Berlin

Hitzeschutz: Wie ein Berliner Kiez mit “Hitzeselbstverteidigung” für grüne Oasen kämpft | ABC-Z

Hitzeschutz in Berlin

Mit Hitzeselbstverteidigung zur grüneren Nachbarschaft


Fr 18.07.25 | 06:25 Uhr | Von Anna Corves

Bild: rbb/Anna Corves

Asphalt glüht, die Luft flimmert, Hitzewellen nehmen zu – und ab 30 Grad wird’s gefährlich, vor allem für Ältere. Trotzdem: Viele Städte wie Berlin sind auf die Hitze nicht vorbereitet. Woran liegt das eigentlich? Von Anna Corves

Olli, Noah, Leonie und Leila wühlen sich mit Wonne durch die frische Blumenerde. Vorsichtig setzen sie Thymian, Rosmarin, Lavendel und bunt blühende Gartenpflanzen in große mobile Hochbeete, in die Sitzbänke integriert sind. Diese Hochbeete wurden von diesen und weiteren Schülerinnen und Schülern der Möwensee-Grundschule in Wedding selbst gezimmert, im Rahmen des Projekts “Machmalplatz” [machmalplatz.org]. Noch stehen die Beete auf dem Schulhof – ihr Bestimmungsort ist aber der Manga-Bell-Platz nebenan.

Trist. Das ist das wohl das treffendste Attribut für diesen Platz. Die Afrikanische Straße zerschneidet ihn, auf den Teilflächen wuchern halb vertrocknete Gräser. Ringsherum: Graue Häuser aus der NS-Zeit. Kaum Schatten, viel Asphalt, viel Verkehr: An Sommertagen staut sich hier die Hitze erbarmungslos. “Gerade für ältere Leute ist es dann ein Problem, wenn sie den großen Platz überqueren, vom Bus zu ihrer Wohnung laufen müssen”, erzählt Martin Barthel, der in der Nachbarschaft wohnt. “Es kommt öfter vor, dass Menschen umkippen, Kreislaufprobleme bekommen.”

Es kommt öfter vor, dass Menschen umkippen, Kreislaufprobleme bekommen.

Martin Barthel

Kleines Kiezprojekt, ungeahnte Hürden

Barthel will das ändern, hat mit Mitstreiter Johannes Tonka und ihrem Verein Comparative Research Network “Machmalplatz” gestartet. Das Ziel: Binnen acht Wochen den Platz im Sinne der Nachbarschaft umgestalten. Das Konzept hat der Verein schon in vier Brandenburger Orten erprobt [resilientcities.de/klima-tandem]. Sie haben die ganze Nachbarschaft mobilisiert, Kooperationspartner wie Alba Berlin oder das Centre Français gewonnen. Der Bäcker am Manga-Bell-Platz – das Herz des Kiezes –, stellte einen Briefkasten auf, in den alle ihre Ideen einwerfen konnten. “Schatten, Sitzen können, Pflanzen – das waren die häufigsten Wünsche.”

So kam es zu den Hochbeeten mit integrierten Sitzbänken. Die sollen auf dem Platz aufgestellt werden, am besten überdacht, um auch Schatten zu spenden. Keine große Sache, möchte man meinen. Und doch ist es so einfach nicht – obwohl die Initiatoren die Behörden von Anfang an ins Boot holten, der Bezirk Mitte das Projekt begrüßt. Aber mit den Hochbeeten werden sie den erhofften Schatten wohl nicht schaffen dürfen: Bei hohen Installationen wie einer Pergola etwa spielt der Denkmalschutz nicht mit. Denn tatsächlich steht die Blockrandbebauung aus den 1930er Jahren unter Ensembleschutz. “Die Sichtachsen dürfen nicht behindert werden”, erklärt Barthel.

