es schnellen Schritts in den Wald, über Stock und Stein und durch Pfützen auf einem verschlammten Weg. Macht aber nichts. Die rund fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion „Wert-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“ gruppieren sich so gut es geht um Cyliax, während der weiter über den Verlauf der alten Straße berichtet.

Cyliax ist zusammen mit Herbert Lindlbauer, Lorenz Hoffleisch und Werner Wittmann das Expertenteam auf dieser Reise durch den Landkreis und in die Historie des Dachauer Landes. Sie nennen sich bescheiden „Hobby-Archäologen“, sprühen vor Begeisterung für ihr Metier und vermitteln ihre fundierten Kenntnisse mit geradezu ansteckender Leidenschaft.

Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter und Annerose Stanglmayr, Geschäftsführerin des Dachauer Forums, hatten die Idee zu dieser leicht abenteuerlichen Expedition, der ersten dieser Art, zum Tag des offenen Denkmals. Auf dem Programm standen der Römerstraßendamm im Lichtholz bei Markt Indersdorf, die Keltenschanze in Arnzell, die längst verschwundene Burg Glaneck auf dem Petersberg und der Ringwall Keckenberg bei Sittenbach. Das sind unscheinbare Bodendenkmäler, aber sie haben eine große Bedeutung für die Siedlungsgeschichte der Region.

Warum aber engagieren sich die Amateurforscher gerade für Bodendenkmäler, gehen immer wieder auf die Suche nach unbekannten Relikten der Vergangenheit, arbeiten eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege zusammen und haben jetzt sogar an einigen Bodendenkmälern aussagekräftige Infotafeln errichtet? „Nur was man kennt, kann man schützen“, sagt Cyliax und räumt gleich mit einigen gängigen Mythen auf. Sie seien nicht auf der Suche nach Goldschätzen, sondern eben nach den verborgenen Überresten der Vergangenheit.

Hilfreich ist mittlerweile eine Technik, die die gesamte Archäologie revolutioniert: die Lidar-Methode. Damit lassen sich – sehr vereinfacht gesagt – per Laser durch Bäume und Gebüsch hindurch, mithilfe von Drohnen oder aus dem Flugzeug heraus, Unebenheiten tief im Boden entdecken und analysieren. Grabungen sind deshalb weltweit zurückgegangen, was wiederum die Unversehrtheit archäologischer Stätten garantiert.

Hobby-Archäologe  Hartmut Cyliax  erforscht die Bodendenkmäler im Landkreis Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Wobei die Hobby-Archäologen beim Thema Grabungen und Funde ganz ernst werden. Gegraben werden darf nur mit Genehmigung, betonen sie. „Wir graben nicht, wir machen bodenphysikalische Untersuchungen“, sagt Cyliax. Jeder sogenannte Lesefund – im Grunde schon die kleinste Keramikscherbe – muss gemeldet werden. Man spürt, wie viel Freude es den Amateurforschern bereitet, ihr großes Wissen an neugierige Menschen weiterzugeben. Schließlich haben sie und einige weitere Archäologie-Begeisterte langjährige Erfahrung. Ein Teil von ihnen war bereits im 2017 wegen Personalmangels aufgelösten Archäologischen Verein aktiv und engagiert sich nun in der Nachfolge-Initiative, dem archäologischen Arbeitskreis des Hutter-Museums in Großberghofen.

Dort sind übrigens auch einige Fundstücke zu sehen, darunter eine Nachbildung eines Regenbogenschüsselchens, einer keltischen Goldmünze, aus dem berühmten Goldschatz von Gaggers. Der wurde bereits 1751 entdeckt, löste einen wahren Goldrausch aus, wurde einem Pfarrer zur Aufbewahrung übergeben – und verringerte sich auf mirakulöse – oder auch sehr weltliche – Art und Weise, bis von den 1400 Goldstücken nur noch ein paar übrig blieben. Die Originale befinden sich heute in der Staatlichen Münzsammlung.

Doch zurück auf den Römerstraßen-Damm. Acht bis zehn Meter breit war so ein Bauwerk, das wichtige Handels- und Militär-Posten miteinander verband, im aktuellen Fall jedoch eher eine Art Zubringer zu den bedeutenden Verbindungen jener Zeit gewesen sein könnte – und so gar nicht dem Bild entsprach, das Rom-Touristen von solchen Straßen haben. Keine Marmorplatten als Belag, sondern Baumstämme und schnöder Kies, der in Materialgruben aufbewahrt wurde.

Auch die berühmten Landgüter, Villa rustica genannt, von denen es eines in Großberghofen gab, waren keineswegs in Stein gehauene Prachtbauten, sondern eher bescheidene Gebäude aus sogenanntem Hüttenlehm; es sei denn, es gab einen reichen Grundbesitzer, der sich auch eine der formidablen Wellness-Badeanlagen jener Zeit leisten konnte.

Im Hutter-Museum in Großberghofen sind auch Funde aus der Römerzeit ausgestellt.
Im Hutter-Museum in Großberghofen sind auch Funde aus der Römerzeit ausgestellt. (Foto: Toni Heigl)

Wie es in einem keltischen Dorf ausgesehen haben könnte, lässt sich an der Keltenschanze bei Arnzell nachempfinden. Die Schanze hat es im Gegensatz zu anderen Bodenfunden in der Region zu einiger Berühmtheit gebracht. Was nicht an ihrem Erhaltungszustand liegt, sondern vielmehr am jährlichen Schanzenfest und der idyllischen Lage.

„Es ist so schön da oben“, sagt ein zufällig vorbeikommender Arnzeller und erzählt gleich noch etwas aus dem heutigen Leben in einem kleinen Dorf. Dass er von Haupt- auf Nebenerwerbslandwirtschaft umgestiegen sei, dass er nur noch wenige Hektar Ackerland bewirtschafte. „Davon kannst du nicht mehr leben“, sagt er mit einem resignierten Blick auf den leer stehenden Kuhstall. Wie es weitergehe, wisse er nicht. „Ob die Kinder sich das mal antun?“, das bezweifle er.

Unbeantwortet bleibt die Frage, ob die keltischen Familien innerhalb der schützenden Schanze auch schon mit solchen Problemen zu kämpfen hatten. Die funkelnagelneue Infotafel informiert jedoch eindrücklich über das dörfliche Leben der Kelten zur Latènezeit, also ungefähr von 250 bis 15 vor Christus, jenseits von Asterix-und-Obelix-Klischees.

Wie wichtig die Infotafeln sind, erklärt Werner Wittmann: „Sie sind nicht nur für Wanderer und Ausflügler gedacht, sondern auch für die Bevölkerung. Viele wissen ja nicht, dass es so ein Bodendenkmal in ihrem Dorf gibt.“ Mit einem Grinsen fügt er hinzu: „Manche wollen es auch nicht wissen.“ Warum, ist leicht nachzuvollziehen: Bei allen archäologischen Fundstätten muss die Denkmalpflege eingeschaltet werden. Und das kann eine Baumaßnahme ziemlich verzögern.

Doch die Hobbyarchäologen haben noch ein ganz anderes Problem: Es werde von Jahr zu Jahr schwieriger, Bodendenkmäler zu finden und zu schützen, sagt Cyliax. „Der Einsatz von schweren Landmaschinen ist halt nicht besonders förderlich“, weil diese noch vorhandene Spuren zerstörten. Hilfreich sind hingegen Touren wie diese. Sie fördern das Bewusstsein für unscheinbare, aber bedeutende unterirdische Schätze, auch ohne Gold- und Silber.

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