Hier ist Klauen erwünscht: Wo man in Ebersberg kostenlos Obst ernten kann – Ebersberg | ABC-Z
An einem sonnigen Sommermittag im August zeigt das Thermometer 27 Grad an. Auf einer Bank im Schatten von Bäumen lässt sich das gut aushalten. Ein leichter Wind weht vom Feld herüber. Die Bäume sind bunt, geziert von roten Äpfeln, die gepflückt werden wollen. Mit dem Fahrrad kommt Agnes Gehrer den asphaltierenden Weg entlanggefahren, in langer Hose und blauem T-Shirt. Sie ist Sachgebietsleiterin für Abfall und Umwelt der Stadt Ebersberg. Hier auf der Hochzeitswiese an der Ebrachstraße konnte man zu besonderen Anlässen früher mal einen Obstbaum pflanzen lassen, „heute dürfen die Ebersberger die Früchte kostenlos pflücken“, erklärt Gehrer.
Im ganzen Landkreis verstreut finden sich Flächen wie die Ebersberger Hochzeitswiese. Unter anderem in der Kreisstadt, in Baiern, Forstinning, Hohenlinden, Oberpframmern, Pliening, Poing, Vaterstetten und voraussichtlich nächstes Jahr auch in Steinhöring. Überall dort stehen Pflanzen, von denen Bürgerinnen und Bürger die Früchte kostenlos pflücken dürfen. Auf sie hingewiesen wird mal auf der Website der jeweiligen Gemeinde, mal mit einem am Baum oder Strauch festgebundenen gelben Band.
Privatpersonen und Gemeinden können online die Standorte von Pflanzen teilen
Auf Initiative der Frauenunion teilt die Stadt Ebersberg seit 2020 die Standorte der pflückbaren Bäume auf mundraub.org, das „ist die größte deutschsprachige Plattform für die Entdeckung und Nutzung essbarer Landschaften“, heißt es auf ihrer Website. Bei Bürgern aus Grafing, Zorneding und Markt Schwaben hat die Idee ebenso gefruchtet: auf der Website wird auf mehrere entgeltlos pflückbare Bäume hingewiesen. Schon mehr als 15 Jahre lang können Privatpersonen und Kommunen auf dem Portal Pflanzen, die kostenlos abgeerntet werden dürfen, auf die digitale Landkarte setzen. Es sind insgesamt schon mehr als 90 000 Fundorte kartiert.
Die meisten der auf mundraub.org gelisteten Pflanzen im Landkreis Ebersberg gehören dabei nicht Privatpersonen, sondern sind Eigentum der Gemeinden. Kümmern tun sich um diese dann beispielsweise in Poing der gemeindliche Baubetriebshof, in Forstinning der Landschaftspflegeverband und Bauhof, in Baiern vorwiegend Grundstücksanlieger und in der Kreisstadt neben Agnes Gehrer auch die Ebersberger Gärtnerei.
Mehrere Gemeinden nutzen dabei eine besondere Markierung: Ein gelbes Band ziert die Bäume in Ebersberg, sowie in Hohenlinden, Pliening und Vaterstetten. „Das heißt für die Bürger: Wir dürfen hier ernten“, erklärt Gehrer. Einmal im Jahr binde sie diese an die Bäume. Mit der Zeit würden diese sich aber zersetzen, die Bänder seien ökologisch abbaubar. Doch nicht überall werden alle frei zur Ernte stehende Pflanzen auf diese Weise markiert. Darum ist es wichtig zu wissen, wo man sie findet.
