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Historiker: “Wir erleben ein russisches ‘Spiel’ mit der Atomwaffe” | ABC-Z

Drohnen- und Jet-Sichtungen im Nato-Luftraum verunsichern viele Menschen. Leben wir in einem neuen Zeitalter des Kalten Kriegs? Der Offizier und Historiker Armin Wagner spricht darüber in einem aktuellen Interview.

Die Meldung reiht sich ein in zahlreiche Berichte der vergangenen Wochen. Am Donnerstagabend waren nach Angaben der litauischen Armee zwei russische Militärflugzeuge kurzzeitig in den Luftraum des baltischen EU- und Nato-Landes eingedrungen. 

Als Reaktion stiegen zwei Eurofighter der spanischen Luftwaffe auf, die in Litauen stationiert sind. Nach Angaben des litauischen Militärs waren die beiden russischen Maschinen etwa 700 Meter tief in litauisches Gebiet eingeflogen und hätten sich etwa 18 Sekunden lang darin aufgehalten. Moskau bestritt dies. 

Wagner: “Würde heute nicht mehr vom Kalten Krieg sprechen”

In der jüngsten Vergangenheit waren auch Drohnen über Dänemark, Polen und Deutschland gesichtet worden. Vielerorts herrscht Verunsicherung. Und auch, wenn Russland immer wieder betont, nichts mit derartigen Ereignissen zu tun zu haben, fragen sich einige, ob ein neues Zeitalter des Kalten Krieges angebrochen ist.

Der Historiker und Offizier Armin Wagner, dessen Buch “Das ABC der Apokalypse: NATO-Offiziere erzählen den Dritten Weltkrieg” im August erschienen ist, schaut differenziert auf die aktuellen Geschehnisse.

“Die Ausgangslage ist heute eine andere: Es gibt nicht mehr nur zwei Supermächte. China spielt inzwischen eine andere Rolle als noch im Kalten Krieg, die Regierung in Peking verfügt über erheblich mehr Einfluss und Macht als damals”, sagte er im Gespräch mit der “Zeit”.

Konflikt zunehmend im hybriden Raum ausgetragen

Für die USA sei China inzwischen der eigentlich Gegner, nicht mehr Moskau. Wagner erklärte, er würde heutzutage schon deshalb nicht mehr vom Kalten Krieg sprechen, “weil die Konfrontation zwischen der Nato und Russland heute zugespitzter ist als damals”. Allerdings kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Nukleardrohungen aus dem Kreml.

“Wir wissen heute: Die Russen hätten auf dem europäischen Schlachtfeld real vermutlich sehr schnell Atomwaffen eingesetzt, das war von vornherein eingeplant”, so Wagner. “Aktuell erleben wir eher ein russisches “Spiel” mit der Atomwaffe. Russland droht zwar, aber ich sehe derzeit nicht, dass die Machthaber im Kreml bereit wären, solche Massenvernichtungsmittel tatsächlich einzusetzen.”

Der Konflikt verlagert sich in seinen Augen zunehmend in den hybriden Raum. Der Historiker glaubt, dass es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht darum gehe, denn Westen physisch zu vernichten.

“Androhen von Nuklearschlägen kann Teil hybrider Kriegsführung sein”

Vielmehr sei sein Ziel, “die westlichen Gesellschaften zu unterwandern, die Glaubwürdigkeit ihrer Regierungen zu erschüttern sowie die gesellschaftliche Standhaftigkeit und Resilienz zu untergraben”. Ganz ähnlich äußerte sich auch Bundeswehr-Oberst und Chief Information Security Officer (CISO) Guido Schulte im Interview mit FOCUS online.

“Die russische Regierung will die deutsche Bevölkerung verunsichern, um gegen unsere politische Ordnung, unser Demokratieverständnis vorzugehen”, sagte er. Außerdem sprach er über einen Cyberangriff, dem die Bundeswehr im Zuge des Ukraine-Krieges ausgesetzt war. Die eigenen Internetauftritte waren kurzfristig nicht mehr abrufbar.

Historiker Wagner betonte im Gespräch mit der “Zeit”, dass das russische Regime in seinen Augen auf Desinformation, den Einsatz von Saboteuren und das Provozieren der Nato mit Drohnen setzt. “Das Androhen von Nuklearschlägen kann Teil solcher hybriden Kriegsführung sein”, so der Offizier.

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