Kein Vorrang für Klima- und Hitzeschutz

Nora Wolter bestätigt das. Sie ist seit fünf Jahren die Klimaschutzbeauftragte des Bezirks Mitte und freut sich an sich über das bürgerschaftliche Engagement. Trotzdem: “Da sind viele ressortübergreifende Fragen zu klären: Ist die Verkehrssicherheit gewährleistet, können alle Menschen weiterhin den Raum barrierefrei passieren? Stimmt das Grünflächenamt zu, werden schwere Elemente nicht zu nah an die vorhandenen Bäume gestellt? Und dann eben der Denkmalschutz.”

All diese Belange sind gleichberechtigt und müssen bei Interessenkonflikten abgewogen werden. Hitze- oder Klimaschutz haben keinen Vorrang. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Neugestaltung des Gendarmenmarkts, die sich am historischen Zustand der DDR-Moderne orientiert – aber kaum Raum für Grün gelassen hat. Hinzu kommt: “Hitzeschutz und Klimaschutz sind keine kommunale Pflichtaufgabe”, sagt Nora Wolter. “Man kann sich dafür entscheiden, muss es aber nicht.” Das heißt auch: Es sind im Haushalt keine finanziellen oder personellen Ressourcen dafür eingeplant. Das ist in Zeiten klammer Kassen natürlich ein Problem. Die Hoffnung der Klimaschutzbeauftragten: “Dass diese Argumente mit steigenden Temperaturen und steigendem Leidensdruck mehr Gehör finden werden.”

Martin Barthel, Initiator des Projekts "MachmalPlatz" (Quelle: rbb/Anna Corves)Martin Barthel hat das Projekt “MachmalPlatz” inititert

Hitzeaktionspläne sind Mangelware

Moritz Ochsmann vom Deutschen Institut für Urbanistik DIfU hat gerade erst untersucht, wie weit der Hitzeschutz hierzulande gediehen ist. Das Ergebnis: Deutschland steht noch sehr am Anfang. “Von den rund 11.000 Kommunen haben erst 44 einen Hitzeaktionsplan beschlossen und veröffentlicht.”

Solche Pläne sind wichtig, weil sie Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Hitzeschutzmaßnahmen klar zuordnen – gerade in Berlin mit seiner Doppelstruktur von Senat und Bezirken eine wichtige Aufgabe. Wie sind die Meldeketten bei anrollenden Hitzewellen? Wer installiert ein Hitzetelefon, mit dem etwa alte Menschen gewarnt werden können? Wer regelt, ab wann für Menschen, die im Freien arbeiten, Arbeitszeiten angepasst werden müssen? Dabei muss nicht jede Kommune das Rad neu erfinden: Aus der Praxis im In- und Ausland gibt es schon Hilfestellungen, die das DIfU zusammengetragen hat [backend.repository.difu.de].

Im Frühjahr 2024 hat der Berliner Senat angekündigt, einen landesweiten Hitzeaktionsplan erarbeiten zu wollen und dafür eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe gegründet. In diesem Herbst soll der Plan vorgelegt werden – und muss dann nochmal in zwölf Bezirkspläne umgesetzt werden. Für Brandenburg soll ein solcher Hitzeaktionsplan 2027 fertig sein, wobei schon seit 2022 ein umfassendes Gutachten dazu vorliegt, das als Grundlage dienen kann.

Derweil versuchen Bürger und zivilgesellschaftliche Akteure, Hitze- und Klimaschutz voranzutreiben. Auch in Berlin gibt es dafür jede Menge Initiativen, prominentes Beispiel: Die “Initiative Baumentscheid”, die unter anderem für 300.000 zusätzliche Straßenbäume kämpft. Auch Martin Barthel will entsprechende Projekte weiter vorantreiben, obwohl er eigentlich die Bezirke oder das Land in puncto Hitzeschutz in der Pflicht sieht: “Berlin hinkt sehr hinterher und wir müssen tierisch beschleunigen.”

Es gebe noch so viel zu tun, es fehlten Kühlungsinseln, Wasserspender, es müsse mehr entsiegelt werden: “Was wir hier am Manga-Bell-Platz machen, das ist eigentlich Hitzeselbstverteidigung.”

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.07.2025, 07:10 Uhr


Back to top button