Hightech-Industrie in China: Er soll es der Welt zeigen | ABC-Z

In einem Präsentationsraum des chinesischen Hightech-Start-ups Unitree schubsen Menschen zwei Roboter herum. Die Humanoiden sind annähernd lebensgroß, staksen über den Büroteppich, umringt von ein paar Dutzend Kaufinteressenten. Immer wieder tritt jemand vor, verstellt den Robotern den Weg, rempelt sie an, stellt ihnen ein Bein. Doch nur für Sekundenbruchteile geraten sie aus dem Gleichgewicht, bevor sie sich mit surrenden Gelenkbewegungen wieder fangen. Nie fallen sie um.
Jedes Manöver mache die Maschinen klüger, erklärt Qian Yuqi, eine Marketing-Managerin von Unitree. Das lernfähige Steuersystem prägt sich ein, wie Angriffe abzufangen sind, mit jedem Taumeln wächst der sensorische Erfahrungsschatz. Bisher, sagt Qian, spiele sich dieser Lernfortschritt vor allem auf motorischer Ebene ab, sozusagen im Bereich der Muskeln. Dank künstlicher Intelligenz aber könnten die Maschinen bald weit komplexer agieren. “Wenn die Roboter erst einmal ein richtiges Hirn haben”, sagt Qian, “werden die Anwendungsmöglichkeiten unendlich sein.”
Unitree konkurriert mit den ganz Großen des Robotergeschäfts, die bisher vor allem in den USA sitzen, mit Branchengrößen wie Boston Dynamics oder Elon Musks Tesla-Ableger Optimus. “Noch zu unseren Lebzeiten werden humanoide Roboter jede Industrie revolutionieren”, behauptete Firmengründer Wang Xingxing im vergangenen Jahr. “Regierungen könnten potenziell 100.000 Roboter einsetzen, um ganze Städte zu bauen. Am anderen Ende der Skala könnten Roboter auf die Größe von Körperzellen schrumpfen und unsere komplette natürliche Umgebung transformieren.”
Die Zukunft hat also gerade erst begonnen – nicht nur für die Roboter und für Unitree, auch für China. Gleich mehreren Hightech-Unternehmen der Volksrepublik gelangen zuletzt große Innovationssprünge. Sie untermauern Chinas erklärten Anspruch auf globale Dominanz im Hochtechnologiebereich, ausformuliert vor zehn Jahren im industriepolitischen Strategiekonzept “Made in China 2025”, dessen Zieljahr nun angebrochen ist. Mit vehementer Förderung hat die Parteiführung Chinas Hightech-Sektor an die Weltspitze getrieben – und das, obwohl die USA den Aufstieg ihres geopolitischen Hauptkonkurrenten seit Jahren mit gezielten Technologiesanktionen auszubremsen versuchen.
Um die Zukunft im Frühstadium zu beobachten, ist die chinesische Metropole Hangzhou, wo Unitree sitzt, derzeit einer der besten Aussichtspunkte. Chinas forcierter Aufstieg vom Billiglieferanten der Welt zum globalen Vorreiter der Innovation wird hier greifbar, wo führende Universitäten, potente Risikokapitalgeber und Start-ups wie Unitree den Anspruch auf weltweite Technologieführerschaft in konkrete Produkte übersetzen.
Hangzhou ist eine dieser chinesischen Millionenmetropolen, in denen kaum ein Gebäude älter als zehn Jahre zu sein scheint. Dabei ist die Stadt so alt, dass über ihre Entstehung in China Legenden kursieren. Im mythischen Wolkenreich der Himmelskaiserin, so erzählt man es sich, brach einst Streit aus um eine schimmernde Perle. Ein Drache und ein Phoenix entrissen der Kaiserin das Kleinod, doch auf dem Weg aus den Wolken zurück zur Erde entglitt es ihren Krallen. Als die Perle auf den Boden aufschlug, verwandelte sie sich in ein Gewässer, den berühmten Westsee, an dessen Ufer Hangzhou heranwuchs.
Wir spulen ein paar Jahrtausende vor, aus Chinas mythischer Vorzeit in die nicht minder sagenhafte Gegenwart. In der Stadt, gelegen im Osten Chinas, eine Schnellzugstunde entfernt von Shanghai, leben heute zwölf Millionen Menschen – und sechs Drachen. Mit den “Drachen von Hangzhou” sind sechs Hightech-Start-ups gemeint, deren rasante Entwicklung derzeit Chinas Aufstiegsträume beflügelt.
Der berühmteste unter den Drachen heißt Deepseek. Kaum einer kannte den Namen, bevor das KI-Unternehmen im Januar ein Sprachmodell auf den Markt warf, das internationale Branchenriesen wie ChatGPT einholte – und dafür offenbar erheblich weniger Kapital und Rechenleistung brauchte als die westliche Konkurrenz. Ein mittleres Börsenbeben folgte, der US-Chip-Gigant Nvidia büßte zeitweise 600 Milliarden Dollar an Marktwert ein. Es war, als habe der Flügelschlag eines Drachen die Welt gestreift.
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Stolz berichteten chinesische Staatsmedien über Deepseeks Aufstieg – und identifizierten bald weitere Unternehmen, deren Namen in China nun für die Hoffnung stehen, den Westen technologisch überflügeln zu können.