In Oberpframmern darf von den Streuobstwiesen gepflückt werden, heißt es im Gemeindeblatt. In Poing sind die Pflanzen auf einem Lageplan, der auf der Website der Gemeinde steht, genaustens verortet. In Baiern liegen die meisten Flächen mit Obstbäumen, die abgeerntet werden dürfen, in Berganger. Entlang der Straße Zur Gass, nördlich und südlich der Gaststätte, sowie auf der Hochzeitswiese kann man in der Kreisstadt kostenlos ernten. Im Gemeindegebiet Forstinning gibt es zwei Orte mit pflückbaren Bäumen, einmal bei Sempt in Richtung Berg entlang der Straße und am Feldweg Richtung Kipfing, nahe dem Forstinninger Wertstoffhof. Zwei der fünf verorteten Flächen in Hohenlinden befinden sich an der Straße Richtung Haag. Im Bereich des Friedhofs Vaterstetten bis hin zur Reitsberger-Siedlung und ebenfalls hinter der Realschule in Baldham an den Grünflächen des Spielplatzes darf kostenlos gepflückt werden. Zwischen dem Bürgerhaus in Pliening und der Schule ebenso. Teilweise sind markierte Obstbäume in Vaterstetten und Pliening einzeln in den Orten verteilt.
In Poing gibt es dabei wohl die größte Auswahl an verschiedenen zu erntenden Früchten: Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Kirschen, Walnüsse sowie Mirabellen warten darauf, gepflückt zu werden. In den meisten anderen Gemeinden stehen überwiegend Apfelbäume. Deren Erntezeit startet in diesen Tagen. Genauso die der Birnen, zu finden auf der Hochzeitswiese sowie in Steinhöring und Hohenlinden. Oft schon abgeerntet sind die Mirabellen und Kirschen. Walnüsse und Zwetschgen sind von September an reif.
:Kostenlose Früchte
Obst an Bäumen im öffentlichen Raum soll nicht verderben.
Verbotene Äpfel sind süß. Dass das Pflücken aus Privatgärten untersagt ist, ist wohl allgemein bekannt, doch auch das Abernten von Bäumen auf öffentlichen Grund ist normalerweise nicht erlaubt. In Deutschland drohen Strafen für Diebstahl und Unterschlagung. Doch das gelbe Band befreit davon. Auf den Flächen der Gemeinde gilt für die Pflücker nur noch: „Für Schaden an Leib und Leben ist jeder selbst verantwortlich“, sagt Gehrer. Haften tue die Stadt bei Verletzungen, die beim Ernten zustande kommen, nicht. Rechtlich müssen nur Gefahrenquellen für die Pflücker ausgeschlossen werden.
Ein Problem scheint jedoch häufiger aufzutauchen. Einige Male sei es laut Gehrer nun schon vorgekommen, dass von den falschen Bäumen geerntet worden ist, trotz Hinweisschildern. So gibt es in der Stadt Ebersberg, in Kirchseeon oder Vaterstetten Baumpatenschaften. Diese Pflanzen werden von den Gemeinden an sich bewerbende Bürger vergeben, die diese pflegen und sich dafür mit der Ernte belohnen dürfen. Blöd nur, wenn ein Baumpate dann am Ende nichts von seiner Arbeit hat, weil seine Früchte unwissentlich stibitzt wurden.
Eine Regel gibt es: Die Pflanzen sollen fachgerecht abgeerntet werden
Um den Fortbestand der Pflanzen zu garantieren, bitten die Gemeinden um eine fachgerechte Ernte. Dabei soll darauf geachtet werden, dass keine der Pflanzen zu Schaden kommt, erklärt Gehrer. Man solle keine Äste herunterbrechen oder gar auf jüngere Bäume draufsteigen. Und bisher kenne sie da auch keinen Vorfall. Sie fügt hinzu, am liebsten sei der Stadt die Ernte mit einem Apfelpflücker, damit erreiche man auch höher gelegene Früchte. Dabei deutet sie hoch auf die Baumkrone, die ersten Äpfel hängen hier schon weit über ihrem Kopf. Ihr Tipp: „Wenn der Apfel abkommt, sobald man ihn vorsichtig anhebt und dreht, dann ist er reif. Muss man reißen, dann muss der Apfel noch dranbleiben.“ Geerntet werden soll in haushaltsüblichen Mengen. Es soll nur so viel Obst mitgenommen werden, wie verwertet werden kann, sagen die Gemeinden.